GoldenProjectile hat geschrieben:"Do you live here alone?" -- "Yes. My parents are dead. Have a seat."
Sie mochte ihre Eltern halt nicht... du bist manchmal aber auch eine echte Zimperliese, lieber Eric.

Aber ich muss dir Recht geben: Das YOLT-Drehbuch ist mehrmals äußerst komisch und das vor allem deshalb, weil Roald Dahl, der Meister der schwarzhumorigen Literatur, es angeblich geschrieben haben soll. Mir ist es wirklich ein Rätsel, wie bei einem von Dahl geschriebenen Bondfilm am Ende ein doch so (sieht man von den Schauwerten ab) gewöhnlicher Bond bei rumgekommen ist. In der Hinsicht ist YOLT vermutlich einer der Bondfilme, mit dem meisten verschenkten Potenzial. Wüsste ich nicht um YOLT, so würde ich mir einen Dahl Bond zynisch und richtig schön pechschwarz vorstellen. Aber im Gegenteil: Im Vergleich mit den anderen 5 Bondfilmen der 60er ist YOLT diesbezüglich der zahmste Serienbeitrag. Kurios. Eine gewisse tonale Unentschlossenheit merkt man YOLT ironischerweise immer wieder an, schon rein inhaltlich: Wenn Bond in der Hafenszene mit seiner PPK minutenlang statisch rumstehend unbewaffnete Hafenmitarbeiter über den Haufen ballert, wirkt das schon befremdlich. Wenn dann aber eine Minute später die schönst gefilmte Szene des Films kommt, in der Bond mit Aki über das Dach flüchtet, und Barry das Geschehen mit sinnlichen Klängen unterlegt, ist das ein merkwürdiger Kontrast. Manchmal könnte man den Eindruck kriegen, dass da einfach Teile fehlen oder man erst im Schnitt gemerkt hat, dass das Erzähltempo nicht richtig passt. So dauert beispielsweise Bonds Verwandlung zum Japaner inklusive Fake-Hochzeit eine Ewigkeit (auch wenn es kulturell teils interessant anzusehen ist), während sein erster Einbruch inklusive sofortigen Ausbruchs bei Osato unglaublich gehetzt vonstatten geht. Gilbert inszeniert da einige schöne Szenen, aber das Pacing im Allgemeinen geht hier gerne gewaltig schief. Besonders merke ich das bei der Autojagd, die mit der Magnet-Abschleppaktion endet. Fängt schnell und plötzlich an, wird dann aber sofort wieder entschleunigt und mündet in einen finalen Gag, der viel zu lange dauert.
GoldenProjectile hat geschrieben:In YOLT fehlen sinnige Verknüpfungen gleich zuhauf oder sind bemerkenswert uninspiriert umgesetzt, das Meiste wirkt sprunghaft und lieblos aneinandergereiht.
Da ist definitiv was dran und hier versagt Gilbert sicher in Teilen da, wo Hamilton und Young besser aufgestellt waren. YOLT wirkt gerade deswegen auch deutlich normaler und gewöhnlicher, obwohl er von den Schauwerten der bis dato mit Abstand gewaltigste Bond ist. Was Ken Adam da mit dem Vulkanset geschaffen hat, ist sagenhaft und ein Aushängeschild für die hohe Qualität der Reihe. Es ist aber richtig, dass es Gilbert (noch) nicht gelingt, den Bondschen Unsinn mit so viel Verve auf die Leinwand zu bannen, dass man problemlos über die vielen Notwendigkeiten und Blödsinnigkeiten hinweg sehen kann. YOLT ist mehr Stückwert als seine Vorgänger und die meisten seiner Nachfolger. Selbst DAF fühlt sich da insgesamt homogener und fließender an. YOLT hat immer wieder verrückte Elemente, etwa den an sich tollen Little Nelly Ausflug, der aber losgelöst vom Film abläuft oder das erste Aufeinandertreffen mit Tanaka, dessen Herleitung (mit der flüchtenden Aki und Bonds Metallrutschgang) mir bis heute nicht so richtig einleuchtet. Also klar, Tanaka soll da anfangs vom Zuschauer für Blofeld gehalten werden, aber dennoch ist das merkwürdig in den Film integriert. Allerdings gibt es ja gerade bei YOLT Gerüchte darüber, dass sehr vieles letztlich auf dem Boden des Schneideraums angelangt ist. Sollte das stimmen, würde es einiges bestens erklären, denn in der Tat wirkte YOLT immer so, als wenn man einige wichtige Szenenbausteine herausgenommen hätte.
