Re: Airport
Verfasst: 24. Oktober 2024 17:56
von Casino Hille
Anatol, Vodka, ich lese eure Ausführungen mit dem größten Vergnügen und schließe mich die nächsten Tage noch an. Ein kleines gesundheitliches Drama erfordert gerade meine Aufmerksamkeit, aber ich bessere mich bereits und sollte bald ins Bermuda-Dreieck eintauchen (ein Knaller-Wortspiel, nicht wahr?).
Re: Airport
Verfasst: 24. Oktober 2024 19:26
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben: 24. Oktober 2024 17:56
Anatol, Vodka, ich lese eure Ausführungen mit dem größten Vergnügen und schließe mich die nächsten Tage noch an. Ein kleines gesundheitliches Drama erfordert gerade meine Aufmerksamkeit, aber ich bessere mich bereits und sollte bald ins Bermuda-Dreieck eintauchen (ein Knaller-Wortspiel, nicht wahr?).
Gute Besserung, alter Freund! Ich bin schon ganz gespannt auf deine Ausführungen.
Re: Airport
Verfasst: 29. Oktober 2024 14:49
von vodkamartini
Ok, ich mach diesmal den Anfang und versüße uns die Zeit zur nächsten Diskussion mit einem besonderen Leckerbissen. Alain Delon, Sylvia Kristel und George Kennedy, muss man noch mehr sagen?
Airport `79
Finaler Akt der Airport-Reihe, bei dem der Gaga-Gehalt der ersten beiden Sequels die Schallmauer durchbricht. Wer sich weder an derben Zoten, irren Volten noch niedlichen Modelltricks stört, der ist hier bestens aufgehoben. Der Rest sollte lieber gleich bei Leslie Nielsen ins verrückte Flugzeug steigen.
Als Stewardess Isabelle zwei schwarze Kaffee in der Kanzel mit den ehrfurchtsvollen Worten
„You pilots are such … men.“ serviert, erwidert Pilotenurgestein Joe Patroni lapidar:
„They don´t call it the cockpit for nothing honey.“
Ja, im vierten Airport-Kracher „The Concorde - Airport `79“ geht es zotig zu und wer darauf pikiert reagiert, der kann gleich auschecken. Wer sitzen bleibt, wird mit einem regelrechten Schlüpfrigkeit-Dauerfeuer von Einheizer Joe beglückt. Als die aktuelle Gattin seines Fluglinienchefs mal kurz vorbei schaut, klärt er die feixenden Kollegen wie folgt auf:
„She's his fourth wife. He always was a horny bastard. There's this story that back in the 20's when he was barnstorming he made a bet that he could put it to this good lookin' wing walker. He boffed her right out on the wing a thousand miles above El Paso. His ass got so sunburned he couldn't sit down a week!“ Besonders gut harmoniert er mit seinem französischen Kollegen Paul Metrand - immerhin vom Womanizer Nummer 1 der Grande Nation verkörpert (Alain Delon) - , schließlich nutz der ihren Overnight-Stop in Paris nicht nur für ein Schäferstündchen mit Chef-Stewardess Isabelle, sondern vergisst dabei auch nicht den amourösen Hunger seines amerikanischen Bruders im Geilste, äh Geiste. So darf Patroni sich über eine ebenfalls allzeit bereite Freundin Isabelles hermachen, die noch dazu über erstaunliche Gemeinsamkeiten verfügt (u.a. Single und Sohn auf der Kunstakademie). Obwohl die willige Dame sogar für Schmetterlinge im Bauch des alten Schwerenöters sorgte, nimmt er es seinem Kumpel nicht krumm, als der ihm am Folgetag den professionellen Hintergrund seiner vermeintlich neuen Eroberung beichtet. Er goutiert es wies gemeint war - also als Freundschaftsdienst unter Alphatieren - und bedankt sich umgehend mit einer weiteren Kriegsgeschichte:
„Gee, I remember this Eurasian gal. She had these great big blue eyes. They called her the tarantula. You ever run into her? - „No, I don't think so.“ (Metrand) -
„You'd remember if you did. She was a real ball breaker!“
Ach ja, geflogen wird in „Airport `79“ auch noch - und wie. Schließlich wartet der Film mit dem seinerzeit neuesten Scheiß der zivilen Luftfahrt auf, dem ersten Überschallflugzeug der Geschichte ...
