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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Tomorrow Never Dies (1997, Roger Spottiswoode)
"Your life is a story I’ve already written. The news is that I am in control."
- k.d. lang
Nachdem GE die Bondfigur für eine neue Ära aufgefrischt hatte lag es am nächsten Film, den ebenso gelungenen wie erfolgreichen Weg fortzusetzen. TND ging dabei aber noch einen Schritt weiter, indem er den Agenten ihrer Majestät endgültig in einen kühl stilisierten High-Tech-Actioner der 1990er überführte. Dabei ist die Grundidee so typisch wie eh und je; Ein Tycoon der Massenmedien, der für exklusive Senderechte einen Weltkrieg anzetteln will, ist auf dem Papier eine höchst gelungene, moderne Variation des Gilbert-Szenarios aus YOLT und TSWLM, eine weitere Parallele stellt der durchgängig präsente Navy-Hintergrund der Geschichte dar.
TND ist aber wie schon angedeutet noch etwas anderes als seine nächsten Verwandten im Bond-Kanon, und zwar der Serienbeitrag mit der – vermutlich mit Abstand – höchsten Actiondichte überhaupt. Alleine in der PTS wird bereits eine ausladende Materialschlacht geboten, wird geballert und gebombt was das Zeug hält. Weitere Actioneinlagen folgen mit energischer Regelmässigkeit, die ruhigen und handlungsdienlichen Szenen, die wie Inseln inmitten des Actionspektakels angelegt sind, wirken daher wie tickende Zeitbomben, die jederzeit in die Luft gehen können und es immer wieder auch tun. Dem Film gibt dies auf den ersten Blick zwar einerseits eine sehr straffe und temporeiche Dramaturgie, mehr und mehr fühlt sich der actiongeladene Ansatz aber auch eher umständlich an, da auch viele kleinere Szenen zu mindestens mittelgrossen Kampf- und Schiessszenen aufgeblasen werden. Am erstaunlichsten ist, dass sich die gesamte Geschichte ohne Prolog innerhalb von zwei Tagen abspielen soll, was den Action-Overkill noch einmal gehörig verstärkt, wenn man genauer darüber nachdenkt.
Die Actionszenen an sich sind handwerklich wie man es sich von Bond gewohnt ist absolut kompetent und kurzweilig aufgezogen, sei es nun die Auseinandersetzung in der Druckerei, die erstaunlich kleinteilig geschnittene Parkhaus-Verfolgung mit dem ferngesteuerten BMW, die Motorradjagd durch die ärmeren Viertel von Saigon (gerade im Vergleich zu den sehr kühl dargestellten Locations in Hamburg und auf hoher See der lebendigste Schauplatz des Films) oder viele weitere, dass man mit dem zählen kaum nachkommt. Was den Actionszenen etwas fehlt, gerade auch angesichts ihrer schier erdrückenden Menge, sind besondere Höhepunkte oder Spannungsbögen. Selbst die ausgefallenste Idee des Films, die Fernbedienung des BMWs, verpufft ein wenig inmitten von Explosion und Munition. Der noch bleihaltigere Showdown an Bord des Stealth-Schiffs ist eigentlich richtig gut gelungen – das Set ist zwar ein Witz verglichen mit der Liparus in TSWLM, wird aber gut in Szene gesetzt und die grosse Massenschlacht, obwohl es dieses Mal nur Bond und Wai Lin sind, die gegen eine Masse kämpfen, anfangs spannend entwickelt. Aber auch hier ermüdet sich das buchstäbliche Action-Dauerfeuer des Films mit der Zeit und hätte ein an den richtigen Stellen etwas subtilerer Ansatz durchaus Sinn ergeben.
Pierce Brosnan gibt wiederum eine gute Routinevorstellung als Bond, die in manchen Szenen zwar zu aalglatt und kantenlos angelegt ist, und sich zu sehr auf coole Blicke verlässt, andernorts, wie in den Szenen mit Paris oder den Konfrontationen mit Kaufman und Carver, aber richtig aufblüht. Am besten ist Brosnan immer dann, wenn er etwas aus der Rolle des steifen Snobs oder des Actionhelden rauskommen darf, was auf den gesamten Film bezogen aber leider nicht konstant genug der Fall ist. Michelle Yeoh als Bondgirl und chinesische Agentin zu besetzen kann durchaus als Glücksgriff gewertet werden. Ihre Rolle in TND zeigt oder entwickelt zwar kaum erotisches Potential, dafür aber verspieltes Charisma sowie glaubhafte physische Präsenz und weist in ihrer Beziehung zu Bond vor allem während der Motorradverfolgung und später im Unterschlupf launige Screwball-Züge auf, wie es sie zuletzt in TSWLM mit Anya Amasova gab. Teri Hatcher bleibt als Bonds alte Flamme Paris durch wenig Screentime und eine oberflächliche Rolle blass, erfüllt aber ihren Zweck und stört nicht. Daheim in London hat Judi Dench von allen Brosnan- und Craig-Filmen ihren kürzesten Auftritt und Desmond Llewelyn darf mit einer netten, aber auch etwas beiläufigen Gadgetszene aufwarten, so dass von der MI6-Brigade lediglich Samantha Bonds schreckliche Moneypenny-Interpretation im Gedächtnis bleibt.