GoldenProjectile hat geschrieben:Das Erkunden der japanischen Kultur und Facetten durch den in dieser Welt noch fremden Bond wird zwar immer wieder angedeutet und kleinere Einblicke in die Volkstümlichkeit gewährt, richtig vertieft wird das Ganze allerdings kaum.
Mag stimmen, aber nur wenn man eine Erwartungshaltung hat, die dann streng genommen kein anderer Bond in dieser Hinsicht jemals erfüllen wird. Für mich sind die Einblicke in die japanische Kultur (und besonders in den kulturellen Mix aus Tradition und Moderne) das Aushängeschild des Films und gerade das Element, dass YOLT von allen anderen Filmen der Reihe abhebt. Höchstens DN und TMWTGG können da in Ansätzen mithalten, aber YOLT lässt diesen Momenten mehr Raum und bietet ein Mehr an Betrachtung. Vertieft wird das natürlich nicht, aber das ist auch ein Bondfilm und nicht Lost in Translation. Dennoch vermittelt mir Gilbert viel japanisches Flair, auch wenn das nicht nur ihm, sondern vor allem auch John Barry zu verdanken ist, der hier in die Vollen greift. Nicht vergessen werden sollte auch, dass besonders die Tiger Tanaka Figur durch ihre recht beachtliche Präsenz (die ein Darsteller von der Qualität wie Tetsurō Tamba sie mitbringt eben hat) viel Flair ausstrahlt. Ich mag seine Rolle sehr, wenngleich der Film noch viel mehr aus ihr hätte rausholen können. Die beiden Damen mag ich ebenfalls, wenngleich Mie Hama schon sehr schwach spielt (eigentlich nur noch gerade so an der Grenze des erträglichen), weshalb ich mir immer wünsche, Aki würde den Film bis zum Ende überleben und mit Bond verdient in den Sonnenuntergang fahren. Na ja, es hat nicht sollen sein. Übrigens ist ihr Tod eine sehr schöne Szene, von Gilbert sehr gekonnt inszeniert, die schon andeutet, in welch bondschen Höhen der Mann uns 10 Jahre später führen sollte. Auf jeden Fall ist YOLT bezüglich der kulturellen Schilderung seiner Location für mich deutlich ein Ausnahmefilm der Reihe.
GoldenProjectile hat geschrieben:Sean Connery ist einer der charismatischsten Köpfe die je den Sprung auf die grosse Leinwand geschafft haben, aber YOLT bietet dem schottischen Urtier nur wenig um zu glänzen
Au contraire! Mein unangefochtener Lieblingsdarsteller überzeugt mich auch hier auf ganzer Linie. Höhepunkt ist sicherlich die saucoole Szene auf der Ning-Po (im Wechselspiel mit der großartigen Karin Dor), aber der Film hat viele Connery-Höhepunkte. Das fängt schon bei seinem Fake-Tod an (als er lapidar im U-Boot direkt nach seiner Auferstehung um Erlaubnis bittet, an Bord kommen zu dürfen), geht über zu dem kongenialen "Wie immer, Sir", als M ihn daran erinnert wenig Zeit zu haben, und bietet später weitere coole Momente, etwa das "I love you"-Treffen mit Aki, das Henderson-Intermezzo, die Szene in Tanakas Haus, "You sound like a commercial" bei Tanaka, "This is my second life" bei Blofeld oder meine persönliche Lieblingsszene (und der fraglos beste Dialog) des Films, wenn Bond bei Mr. Osato zu Gast ist. Connery-Fans kommen auch in YOLT voll auf ihre Kosten.