https://www.ofdb.de/film/10978,942844,A ... olpqwD-92Q
(K)Eine Bruchlandung
Verfasst: 30. Oktober 2024 17:31
von Casino Hille
Verschollen im Bermuda-Dreieck
Bei wenigen Schauspielern ist das Wort „Legende“ so angebracht wie bei Christopher Lee. Und das nicht nur, weil er knapp sieben Jahrzehnte lang aktiv war und in über 285 Filmen mitwirkte, darunter zumeist als Bösewicht: vor allem in seinen mehrfachen Auftritten als „Dracula“ wurde er berühmt! Lee lebte auch abseits der Leinwand ein so hoch interessantes Leben, das es ihm nicht gerecht würde, bezeichnete man ihn „nur“ als eines von Hollywoods größten Talenten, wenngleich dies bei seiner Körpergröße von 1,96 Metern eine hübsche Doppeldeutigkeit hätte.
Er war adeliger Abstammung, seine Mutter eine Gräfin aus dem Adelsgeschlecht Carandiri. 1939 wurde er Augenzeuge der letzten öffentlichen Hinrichtung durch eine Guillotine auf dem europäischen Kontinent. Im Zweiten Weltkrieg spionierte er für den OSS, zusammen mit seinem Großcousin Ian Fleming, dessen literarische Schöpfung James Bond in Teilen auf Lee basiert. Er sprach zahlreiche Sprachen, hatte sie autodidaktisch erlernt. Er konnte fließend Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Spanisch und Swahili. Auch Deutsch beherrschte er, hatte er doch in einigen Edgar-Wallace-Verfilmungen wie „Das Rätsel der roten Orchidee“ mitgespielt, und später seinen Part im Zeichentrickklassiker „Das letzte Einhorn“ selbst nochmal für die deutsche Synchronfassung eingesprochen.
1977 erhielt er von der US-Stuntmen-Association deren höchste Auszeichnung, eine bronzene Gürtelschnalle, als er bei einem seiner eigenen Stunts fast zu Tode gekommen wäre – am Set des Katastrophenfilm-Blockbusters „Verschollen im Bermuda-Dreieck“. In diesem war Christopher Lee nur einer von vielen. Bei dem Actionabenteuer von Regisseur Jerry Jameson handelte es sich schließlich um den dritten Teil der „Airport“-Filmreihe, die sich in den Vorgängern bereits durch große Star-Ensembles ausgezeichnet hatte. Das Prinzip war simpel: es brauchte eine Katastrophe in Verbindung mit einem Flugzeug, an dessen Bord sich so ziemlich alles versammelte, was in Hollywood Rang und Namen hatte.
Das „Airport“-Original hatte 1970 eine Trendwelle an Nachahmern ausgelöst, die erste Fortsetzung „Giganten am Himmel“ verankerte sich in der Popkultur. Für „Verschollen im Bermuda-Dreieck“ sollten die vorherigen Spektakel getoppt werden. Statt wie zuvor Flugzeugabstürze zu verhindern, stürzte eine luxuriöse Boeing 747 dieses Mal tatsächlich ab. Es handelt sich um den Privatjumbo eines steinreichen Philanthropen, der auf diesem Weg Bekannte und Verwandte nach Florida fliegen will und gleich die Gelegenheit nutzt, noch einen Haufen an Kunstgegenständen einzufliegen. Dumm nur, dass sich ein paar Gangster in die Maschine schmuggeln, mittels eines Spezialgases alle außer Gefecht setzen und die Maschine kapern. Noch dümmer, dass die Ganoven mitten über dem Bermuda-Dreieck einen Ölbohrturm streifen, und die Maschine somit mitten auf dem Ozean landet und sofort versinkt. Richtig dumm, dass bis auf einen von ihnen alle Schurken bei dem Manöver draufgehen.
Die cineastische Prominenz ist somit im Schlund der Meere gefangen, darunter die aus „Asphalt-Cowboy“ bekannte Brenda Vaccaro, „Ich hab‘ dir nie einen Rosengarten versprochen“-Sweetheart Kathleen Quinlan sowie zwei großen Hollywood-Ikonen: „Citizen Kane“-Hauptdarsteller Joseph Cotten und „Vom Winde verweht“-Star Olivia de Havilland geben sich die Ehre und scharmützeln ein wenig miteinander. Gefordert werden sie nicht. Die Stars sind für die „Airport“-Filme an diesem Punkt ganz zum Selbstzweck geworden. Exemplarisch zeigt sich das an einer Szene, in welcher der blinde Schmusesänger Tom Sullivan selbstironisch die Ballade „Beauty is in the Eyes of the Beholder“ schmettert: eine Sequenz, die nur dadurch motiviert zu sein scheint, dass mit „Die Höllenfahrt der Poseidon“ und „Flammendes Inferno“ nur wenige Jahre zuvor gleich zwei Katastrophenfilme einen Oscar in der Kategorie Bester Song gewinnen konnten. Sullivan gibt nach dieser Gesangsszene dann auch schnell den Löffel ab, für mehr wird er nicht gebraucht.