Jonathan Pryce als Elliot Carver ist meilenweit davon entfernt, einer der allerbesten Bondschurken zu sein, aber ähnlich wie Louis Jourdains Kamal Khan ist seine Rolle ein dermassen urtypischer Bond-Widersacher, dass er alleine dadurch Spass macht. Die Idee des machthungrigen Medienbarons ist einem Bondfilm auf jeden Fall angemessen und wird schön dick aufgetragen wenn Carver fanatisch sensationsheischende Schlagzeilen tippt oder schwer atmend und theatralisch seine Allmachtfantasien schildert. Als psychotischer Obermotz erfüllt die Rolle Sinn und Zweck und hat ihre besten Momente in ihren verbalen Gefechten mit Bond, in denen sowohl Pryce als auch Brosnan zu Höchstform auflaufen. Ein kleiner Höhepunkt von TND ist der Auftritt von Vincent Schiavelli als Dr. Kaufman ("I kould shoot you from Stuttgart und still kreate ze propa effekt!"), eine wunderbar schräge Handlangerrolle die trotz, oder vielleicht gerade wegen ihres sehr kurzen Auftritts einen gelungenen Akzent setzt, vor allem natürlich in der auf jedem Gebiet völlig überzeichneten Art, wie Schiavelli den Doktor zum Besten gibt. Das gleiche Lob lässt sich auf den Rest der Helferbrigade leider nicht anwenden. Cyberterrorist Gupta ist nicht nur im Vergleich mit jemandem wie Boris Grishenko zum vergessen, und Götz Ottos tumber Haudrauf Stamper kann gar nichts ausser grimmig in die Welt zu starren. Sein schlecht gespielter Verweis darauf, dass Kaufman für ihn wie ein Vater war, ist dann auch der grosse Fremdschäm-Lacher des Films.
Weiter markiert TND die erste Mission von David Arnold, der in der Folgezeit zum vorübergehenden Stammkomponisten der Reihe avancieren sollte. Musikalisch übertrumpft wird sein Score aber vor allem vom ursprünglich angedachten Titelsong von k.d. lang, der mit der Verpflichtung Sheryl Crows in den Abspann verschoben wurde. Crows Song bietet zwar melodisch das Potential für eine wuchtige Vorspannnummer, verliert durch die zu laschen und gleichförmigen Arrangements und die Kürzung für den Film einiges an Wirkung. k.d. langs Variante Surrender ist schnörkelloser, aber auch stimmiger und mit mehr Power gesungen. Dass auch Arnold seinen Surrender immer wieder im Score zitiert macht noch deutlicher, dass langs Version im fertigen Film besser als Titelsong gepasst hätte. Arnolds Arbeit selber schwankt ansonsten zwischen gelungenen und weniger einprägsamen Passagen, ist unterm Strich aber absolut in Ordnung, wenn auch mit weniger Wiedererkennungswert ausgestattet als die besten Arbeiten seiner Vorgänger.
Mit TND vollführt Bond endgültig den Sprung in die actionreiche Welt der 1990er. Brosnans zweiter Einsatz ist ein wechselhafter, in Summe aber durchaus solider Beitrag zur langlebigen Reihe, der ähnlich wie GE vor allem durch die moderne Auffrischung urtypischer Bond-Muster überzeugt, hier vor allem die Einbindung zeitgemässer Medienthemen in die abgehobene Welt des Doppelnullagenten. Ebenso gelungen sind die schlagkräftige und lässige Paarung zwischen Bond und Yeoh sowie Pryces kurzweilige Interpretation des durchgeknallten Oberschurken in bester Serienmanier. Der Grund dass TND trotzdem nie wirklich aus dem guten Bond-Mittelfeld herausragen will ist schwer zu fassen, am ehesten aber liegt es an dem sehr kühlen und bis zum Exzess mit Actionbombast vollgepackten Ansatz von Spottiswoodes Inszenierung, der den Film auf Dauer etwas seelenlos und steril wirken lässt.
Wertung: 6 / 10
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.