Re: Zuletzt gesehener Film

6886
Das ist eine großartige und vollkommen unsinnige Analyse - selten so gelacht.

Dann könnte der gute Ecco auch gleich feststellen, dass die 90% aller Geschichten in 3 oder 5 Akten aufgebaut sind. und diese lassen sich - wenn man nur weit genug aggregiert und abstrahiert, noch viel simpler zusammen fassen als das was er hier über Flemings Werke feststellt.

Was aber viel gravierender ist:
Das Resultat!

Man kann alles möglich für immer und ewig kritisieren aber der Effekt den Fleming mit seinen Werken und dem was daraus gemacht wurde ist bis heute einmalig. Dafür findet komischerweise kaum ein Gelehrter eine Begründung oder eine Formel :-)

Was also bleibt ist das übliche Kritiker Gewäsch: "eigentlich ist das, was er macht total simpel und durchschaubar. Ich könnte das alles besser wenn ich nur wollte - und überhaupt sind alle denen das gefällt mir unterlegen und nicht meiner würdig"
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

6887
danielcc hat geschrieben:eigentlich ist das, was er macht total simpel und durchschaubar. Ich könnte das alles besser wenn ich nur wollte
Der Eco kann das aber alles auch viel besser, wenn er will. Aber das sagt er mit seiner Kritik eigentlich gar nicht aus. Eher das Gegenteil.
https://filmduelle.de/
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Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

6888
So wie Nick es verwendet, stimmt das schon.

Das ist so eine Wissenschafts-Sache. Man stellt eine Struktur in etwas fest und glaubt die Weltformel gefunden zu haben.
Natürlich folgen Flemings Romane auf ganz abstrahiertem Niveau einer Formel. Das macht es aber zunächst mal nicht schlecht und gut. Es gehört auch nicht viel dazu, das festzustellen. Es wäre komisch wenn es diese Formel nicht gebe.

Was komischerweise nie jemand erklärt ist, warum gibt es erfolgreiche Bondfilme seit 50 Jahren während andere Serien schon im Versuch der Kopie gescheitert sind. Warum schaffen es die Schlauene, Erleuchteten und "Besseren" Filmmacher und Autoren nicht den Erfolg zumindest zu kopieren?
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Re: Zuletzt gesehener Film

6891
mccord_ugly_beauty.jpg
"Now for something different"

Gestern habe ich auf ZDF "Excision" geschaut.
Das war wirklich mal ein Horrorfilm abseits aller Elm Street, Helloween, "Ich weiß was Du letzten Sommer getan hast", Freitag 13. und sonstiger Blödeleien (ja! damit meine ich auch das "Scream" Franchise). Das was ihn außergewöhnlich macht, ist wie er den sukkzessiv progradierenden Wahn einer freakigen Rotzgöre beschreibt, und das ohne Zombies, Vampire, Frankensteins und Werwölfe.
Pauline ist ein Problemkind. Sie geht auf die High School mit dem Wunsch, mal Medizin zu studieren und eine große Chirurgin zu werden. Dabei eckt sie aber mit ihrem schlampigen Auftreten und an John Waters Divine Filme erinnernden Ekelszenen (kein Witz, er spielt im Film ihren Psychiater!!), wie dass sie mal ihre Erzfeindin ankotzt oder einen auf der Strasse gefundenen toten Vogel seziert, überall an. Derweil steigert sie sich immer mehr in phantasmagorische Szenerien aus Blut und Tod hinein.
Ihre Mutter versucht sie mit äußerstem Verständnis auf die rechte Bahn zu bringen, aber ohne Erfolg. Auch mit ihr kommt es mehrfach zu Spannungen.
Spoiler
Einzig allein zu ihrer Schwester empfindet sie Zuneigung. Sie leidet aber an einer schweren Lungenerkarnkung - Mukoviszidose. Nachdem Pauline von der High School wegen einer Schlägerei mit ihrer Erzfeindin gefeuert worden war, reift in ihr der Plan, ihrer Schwester die Lunge von der Nachbarstochter zu transplantieren.
Während die Mutter in die Stadt fährt, um die bevorstehende Operation ihrer Tochter im Krankenhaus zu regeln, betäubt sie ihren Vater und lockt die Nachbarstochter ins Haus. Betäubt beide -Schwester und sie- und geht ans Werk.
Als die Mutter kommt, erlebt sie ein Gruselkabinett, und es ist zu vermuten, dass sie Pauline tötet.
Wie sich das Grauen zum Höhepunkt in ihrer Wahnwelt entwickelt, ist genial umgesetzt. Einzig alleine bleiben alle Figuren unfassbar farblos, plakativ. Hätte man das besser ausgearbeitet, wäre "Excision" zu DEM HORRORKLASSIKER schlechthin geworden, so nur 8/10 Punkte