In der Hauptrolle des heldenhaften Piloten Don Gallagher wurde „Manche mögen‘s heiß“-Komiker Jack Lemmon besetzt; eine angesichts seiner Physis denkbar ungewöhnliche Wahl für einen Actionfilm. Zudem wird an Land ein paar Mal der besorgte Millionär gezeigt, gespielt vom großartigen James Stewart. Wer aber Leistungen wie in Alfred Hitchcocks Meisterwerken „Das Fenster zum Hof“ oder „Vertigo“ erwartet, wird enttäuscht: Stewart durfte wenig mehr vorführen als den Umstand, wie alt er mittlerweile geworden war.
Für Zunder im Ensemble sorgen dann eben nur Christopher Lee und die aus „Shampoo“ bekannte Oscar-Preisträgerin Lee Grant als seine betrügerische Alkoholiker-Ehefrau. Grant hat sichtlich Spaß dabei, Gift und Galle in alle Richtungen zu spucken. Eine Szene, in der sie panisch unter Wasser die Flugzeugtür öffnen will, und dafür unsanft ins Land der Träume geboxt wird, soll bei Kinovorführungen frenetischen Applaus ausgelöst haben. Lee bleibt lange im Hintergrund, ehe sich seine unaufgeregte Figur als erfahrener Sporttaucher offenbart und Gallagher bei einem verzweifelten Rettungsplan helfen soll.
Zwar inszeniert TV-Veteran Jameson seinen Film durchaus kompetent, setzt auf ordentliche Spezialeffekte bei der Notwasserung und bekommt die klaustrophobische Stimmung an Bord des untergegangenen Fliegers souverän eingefangen, doch es fehlt sowohl am locker-leichten Spaß-Faktor der „Giganten am Himmel“ sowie an den psychologisch ausgefeilten Charakterporträts des ersten „Airport“-Films. Stattdessen bleiben die meisten Figuren flach gezeichnet, und ist der Flieger erstmal unter Wasser, beschränken sich Spannungsmomente die meiste Zeit auf ein paar knarzende Geräusche und besorgte Blicke. Mit der Fluchtaktion im zweiten Teil nimmt das Spektakel aber merklich an Fahrt auf. Dass der untrainierte Mittfünfziger Lee als angeblicher Sporttaucher keinen Deut glaubwürdig ist, macht angesichts dessen, dass der Film parallel auch Jack Lemmon als harten Kerl verkaufen will, kaum einen Unterschied.
Beide wollen sich in einer Kammer einschließen und diese fluten, um danach an die Wasseroberfläche zu gelangen. Der Ausgang dieser Szene gehört zum bizarrsten, was das Genre zu bieten hat: Minutenlang durfte Lee über seiner Taucherfähigkeiten lamentieren, nur damit seine Figur auf der Stelle verstirbt, als ihm bei der Kabinenflutung die Tür gegen den Kopf knallt. So kam es immerhin zum beinahe tödlichen Stunt: Die Passagiere schauen aus ihren Fenstern, als plötzlich der tote Taucher vorbeitreibt. Lee drehte die Passage selbst, ohne Atemgerät, und hielt für die Aufnahme so lange durch, dass ihm die Luft ausging. Der Einsatz hat sich gelohnt, denn es ist genau dieser Moment des Schreckens, den „Verschollen im Bermuda-Dreieck“ gebraucht hat, um neue Energie zu erhalten.
Lemmons Gallagher schafft es nämlich an die Oberfläche und kontaktiert die Marine. Die leiten eine große Aktion der Marine ein, bei der das Flugzeug durch Luftkissen angehoben werden soll. Was hier an Schiffen und Tauchern aufgefahren wird, ist angesichts des Budgets von 6 Millionen Dollar wirklich beachtlich und das minutiöse Durchführen der riskanten Unterwasser-Aktion an der beschädigten Boeing liefert nachträglich die erhofften Spannungsmomente. Der Mix aus echten Marine-Geräten und Modell-Tricks bestand den Test der Zeit.
