Re: Zuletzt gesehener Film

7426
Hille hat leider den bemerkenswertesten Aspekt von Jackie ausgelassen - Die Kuriosität, den notorischen Schönling Bob Kennedy mit Ich-kann-nur-einen-Gesichtsausdruck-und-habe-die-ganze-Pillendose-Valium-geschluckt-Schlafmütze Peter Sarsgaard zu besetzen. Wobei man im Anschluss auch gleich zugeben muss dass Sarsgaard die Rolle vergleichsweise gut hinbekommt, nach seinen albernen Auftritten in Green Lantern und Magnificent Seven war ich sogar positiv überrascht.

Generell würde ich bei Jackie wohl mit einer Wertung rund um die 7 votieren. Wie im Verhoeven-Thread schon kurz angetönt ist der Film auf bescheidene Weise visuell ziemlich ansprechend und er war auch im wahrsten Sinne des Wortes kurzweilig, denn wir hatten die Münder offen als wir merkten, wie schnell 100 Minuten ohne Pause vergangen sind. Lediglich die letzten zehn bis fünfzehn Minuten ziehen sich etwas, da hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass das mehrere potentielle Schlussszenen aneinandergereiht sind.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7427
Casino Hille hat geschrieben:In Teilen leistet der Film das aber durchaus, da er die Wirkung der Kennedys nach außen maßgeblich als Selbstinszenierung Jackies entlarvt. Das ist sogar ein wesentlicher Aspekt des Films.
Kommt das Thema einer möglicherweise arrangierten Ehe auch zur Sprache?
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Zuletzt gesehener Film

7429
vodkamartini hat geschrieben:Kommt das Thema einer möglicherweise arrangierten Ehe auch zur Sprache?
Eher weniger, da die Zeit nach Kennedys Tod im Vordergrund steht und besonders die Planung der Beerdigung viel Laufzeit einnimmt.
Ich finde aber, dass "Jackie" davon ab genug eigene interessante Aspekte zu bieten hat - vor allem auch inszenatorischer Natur.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7434
La La Land

Habe den Film jetzt doch noch gesehen und wusste ehrlich gesagt nicht viel darüber - habe mich überraschen lassen.

Den irrsinnigen Preise-Regen kann ich kaum nachvollziehen. Hier wurde einfach versucht, dass klassische Hollywood Musical wiederzubeleben und vieles macht der Film auch durchaus gut. Die Musik ist toll (ich mag den Jazz), die Tanzeinlagen sind zumeist nicht total über-arrangiert sondern recht flüssig und nicht zu gelackt. Großer Pluspunkt und tragende Säule des Ganzen sind die beiden Darsteller. Hier sieht man mal wieder wie überaus wichtig es (vor allem für einen solchen Film) ist, dass man Darsteller hat denen man einfach gerne 100 Minuten auf der großen Leinwand ins Gesicht schaut. Da hat man eine exzellente Wahl getroffen!

Leider gibt es für mich ein paar gravierende Schwächen:
1. Fehlende Emotionaltät: Basierend auf der sehr schwachen Story tut auch die Inszenierung ihren Teil dazu bei, dass man als Zuschauer zu nahezu KEINEM Zeitpunkt irgendeine emotionale Bindung zu den Charakteren aufbaut, die aber unheimlich wichtig wäre. Dies ist umso erstaunlicher als das eben grade die Protagonisten so großartig besetzt sind. Der ganze Film wirkt wie ein großes Experiment, was klar Tanz und Musik in den Vordergrund stellt, sowie eine furchtbar selbstverliebte Kameraarbeit. Zudem trägt die Episodenhafte Inszenierung nach Jahreszeiten dazu bei, dass keine flüssige Erzählung entsteht.

2. Schwache Story und Drehbuch: Die Dialoge sind wahnsinnign schwach und flach. Es gibt einfach zwischen den Musikeinlagen keine Entwicklung und nichts raffiniertes. Die ganze Story lässt sich in einem Satz zusammenfassen, ist nach 5min klar und dann passiert kaum etwas.