GoldenProjectile hat geschrieben:Die grosse Schlussballerei setzt innerhalb der Reihe zwar neue Massstäbe in Sachen Aufwand, Spektakel und Pyrotechnik, überzeugt in ihrer Dramaturgie aber nicht so richtig. Es fehlt an Variationen und Spannungsbögen, abgesehen von Bonds finalem Vordringen in den Kommandoraum schaut man überwiegend zwei Privatarmeen dabei zu, wie sie sich mit allen verfügbaren Mitteln und Explosionseffekten gegenseitig ins Jenseits befördern möchten.
Wie kann man etwas so schönes so negativ klingen lassen? Die große Balleraction im Showdown ist doch einfach nur gewaltig. Was für ein Crescendo! So muss das bei Bond! Natürlich ist das im Kern nichts anderes als eine Variation des vorher dagewesenen (eigentlich enden GF, TB, YOLT, OHMSS und DAF alle gleich), aber: Who cares? Was für ein Finale. Toll. Zumal es ja nun nicht so ist, als würde das eine Ewigkeit gehen und GAR NICHTS anderes passieren. Bond muss sich immerhin unter anderem mit Hans prügeln (ein sehr ordentlicher Kampf mit schönem Schlussgag), der als Henchman unter Ferner liefen läuft, aber andersrum ordentlich austeilen kann. Ne, am Schlussakt von YOLT habe ich nichts zu meckern. Davor passt das Tempo oft nicht, aber am Ende knallt es so wie es soll. Wenn man da etwas kritisieren will, dann Blofelds sagenhaft dämliches Verhalten. Warum lässt er Bond rauchen? Warum tötet er ihn nicht einfach? Warum tötet er Osato, lässt Bond am Leben und versucht dann 20 Sekunden später auf einmal doch, Bond zu töten? Als ich in der Pubertät war gab es gleichaltrige Mädchen, die in schlimmsten Liebeskummer inklusive Perioden-Phasen emotional besser aufgestellt waren als Blofeld es hier ist. Das ist so eine Sache, die sich auch bei Bond nicht so wirklich entschuldigen lässt, sondern so auffallend dämlich ist, dass sie zurecht immer wieder parodiert wurde. Wie ja leider Pleasance allgemein in YOLT den Vorgänger von Dr. Evil porträtiert. Schade, wenn man bedenkt, was für eine dämonische Präsenz er erreichen kann, wenn er denn will - und man ihm keine dumme Narbe ins Gesicht malt.
AnatolGogol hat geschrieben:2001 entstand fast zeitgleich – das sind Galaxien die da tricktechnisch dazwischenliegen.
Vergleicht man mit 2001 ist das in der Tat traurig, was da in YOLT gezeigt wird. Vergleicht man aber mit dem ebenfalls zeitnah erschienenen Planet of the Apes, dann geht es eigentlich wieder.

Man muss nur wissen, wo man den Maßstab anlegt. Natürlich stimme ich dir zu, dass die Bondfilme für sich immer höchstes technisches Niveau beanspruchten und YOLT das defintiv nicht bietet. Trotzdem halte ich die Szenen für okay und auch wenn sie heute etwas putzig aussehen, gefallen sie mir um Welten besser, als die antiquierten Shots in GE - und das war immerhin knapp 30 (!) Jahre später. Von daher kann ich damit gut leben. Blöde sind natürlich diese ganzen Kamerashots in YOLT, die Filmszenen zeigen, die sie gar nicht zeigen dürften. Das wird in diesem Forum oft bemängelt und die stören mich weitaus mehr als die angestaubten Weltraumszenen. Zumal ich gerade die PTS sehr gelungen finde, die Musik von Barry ("Capsule in Space") ist einfach große Klasse. Hach... mit Berry hat die Bondwelt schon einiges an Flair eingebüßt. Muss man leider so nostalgisch sagen.
GoldenProjectile hat geschrieben:Auch das von Frankie-Töchterchen Nancy Sinatra gesungene wehmütige Titellied ist betörend schön
Ja, ein toller Bondsong, mit sehr schönen Lyrics. "One life for yourself and one for your dreams"... einfach klasse. Überhaupt schön, was der Song aus dem wirklich coolen Fleming-Titel gemacht hat.