„Verschollen im Bermuda-Dreieck“ wurde ein recht ansehnlicher Erfolg, wenngleich sich das finanzielle Level der ersten Teile sowie deren filmische Qualität nicht mehr ganz erreichen ließ. TV-Routinier Jameson verzichtete auf die Macho-Helden der Vorgänger, dort noch hemdsärmelig von Burt Lancaster, Dean Martin oder Charlton Heston gespielt. Passenderweise hat George Kennedy in seiner Paraderolle als Flugzeug-Experte Joe Patroni als einziger Rückkehrer aus den vorherigen Filmen nur noch einen Gastauftritt, ist bloß für 91 Sekunden zu sehen.
Jameson fokussierte lieber das Spektakel, die Anziehungskraft der Attraktionen, erschuf einen filmgewordenen Rummelplatz. Es war daher nur folgerichtig, dass in den Universal Studios Hollywood kurz nach Kinostart eine eigene Themenpark-Attraktion zum Film veröffentlicht wurde. Dort konnten Tourbesucher in nachgebauten Sets die Charaktere von der großen Leinwand nachäffen und ihren eigenen Film“ drehen lassen. Die ganze Attraktion war ziemlich gewaltig, beinhaltete mehrere Wasserbecken. Selten konnte sich der normale Fan so sehr wie ein Hollywood-Star fühlen.
Für die „Airport“-Reihe war der Ausflug ins Bermuda-Dreieck ein letztes Aufbäumen, ehe der letzte Teil „Airport ‘80 – Die Concorde“ dann 1979 in Trash-Gefilden wilderte. Jerry Jameson tauschte 1980 ein untergegangenes Flugzeug gegen ein gesunkenes Schiff und drehte den Edel-Flop „Hebt die Titanic“. Jack Lemmon äußerte mehrfach, er hätte es trotz seiner charismatischen Performance bereut, sich als Actionheld versucht zu haben. Und Christopher Lee? Der wischte sich nach der kleinen Nahtod-Erfahrung am Set den Mund ab und lebte sein erstaunliches Leben weiter, hatte im hohen Alter noch ikonische Auftritte als Lichtschwert-schwingender Count Dooku in den „Star Wars“-Prequels oder als betrügerischer Zauberer Saruman in den Mittelerde-Filmen des „Der Herr der Ringe“-Kosmos, wurde 2009 zum Ritter geschlagen und nahm mit über 90 Jahren noch ein eigenes Heavy-Metal-Album auf.
Am 7. Juni 2015 starb er im Alter von 93 Jahren und hinterließ ein gewaltiges Vermächtnis. „Verschollen im Bermuda-Dreieck“ mag davon nur ein sehr kleiner Teil sein, doch dient er als Beweis dafür, dass sich überall in Lees Lebenswerk denkwürdige Passagen und Leistungen finden.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 09:08
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31
Bei wenigen Schauspielern ist das Wort „Legende“ so angebracht wie bei Christopher Lee.
Sehr schöner Text! Zunächst mal möchte ich dir danken, dass du deinen Text quasi dem guten Chris Lee gewidmet hast. Ich habe fast schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich mich so sehr humoristisch an seiner Sporttaucher-Szene abgearbeitet habe, da dadurch der Eindruck entstehen könnte, dass Lees Leistung (die auch in diesem Film, gerade auch gemessen an dem, was ihm Drehbuch/Rolle zur Verfügung stellen, durchaus gut ist) nur zum Pausenclown reicht. Aber das ist eben nicht so, wenngleich ich dabei bleibe, dass es eine äusserst unglückliche Wahl als Sporttaucher ist. Überhaupt hätte die Masche „vollmundiges Auftreten, eher überschaubare praktische Ausführung“ sogar ganz gut klappen können, wenn man statt Lee hier einen jungen, sportlichen Typ für die Szene an Lemmons Seite gestellt hätte. Da wäre es dann tatsächlich überraschend gewesen, wenn gerade der gleich drauf geht und Lemmon mehr oder weniger aus der Not heraus hätte agieren müssen (quasi so eine Art "Wir-killen-Janet Leigh-früh"-Psycho-Effekt). Aber mit Lee als Sporttaucher ist es halt dann wirklich unfreiwillig komisch. Wobei ich das nicht wusste, dass er beim Dreh zu seiner Wasserleiche-Szene fast umgekommen ist. Das macht ihn zwar auch nicht wirklich glaubwürdiger als Unterwassersportler, aber immerhin zeigt es, was für ein harter Kerl Lee war und welche Risiken er bereit war für seine Kunst einzugehen. Und tatsächlich war mein launischer Verweis auf Lees überzeugende Darbietung als Wasserleiche vollkommen ernst gemeint, da ich die beiden diesbezüglichen Szenen wirklich sehr eindrucksvoll gespielt finde. Hut ab!