3. Die Kameraarbeit: La La Land ist das neueste Beispiel des furchtbaren Trends der ständig bewegten Kamera. Negatives Highlight dieses Trends sind sicher die letzten beiden FIlme von Alejandro G. Iñárritu. Die Annahme, dass ewig lange, fließende Kamerabewegungen irgendeinen positiven Einfluss auf das Seherlebnis haben, ist einfach absurd. Oft distanziert mich das von der Handlung und ich nehme das bewusst als "selbstverliebte Kamera" wahr

Ein netter Film, der vor allem durch Jazz und die beiden Darsteller überzeugt, und ein interessantes Production Design hat (alles wirkt wie aus einem alten Hollywood Film obwohl der Film im hier und jetzt stattfindet), doch auch nicht mehr.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

7435
Kann ich so nicht nachvollziehen, fand die Kameraarbeit großartig und überhaupt nicht distanzierend. An besonders schwache Dialoge kann ich mich ebenfalls nicht erinnern und auch nicht an eine mangelnde emotionale Bindung zu den Figuren.
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https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/

Re: Von der assoziativen Schockstarre der Mutter einer Nation...

7436
GoldenProjectile hat geschrieben:Die Kuriosität, den notorischen Schönling Bob Kennedy mit Ich-kann-nur-einen-Gesichtsausdruck-und-habe-die-ganze-Pillendose-Valium-geschluckt-Schlafmütze Peter Sarsgaard zu besetzen
Echt? Ich fand den sogar erstaunlich gut in der Rolle. Natürlich überragt Portmans Performance den Film (mit Abstand ihr bester Auftritt bislang und sowas von Oscar-würdig, sogar noch mehr als ihre ausgezeichnete Darbietung in "Black Swan"), dies sollte außer Frage stehen, aber Sarsgaard oder Hurt oder Crudup haben ebenfalls alle einen sehr ordentlichen und befriedigenden Job gemacht. An den Cast hatte ich bei "Jackie" definitiv keine Wünsche, wunderbar besetzt. Und ich war ohnehin sehr froh darüber, dass "Jackie" eben keine One-Woman-Show alleine wurde, sondern auch die anderen wenigen Akteure genug Raum hatten, um in ihren Rollen aufzugehen.
GoldenProjectile hat geschrieben:Wie im Verhoeven-Thread schon kurz angetönt ist der Film auf bescheidene Weise visuell ziemlich ansprechend
Auf bescheidene Weise? Sicher, die Optik ist nicht so opulent, wie sie bestimmt sein könnte, aber "Jackie" hat doch genau die Inszenierung, die er brauchte und ist vor allem narrativ clever arrangiert, weil die filmische Erzählweise eben das Trauerempfinden Jackies nach der Ermordung ihres Mannes ästhetisiert, also auf die Inszenierung überträgt. Das ist schon sehr gelungen und im besten Sinne das, was ein Biopic bei einer vergleichbaren Thematik leisten sollte. D'accord zu der Bemerkung bezüglich einer Schlussszene, hier wirkte es tatsächlich mehrmals so, als wenn der Abspann eigentlich schon einsetzen sollte.
danielcc hat geschrieben:Schwache Story und Drehbuch: Die Dialoge sind wahnsinnign schwach und flach.
Habe ihn nicht gesehen, aber die schwache Geschichte kann vor dem Hintergrund der Hommage natürlich gewollt sein.
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Re: Von der assoziativen Schockstarre der Mutter einer Nation...

7437
Casino Hille hat geschrieben:Natürlich überragt Portmans Performance den Film (mit Abstand ihr bester Auftritt bislang und sowas von Oscar-würdig, sogar noch mehr als ihre ausgezeichnete Darbietung in "Black Swan"), dies sollte außer Frage stehen
Dein extremes Lob auf Portman kann ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Jackie Kennedy ist zwar keine historische Figur, mit der ich mich je näher auseinandergesetzt hätte, so dass ich nichts zur möglichen Authentizität sagen kann, aber ähnlich wie bei deinen Begeisterungsrufen auf Bales Big-Short-Cameo teile ich auch dieses Mal nicht die Meinung, dass wir hier gerade die schauspielerische Ausnahmeleistung der letzten Jahre geboten bekommen haben (auch wenn sie zweifelsohne gut war). Da gab es bei meinen Kinobesuchen in den sagen wir mal letzten zwölf Monaten viele die ich mindestens auf demselben Niveau sehen würde.