PS: Wie man die Hauptdarstellerin Annalyne McCord, die vorher als Modemodel arbeitete, zu einem grottenhässlichen Problemkind umstylte, ist ein Musterbeispiel zu was moderne Visagie und Kosmetik fähig sind -oder wenn Kosmetik und Visagie fehlen, wie durch Weglassung von Frisur und Makeup sich ihr natürliches Gesicht zeigt
"There is sauerkraut in my lederhosen."
Bild

Re: Zuletzt gesehener Film

6892
NickRivers hat geschrieben: PS: Wie man die Hauptdarstellerin Annalyne McCord, die vorher als Modemodel arbeitete, zu einem grottenhässlichen Problemkind umstylte, ist ein Musterbeispiel zu was moderne Visagie und Kosmetik fähig sind -oder wenn Kosmetik und Visagie fehlen, wie durch Weglassung von Frisur und Makeup sich ihr natürliches Gesicht zeigt
Ich tippe eher auf letzteres.
The name's Bond, James Bond.

Re: Zuletzt gesehener Film

6894
danielcc hat geschrieben:Aber Nick wollte es als Wertung verstehen und deswegen hat er es gepostet.
Stimmt natürlich. Nur klang deine Reaktion wie ein Angriff auf die grundsätzlichen Ergebnisse von Eco, die ich zumindest für halbwegs interessant halte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

6895
Ich habe mir diese Woche beide Teile von Now you see me angesehen, den zweiten natürlich im Kino.

Teil 1 war damals 2013 eine richtig schöne Überraschung. Bei der Zweitsichtung musste der Film zwar ein bisschen Federn lassen, wusste aber immer noch überwiegend zu gefallen. Now you see me ist eine starke atmosphärische Kombi aus (vermeintlichem) Supernatural-Thriller und trickreichem Kriminalspektakel, Leterriers Inszenierung ist beachtlich, kaum zu glauben dass dieser Mann die Supergurken Transporter 2 und Clash of the Titans verbrochen hat. Er filmt in die Tiefe des Raums, komponiert die Bilder in elegant kreisenden Kamerafahrten und lässt die handlungsinneren Illusionen mit der visuellen Illusionen Hand in Hand gehen. Dazu kommt ein den leichtfüssigen Ton treffend akzentuierender Soundtrack und das phänomenale Hauptfiguren-Dreiergespann Mark Ruffalo, Melanie Laurent und Morgan Freeman. Nur der grosse Schlusstwist ist dann leider erzählerisch haarsträubend unpassend und haut einem nicht gerade aus den Socken. 8 / 10

Teil 2 dagegen ist leider komplett redundant, beliebig und vorhersehbar inszeniert und präsentiert sich schamlos als Mischmasch aus Ocean's Eleven, Magierklamauk, kindischer Effekthascherei und erklärungswütiger und über-theatralischer Weiterverwurstung von Plotelementen aus dem Erstling. Teilweise wirklich schwache, andernorts aber einigermassen unterhaltende Fortsetzung, die es so nicht gebraucht hätte. Genau wie Ben-Hur: Einwegkino ohne wirklichen Mehrwert. 4,5 / 10
We'll always have Marburg

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Re: Zuletzt gesehener Film

6896
Ich habe mir am Wochenende spontan für einen 5er auf DVD "Der Prinz aus Zamunda" geholt und gestern abend geschaut.

Ganz witzige und kultige Culture-Clash-Komödie zu der Zeit, in der Eddie Murphy noch eine Hausnummer war, der meiner Meinung nur in den Beverly-Hills-Cop-Filmen und "Prinz aus Zamunda" super war und danach nur noch Schrott mitgemacht hat.
Darüber hinaus auch ein wichtiges Plädoyer gegen Zwangsheirat und für das Leben nach eigenen Entscheidungen.

Stelle sich einer nur vor, wie ein weibliches Remake mit Ayse aus einem muslimischen Land aussehen würde - wie ein beinharter Actionthriller im Stil von Bourne oder Shoot-Em-Up, in dem hunderte Killer zum Überleben aus dem Weg geräumt werden müssen. Aber in "Der Prinz aus Zamunda" haben Sie eine Komödie draus gemacht, die aufgrund des Storytellings und sehr gut aufgelegten Darstellern super funktioniert.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

6898
Hab mir gestern seit langer Zeit wieder David Finchers "Se7en" angeschaut. Wie findet ihr Brad Pitts Leistung in dem Film? Ich fand ihn diesmal irritierend albern und überdreht. Eigentlich mag ich ihn als Schauspieler, nur hier wirkt er irgendwie fehlbesetzt. Liegt aber vielleicht auch an den Dialogen. Morgen Freeman macht seine Sache wie gewohnt sehr gut.
"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."

Are you a reviewer or a reader?