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31In der Hauptrolle des heldenhaften Piloten Don Gallagher wurde „Manche mögen‘s heiß“-Komiker Jack Lemmon besetzt; eine angesichts seiner Physis denkbar ungewöhnliche Wahl für einen Actionfilm.
(…)
Dass der untrainierte Mittfünfziger Lee als angeblicher Sporttaucher keinen Deut glaubwürdig ist, macht angesichts dessen, dass der Film parallel auch Jack Lemmon als harten Kerl verkaufen will, kaum einen Unterschied.
Hier würde ich dir insofern etwas widersprechen wollen, als dass ich Lemmons Figur nicht als Parade-Helden (was du natürlich auch nicht geschrieben hast) und schon gar nicht als harten Kerl verstehe. Gallagher nehme ich – gerade aufgrund Lemmons Spiel – als pflicht- und verantwortungsbewussten Typ wahr. So wie Lemmon ihn spielt, erscheint er mir eine andere Art Mensch zu sein als die Testosteron-Supermänner a la Lancaster, Kennedy oder Heston, die gemäß Filmlogik in Mitten der Misere erst ihr wahres, heldenhaftes Ich zum Vorschein bringen (nicht dass sie in ihren Filmen vor/nach der Misere nicht genau so selbstverständlich überlegen auftreten würden). Bei Lemmons Gallagher verstehe ich das hingegen als Pflichterfüllung. Der würde auch lieber was anderes machen, zB einfach sein Flugzeug fliegen. Aber da sonst niemand da ist, der den Job machen kann/will (außer erfahrenen Sporttauchern
) muss er halt ran. Und so gesehen ist Lemmon dann eigentlich auch sehr gut besetzt in der Rolle. Bei Hestons Murdoch habe ich eher den Eindruck, dass er geradezu aufblüht in der Katastrophe und am liebsten den ganzen Tag Flugzeuge und überforderte Stewardessen retten will.
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31
Für Zunder im Ensemble sorgen dann eben nur Christopher Lee und die aus „Shampoo“ bekannte Oscar-Preisträgerin Lee Grant als seine betrügerische Alkoholiker-Ehefrau. Grant hat sichtlich Spaß dabei, Gift und Galle in alle Richtungen zu spucken. Eine Szene, in der sie panisch unter Wasser die Flugzeugtür öffnen will, und dafür unsanft ins Land der Träume geboxt wird, soll bei Kinovorführungen frenetischen Applaus ausgelöst haben.
Ich mag Lee Grant sehr gerne (auch gerade in Shampoo) und sie ist perfekt besetzt für die giftige, saufende Kratzbürste. Ich frage mich den ganzen Film über eigentlich immer nur, was der arme Christopher Lee an ihr findet bzw. gefunden hat, sie behandelt ihn ja wirklich wie einen Fussabtreter, nur um sich dann in der Not wiederum wie ein Klammeräffchen an ihn zu ketten. Es gibt da diese wunderbare letzte Szene zwischen den beiden. Lee – bereits im Sporttaucher-Modus und -Dress – ist schon ganz entrückt aufgrund der anstehenden Aufgabe. Grant versucht ihn nochmals davon abzuhalten und jammert ihn erbarmungswürdig an, während Lee sie nicht mal anschaut und sein Blick die ganze Zeit starr nach links in Richtung Schleusse/Lemmon (beides außerhalb des Bildes) gerichtet ist. Also die beiden sind wirklich sehr gut als toxisches Pärchen, wobei sie viel mehr aus ihren ebenfalls recht oberflächlich gestrickten Rollen rausholen, als eigentlich drin ist.
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31Lee bleibt lange im Hintergrund, ehe sich seine unaufgeregte Figur als erfahrener Sporttaucher offenbart und Gallagher bei einem verzweifelten Rettungsplan helfen soll.
Was für eine Szene, was für eine Szene! Monumental, epochal!
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31Mit der Fluchtaktion im zweiten Teil nimmt das Spektakel aber merklich an Fahrt auf.