Mit bescheiden meinte ich dass der Film nicht auffällig stilisiert daherkommt, zumindest nicht auf den ersten Blick. Durch den etwas körnigen Look, die aufs Wesentliche begrenzten Settings, den Mangel an auffällig opulenten Aussenaufnahmen und das heutzutage bei einer tagesaktuellen Produktion fast schon ungewohnten 1.66-Format wirkt er eher etwas "klein", aber die Kameraarbeit ist ohne Zweifel ja sehr elegant und filmisch.

La La Land würde ich in den Kritikpunkten völlig anders bewerten als Daniel. Emotionale Bindung zu den Charakteren, flüssige Erzählung trotz bzw. wegen der vier (fünf) Jahreszeiten, starke Geschichte und Dialoge und exzellente Kameraarbeit war bei mir alles vorhanden.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7438
vodkamartini hat geschrieben:Kann ich so nicht nachvollziehen, fand die Kameraarbeit großartig und überhaupt nicht distanzierend. An besonders schwache Dialoge kann ich mich ebenfalls nicht erinnern und auch nicht an eine mangelnde emotionale Bindung zu den Figuren.
Interessanterweise hat meine Begleitung das gleiche empfunden was die emotionale Bindung angeht. Was sehr erstaunlich ist, da sie Null AHnung von Filmen hat, aber ich von ihr als Frau das Gegenteil erwartet hatte.
Nein, außer dem kurzem Moment am Ende gab es bei mir NULL Emotionalität im Film. Falls der Film eine solche aber beabsichtigt haben sollte, wäre er für mich grandios gescheitert.

Was die Kameraarbeit angeht: Da kann ich verstehen, wenn die manchen explizit gefällt. Weil sie recht kunstvoll, sehr ungewöhnlich und technisch gekonnt ist.
Aber ich mag diese Künstlichkeit überhaupt nicht. Dieses bewusste Protzen damit, dass die Kamera praktisch schwerelos ist und in einer ständigen Bewegung von einer Totalen zur Nahaufnahme fährt und schwenkt und dann die üblichen Tricks dass ein Fächer kurz den Blick verdeckt um den Schnitt zu verdecken...
Ich kann hier sogar noch befreifen, dass dies insbesondere angewendet wird, um die Künstlichkeit der Hollywood Traumwelt und eben der Träume der Beiden zu verdeutlichen, aber auf mich wirkt das distanzierend

Goldie: Das passt vollkommen ins Bild, dass dir diese Kameraarbeit gefällt. Agent009 sicher auch. Da habe wir einfach andere Vorstellungen und Wahrnehmungen.

Story und Dialoge: Nein da gebe ich fast Hille Recht. Das ist so dermaßen flach und unterentwickelt, dass es eigentlich nur bewusst so sein kann im SInne einer Hommage an "flachere" Hollywood Zeiten.
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Re: Zuletzt gesehener Film

7439
danielcc hat geschrieben:Story und Dialoge: Nein da gebe ich fast Hille Recht. Das ist so dermaßen flach und unterentwickelt, dass es eigentlich nur bewusst so sein kann im SInne einer Hommage an "flachere" Hollywood Zeiten.
Was ist denn zum Beispiel mit der Dinner-Szene, als die beiden zu streiten beginnen? Das ist doch schon rein textlich extrem gut und wirkt absolut natürlich, ausserdem gut gespielt von beiden und das einfache Schuss-Gegenschuss-Prinzip hat den perfekten Rhythmus, um alles zu betonen. Die Szene fand ich beide Male in allen Belangen perfekt aufgebaut, wie sich da die aufgestauten Probleme und Widersprüche ihrer Beziehung entladen und zum Streit führen.
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