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Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

Verfasst: 23. Oktober 2024 11:42
von Nico
Und weiter geht's mit der nächsten Runde Bond auf großer (Lein)Wand. Beamer angeschmissen, Popcorn gemacht und ab aufs Sofa. FRWL kann kommen.

Und er kam. Zwar mich nicht ganz so begeisternd wie DN vor zwei Wochen, aber dennoch hatte ich großen Spaß.
Vorneweg: Der Cast. Connery glänzt, Spelunken-Jenny-Lenya gibt eine herrlich klischeehaft böse Rosa Klebb und Robert Shaw beeindruckt, lange bevor er zum Haifänger wurde, als physisch starker, aber auch intellektueller Handlanger (Oder Haupt-Villain? Man fragt sich!). Daniela Bianchi ist neu im Job, was man ihr manchmal ansieht, aber auch sie macht ihre Sache sehr gut. Der heimliche Star des Films ist natürlich Pedro Armendáriz - einen so sympathischen Verbündeten sucht man in der langen Bond-Geschichte vergebens.

Im Gegensatz zu DN haben wir in FRWL den spannenden Kniff, dass der Zuschauer stets mehr weiß als Bond. Wir sehen viele, viele Villain-Szenen (ich mag sowas ja und würde mir wünschen, dass wir heutzutage nicht immer nur alles aus Bonds Perspektive sehen würden) und wissen genau, was der komplexe Plan von Spectre ist. Natürlich ist alles ein wenig überdreht, aber dennoch geerdet genug, als dass sich dieser spannende (und zumindest ansatzweise realistische) Spionage-Thriller entwickeln kann. In jeder Sekunde atmet der Film die Atmosphäre des kalten Krieges und das tut ihm gut. Ost gegen West (angeblich), Überwachung, Spionage, tote Agenten. Herrlich.

Was haben wir sonst noch? Viele tolle Einzelszenen. Bond und Kerim gehen auf Bootstour und begaffen die Bösen, die Hagia Sophia beeindruckt. Spectre plant auf dem Boot - Blofeld bleibt schön unbekannt. Der Überfall aufs Zigeuner-Lager hat fast etwas theatralisches an sich, ich fühlte mich zeitweise an die Karl May-Spiele Bad Segeberg erinnert, begeistert. (Natürlich wirkt die komplette Szene im Lager heute sehr aus der Zeit gefallen und wäre das einzige am Film, was mich ein wenig stört, aber nun, wir reden eben auch über 1963 und nicht über 2024, insofern geht das völlig in Ordnung, vor allem, da das Volk zwar schon als etwas "wild" charakterisiert wird (2 Frauen bekämpfen sich um einen Mann..?), aber keineswegs als dumm oder gefährlich, sondern sehr sympathisch dargestellt wird.) Der ganze Zug-Abschnitt ist sehr gelungen mit dem grandiosen Finale der Prügelei im Zugabteil. Eine tolle Szene, die noch häufig bei Bond referenziert werden wird. Dass danach bis zum Ende des Films sich nur noch Action-Szenen aneinanderreihen, ist bei vielen hier ein Kritikpunkt, mich hat das nie gestört. Ich liebe die Heli-Verfolgung und das anschließende Flammende Inferno auf dem Wasser. Eher "klein" geht der Film dann in Venedig zu Ende (warum überhaupt Venedig..?), aber nach den packenden Szenen zuvor geht das vollkommen klar.

Dann der Score. Ich mochte Monty Normans Arbeit für DN und finde, dass er zum tropischen Insel-Feeling passt wie die Faust aufs Auge, aber natürlich braucht es für einen Kalter Krieg-Spionage-Thriller eine ganz andere Art von Musik. Und John Barry liefert sie. Einfach famos, wie sich beispielsweise das rythmische Rattern des Orient-Expresses auch in der treibenden, dynamischen Musik wiederfindet, die immer wieder auftaucht. Dazu der erste Einsatz des 007-Themes: Ich bin großer Fan. Aus heutiger Sicht wirkt der häufige Einsatz des Bond-Themas in ruhigen Szenen wie beim Einchecken im Hotel natürlich befremdlich, bei der Musik erwartet man Action, aber auch das geht in Ordnung.

FRWL ist ein ganz anderer Film als sein direkter Vorgänger. Sehr viel weniger Urlaubsfeeling und sehr viel weniger "neu", hier fühlt sich alles schon sehr geerdet und etabliert an, als wäre es nicht der 2. Film in der Reihe, sondern der 10., dafür bietet er eben auch ganz andere Vorzüge. Steht man mehr auf bunte Karibik und Mango-Tree-Gesänge oder auf harte Spionage? Ich vermutlich in der momentanen Laune auf ersteres, deswegen machte mir DN noch einen Ticken mehr Spaß als FRWL, aber eigentlich macht der Film nichts großartig falsch und ist ein toller Beitrag zur Reihe, den es immer lohnt, zu schauen.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

Verfasst: 23. Oktober 2024 12:14
von Henrik
Freut mich, dass der Film dir gefällt. Ich sehe das größtenteils genau so. Insbesondere wünsche ich mir auch mal wieder Filme/Szenen mit weniger Bond, wie du es im Falle von FRWL gelobt hast (man denke auch an TB, die lange Sequenz mit der Vulcan-Entführung). Nur zum Score kann ich nicht viel sagen, der prägt sich bei mir nie so recht ein.

Dass du DN vorziehst, kann ich nachvollziehen, das exoische Feeling hat schon was. Aber FRWL ist ein schöner Cold War/Spionagefilm, den ich auch immer wieder genießen kann.

Zum Thema aus der Zeit gefallen: Früher hat es mich gewundert, wie selbstverständlich im Film der Begriff "Zigeuner" verwendet wird, der ja wohl eher negativ belastet ist. Aber auf das Alter des Filmes habe ich damals noch nicht so geachtet (was Fukunaga wohl sagen würde?). Aber im Supermarkt bin ich kürzlich tatsächlich auf eine Flasche mit der Aufschrift "Zigeunersauce" gestoßen. Kein Grund zur Panik, aber etwas verwundert hat mich das schon.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

Verfasst: 23. Oktober 2024 12:42
von DonRedhorse
Nico hat geschrieben: Heute 11:42 Der heimliche Star des Films ist natürlich Pedro Armendáriz - einen so sympathischen Verbündeten sucht man in der langen Bond-Geschichte vergebens.
Sehr schöne Kritik. Nur in diesem Punkt sehe ich es anders. Ich finde Gabriele Ferzetti (OHMSS) und Chaim Topol (FYEO) noch sympathischer oder besser.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

Verfasst: 23. Oktober 2024 13:21
von Nico
Ferzetti kann ich gut verstehen, der hat für mich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Armendáriz. Topol ist zwar nett, aber da ich FYE generell nicht so viel abgewinnen kann, verliert auch er darin etwas.

Re: Filmbesprechung "From Russia with Love (FRWL)"

Verfasst: 23. Oktober 2024 13:26
von Henrik
Ähnlichkeiten zwischen Armendáriz und Ferzetti? Absolut, bei meiner Erstsichtung von OHMSS (damals kannte ich FRWL aber noch nicht so gut auswendig wie heute) dachte ich sogar, das sei der selbe Schauspieler. Sein Sohn (Hector Lopez in LTK) hat da weniger Ähnlichkeit.