Interessant, für mich ist die erste Hälfte dann doch die Bessere, auch in Sachen Spannung. Ich finde, dass gerade die Vorbereitungen wie auch die Entführung mitsamt dem Absturz die beste Phase des Films ist. Die Rettungsaktion ist spektakulär, hat aber auch eine gewisse Langsamkeit und Langatmigkeit und ist diesbezüglich nicht unähnlich zu Jamesones filmischer Titanic-Bergung drei Jahre später.
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 17:31Jack Lemmon äußerte mehrfach, er hätte es trotz seiner charismatischen Performance bereut, sich als Actionheld versucht zu haben.
Vermutlich das Burt-Lancaster-Syndrom. Dass das Mitwirken an einem Airport-Film die Stars im Nachhinein ist schon etwas bemerkenswert, da es da ja nun wahrlich wesentlich schlimmeres gibt, worin man hätte mitwirken können. Geschadet hat es Lemmon auch nicht, dessen Karriere auch danach konstant gut weiterlief. Allerdings würde ich zumindest festhalten, dass er im Gegensatz zu seinem langjährigen Weggefährten Walter Matthau tatsächlich nicht über die virile Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit verfügte, einen Actionfilm/Thriller im Alleingang zu tragen. Das muss er beim Bermuda-Dreieck allerdings auch gar nicht, da zum einen er ja eine recht beträchtliche Anzahl an Co-Stars an seiner Seite hat und wie in jedem guten Katastrophenfilm sich das Desaster am Ende mindestens eine genauso große Hauptrolle einnimmt wie sein schauspielerischer Pendant.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 09:27
von vodkamartini
Lemmon ist insofern eine logische Wahl, als dass er in das Casting-Schema der Reihe passt. Lancaster, Martin, Heston etc. hatten alle ihr ganz großen Zeiten schon hinter sich, waren aber eben sehr bekannte Namen. Damit hat man auf jeden Fall die ältere Generation ist Kino gezogen (bei der Jugend der Mittsiebziger waren die längst durch), wohingegen der zunehmende Spektakel-Gehalt auf die Jüngeren zielte.
Das wird ja heute auch noch gemacht, das man bei Großproduktionen im Cast versucht möglichst viele Generationen anzusprechen.
Zum Thema Actionheld. Ich hatte es ja im Review geschrieben (Captain Don Gallagher mag wie ein Zwergpinscher wirken, aber seine Taten sind die eines Bullterriers. Kaum aus der Betäubung erwacht verarztet er die gröbsten Notfälle, beruhigt Hysteriker(innen), analysiert sämtliche Schäden, stopft Lecks und taucht schließlich einmal rauf (fürs Notrufsignal) und wieder runter (für die Bergung), Lemmon ist eine interessante Wahl und auch ein - falls beabsichtigt - schöner Kniff, um das Schaubudenpersonal und das Rummelplatz-Spektakel wieder ein wenig zu erden. Aber am Ende verhält er sich dann halt doch wie Bond und dann war's das wieder mit der Erdung.
Lee ist eine witzige Figur, denn 5 Sekunden nachdem er sich als Sporttaucher "outet" knallt er gegen irgendwas und wird aussortiert, nur damit Pilotengranate Lemmon den Tag allein retten kann. Eine skurrile Szene und eine die bei uns für Heiterkeit gesorgt hat, was garantiert nicht beabsichtigt gewesen war.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 09:39
von AnatolGogol
vodkamartini hat geschrieben: Heute 09:27
Lemmon ist insofern eine logische Wahl, als dass er in das Casting-Schema der Reihe passt. Lancaster, Martin, Heston etc. hatten alle ihr ganz großen Zeiten schon hinter sich, waren aber eben sehr bekannte Namen.
Nüchtern betrachtet mag das stimmen, aber die Herren waren während ihrer Airport-Auftritte allesamt noch sehr gut im Geschäft. Für Heston waren die 70er Jahre ja sogar sowas wie sein 2. Frühling und der war seit Mitte der 50er bis Ende der 70er ja nie wirklich weg vom Fenster gewesen, da er immer wieder Hits und Klassiker nachgeliefert hat (zb Planet der Affen nach seinen großen epischen Rollen oder die schnell zu Klassikern gewordenen dystopischen SciFictioner in den frühen 70ern, dann natürlich seine erfolgreichen Auftritte im Katastrophenfilm-Genre, insbesondere Erdbeben und Giganten am Himmel). Martin hatte kurz vor Airport noch recht großen Erfolg mit den Matt-Helm-Filmen. Für Lancaster gilt das gleiche wie bei Heston, auch er war (seinerzeit) schon lange im Geschäft, hat aber immer wieder Hits und Klassiker nachgelegt.
vodkamartini hat geschrieben: Heute 09:27Aber am Ende verhält er sich dann halt doch wie Bond und dann war's das wieder mit der Erdung.
Ich sehe da tatsächlich keinerlei Parallelen zu Bond. Gallagher handelt pflichtbewusst und seine Taten sind mutig, aber jetzt auch nicht unmöglich. Hinzu kommt - auch wenn ich mich mittlerweile wie Papagei wiederhole
- dass Lemmon sehr viele der Stunts selber macht und daher viel zur Glaubwürdigkeit der Aktionen seiner Figur beiträgt.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 09:50
von vodkamartini
Ich bleibe dabei, was ich oben zu den Altatrs geschrieben hatte.
Heston war in den 70ern längst über den Zenit in Sachen Hollywood-Superstar, genauso wie Lancaster. Heston war der Mr. Katastrophenfilm (aber nur einer von vielen und die Hauptattraktion der Filme war immer das Spektakel gewesen, nicht das Personal), aber z.B. die von dir angesprochenen I am Omega und Soylent Green waren Flops und sind auch relativ schlecht gealtert (hab beide vor kurzen wieder gesichtet). Seine Glanzzeit war von Mitte 50er bis Ende 60er.
Zu Lancaster steht folgendes in Wiki und genauso würde ich das auch sehen: Wie die meisten Hollywood-Stars seiner Generation konnte Lancaster in den 1970er Jahren kaum noch an frühere Erfolge anknüpfen und musste jüngeren Schauspielern des New-Hollywood-Kinos Platz machen.
Bei Lemmon hatten wir ja schon mal die Klingen gekreuzt
, da bin ich ebenfalls anderer Meinung. Aber die Tollkühnheit seiner biederen Figur passt wunderbar ins Airport-Schema, mehr muss ich da nicht mehr schreiben.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 10:08
von AnatolGogol
vodkamartini hat geschrieben: Heute 09:50
Ich bleibe dabei, was ich oben zu den Altatrs geschrieben hatte.
Heston war in den 70ern längst über den Zenit in Sachen Hollywood-Superstar (...) Heston war der Mr. Katastrophenfilm (aber nur einer von vielen und die Hauptattraktion der Filme war immer das Spektakel gewesen, nicht das Personal), aber z.B. die von dir angesprochenen I am Omega und Soylent Green waren Flops und sind auch relativ schlecht gealtert (hab beide vor kurzen wieder gesichtet). Seine Glanzzeit war von Mitte 50er bis Ende 60er.
Ich bleibe auch dabei.
Omega und Soylent Green gelten als Klassiker des Genres, da spielt der Ertrag an der Kasse keine wirkliche Rolle. Wenn es nur nach dem Box Office Erfolg ginge, dann müsste das ja gerade für Erdbeben und Giganten sprechen, denn die waren ja große Kassenhits (und gelten ebenfalls als Genre-Klassiker). Das ist mir etwas zu einfach, den Erfolg einerseits dem Genre zuzurechnen und den Status von Filmen andererseits unter den Tisch fallen zu lassen wegen des fehlenden Kassenerfolges. Heston war in den 70ern immer noch ein Star, ja nicht mehr so groß wie in den 60ern, aber nichtsdestotrotz ein sich immer noch gut im Geschäft befindlicher Star. Das galt aber zB auch für einen Paul Newman. Der Unterschied zwischen den beiden ist eigentlich nur, dass Newman sich auch über die 70er hinaus gut im Geschäft halten konnte, während Heston danach weitgehend aus dem Rennen war.
vodkamartini hat geschrieben: Heute 09:50
Zu Lancaster steht folgendes in Wiki und genauso würde ich das auch sehen: Wie die meisten Hollywood-Stars seiner Generation konnte Lancaster in den 1970er Jahren kaum noch an frühere Erfolge anknüpfen und musste jüngeren Schauspielern des New-Hollywood-Kinos Platz machen.
Genau das habe ich ja auch geschrieben. In den 1970ern, dazu gehört Airport aber wie ich finde nicht, auch wenn 1970 zu den 70ern zählt. Auch hier finde ich es etwas zu einfach zu argumentieren, dass Lancaster nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte und gerade dann einen seiner grössten Erfolge (=Airport) aus der Gleichung zu nehmen. Danach bin ich bei dieser Einschätzung dabei, aber wie gesagt eben erst im Verlauf der 1970er.
Und zu Lemmon/Gallagher: wie gesagt, ich sehe da wirklich keine Parallelen zu Bond.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 10:42
von vodkamartini
Es geht hier nicht ausschließlich um das Box Office. Obgleich der Erfolg definitiv etwas damit zu tun hat. Andererseits spricht man eher von Kult. Nein, das sind keine Klassiker. Die sind wie gesagt auch sehr schlecht gealtert. Das schreiben die immer nur auf die Bluray Veröffentlichungen drauf. Planet of the Apes ist einer, die anderen beiden sind relativ in Vergessenheit geraten. Sie sind ein Beleg für die erstaunliche Dystopie-Welle der Zeit und damit hoch interessant im Hinblick auf den Zeitgeist und Popkultur.
Ob Heston noch ein Star war, ist Begriffsklauberei, er hatte jedenfalls deutlich den Zenit überschritten, das ist kein Vergleich zu seinem Status in den 50ern und auch noch 60ern. Gut im Geschäft heißt nicht gleich Star.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 11:04
von AnatolGogol
Ich würde dagegen halten, dass Heston eben nicht bloss einer von vielen war, sondern DER "Mr. Katastrophenfilm" der 70er, genauso wie er DER "Mr. Filmepos" in den 60ern war. Wir können jetzt natürlich gerne darüber philosophieren, ob seine Karrierekurve nach 1968 etwas nach untern gezeigt hat. Das würde ich - rein kommerziell - sogar bestätigen. Aber er war nicht "weg vom Fenster" und hatte auch seine Starstatus nicht eingebüsst. Er war immer noch ein gefragter Hauptdarsteller - und die Erfolge im Katastrophenfilmgenre waren Resultat daraus. Hat er vom Genre profitiert? Sicher, aber das Genre eben auch von ihm, weil er als Typ da genauso perfekt reingepasst hat wie in die Epen ein Jahrzehnt davor. Wir sind hier wieder einmal gar nicht soweit voneinander weg. Ich sehe es eben nur insofern etwas anders, dass ich Hestons Karriere bis weit in die 70er hinein als gut laufend bezeichnen würde. Gerade wegen der Katastrophenfilme. Gerade weil er eben nicht nur einer von vielen war, sondern die eindeutige Identifikationsfigur dieses Genre.
Davon ab nehmen wir offenbar die Airport-Filme wie auch das Katastrophenfilm-Genre etwas anders wahr. Für dich ist es - wenn ich deine Ausführungen richtig verstehe - in erster Linie Unterhaltungskino, bei dem ein Grossteil des Spasses für dich auch aus der unfreiwilligen Komik und dem Camp-Faktor resultiert. Das ist absolut ok und ich wäre der letzte, der dem Genre (zwar nicht allen Filmen, aber doch einer ganzen Reihe) diese Faktoren in Abrede sprechen würde (also nicht den Unterhaltungsfaktor, sondern die unfreiwillig komischen Elemente). Dennoch sehe ich in diesem Genre etwas mehr und halte es durchaus für einen wichtigen Beitrag zur Filmkultur der 1970er Jahre. Und ich benutze hier bewusst das Wort Kultur, da ich schon finde, dass das Genre mehr zu bieten hat, also nur alberne, sensationslüsterne Unterhaltung. Ehrlich gesagt sehe ich da konzeptionell keinen besonders großen Unterschied zu den Bondfilmen. Und wie wir wissen, sind diese zuweilen ebenfalls Ziel von Spott (wir haben hier im Forum ja bekanntlich auch so einen Spezi an Bord). Das greift aber wie ich finde zu kurz, weil es das Wesen und die Essenz der Filme nicht wirklich beschreibt.
Re: Die "Airport"-Reihe: Über den Wolken ...
Verfasst: 31. Oktober 2024 11:14
von Maibaum
Ich finde auch daß Lancaster und Heston zu Zeiten ihrer Airport Filme noch bestens im Geschäft waren, während das auf Lemmon nicht mehr zutraf. Der fand erst direkt danach mit China Syndrome und Missing wieder mehr Aufmerksamkeit.
Desweiteren empfinde ich Soylent Green und Omega Man noch als vergleichsweise gut gealtert.