6900
Nerve

"Are you a watcher or a player?" - Vor diese Frage werden die Protagonisten in "Nerve" gestellt, als sie sich bei dem gleichnamigen Online-Videospiel anmelden. Entscheidet man sich mutig für den aktiven Part, den Player, wie es die frustrierte Vee, gespielt von Emma Roberts, tut, so erhält das Spiel Zugriff auf sämtliche Social Media Angaben, wie persönlichen Vorlieben, intimen Ängsten und all dem, was sonst noch so in den Untiefen von Instagram, Facebook, Snapchat und anderen Plattformen schlummert. Die Watcher können nun diese Kenntnisse nutzen, um den Playern verschiedene unangenehme Challenges zu stellen, welche diese sich selbst mit dem Smartphone abfilmend bestehen müssen, um reelle Dollar zu verdienen. Der Onlineruhm macht sich bezahlt, doch schnell artet "Nerve" in extreme Mutproben aus, denn gefährlichere Aufgaben bringen auch mehr Watcher und mehr Geld.

So simpel die Leitmotiv-ähnliche Frage "watcher or player?" auch gemeint sein mag, so zutreffend ist diese doch für die Generation Smartphone. Heute ist es leichter wie nie zuvor, immer am laufenden zu sein, sei dies über den Freund von Nebenan oder den angebeteten Star am anderen Ende der Welt. Wer online nichts zu bieten hat, verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. So ist es heute einfacher denn je, ein Star zu werden - man denke an Internetberühmtheiten wie Dagi Bee, Gronkh oder PewDiePie -, doch um aus der Masse hervorzuragen, muss schnell zu härteren Maßnahmen gegriffen werden. Damit steht "Nerve" ganz klar im Zeichen einer dystopisch-angehauchten Gesellschaftsparabel, die sich überaus direkt und offen an die kritisierte Zielgruppe wendet. In den intensiven Neonfarben der schon lange nicht mehr so düster gezeichneten Metropole New York City entfaltet sich eine regelrechte Internet-Apokalypse, in welcher die Leben der Charaktere nur mehr zu Spielbällen ihrer Community werden. Die Regisseure Henry Joost & Ariel Schulman arbeiten dabei mit lauter visuellen Tricks, um das Ausmaß der digitalen Vernetzung begreifbar zu machen. Ständig poppen die Usernamen der "Nerve"-Spieler über der New Yorker Skyline auf, werden Skype-Gespräche und Chaträume in das Bild eingebunden und der Soundtrack ist eine einzige, bewusst nicht immer passende Ansammlung von modernen Indie-Pop-Songs, die wohl aus einer wahllos zusammen gesetzten Spotify-Playlist stammen könnten.

Klar ist, dass jene Mutproben das Zentrum von "Nerve" sind, inhaltlich wie dramaturgisch. In Zeiten der digitalen Geltungssucht und eitlen Selbstinszenierungen lassen sich auch heutige Online-Sternchen gerne auf die ein oder andere Mutprobe ein, ob nun im Umfang der berüchtigten Cinnamon Challenge oder mit dem gefährlichen Klettern auf extrem hohe Türme oder Kräne, wie im Film an einer Stelle zitiert. Vee und ihr von den Watchern auserkorener Gesell Ian müssen so etwa auf einer Leiter im neunten Stock von einem Fenster zum anderen klettern oder mit verbundenen Augen auf einem Motorrad durch die City jagen. All diese Momente leben besonders von ihren unbarmherzigen Assoziationen, die sie wecken und werden von der Regie auch bewusst Show-artig präsentiert, sodass sich der perverse voyeuristische Kult, der hier offensichtlich, aber nicht allzu plakativ moralisierend angeprangert wird, zwangsläufig auch beim Kinogänger einstellt. Die Spannung steigt zusätzlich durch die herrliche Chemie zwischen Roberts und ihrem Co-Star Dave Franco, die gemeinsam sehr gut und vor allem authentisch funktionieren und erfreulicherweise nicht ab einem gewissen Punkt das naiv-verliebte Pärchen protraitieren, sondern in ihren Neckereien wie ein übermütiger Flirt anmuten, dem man einen positiven Ausgang absolut gönnen würde, was die Fallhöhe im Lauf der Zeit enorm verstärkt. Großartig ist die Einfachheit, mit der Joost & Schulman die Handykameras der Player in ihren Film miteinbeziehen. Eine Sequenz dürfte schon jetzt zu den Highlights des Kinojahres 2016 zählen, als sich einer der Player auf die Schienen eines anfahrenden Zugs legt und ganz flach unter diesem verharrt, die Kamera immer ganz dicht am Mann. Im Kinosaal wird die Anspannung regelrecht greifbar, während man erwartet, dass gleich doch noch irgendetwas nach unten ausschert und den Irrsinn frühzeitig beendet - selten war Jugendkino so simpel und gleichzeitig effektiv damit.

Jugendkino ist ohnehin das Stichwort. Selbstredend ist "Nerve" seines Themas und seiner folgerichtigen Ausrichtung wegen auf junge Erwachsene zugeschnitten, sodass ältere Zuschauer zwangsläufig ein paar Abstriche werden machen müssen. Die Nebencharaktere sind reine Stereotypen (die besorgte Mutter mit Geldproblemen, der obligatorische treue Hacker-Genie-Kumpel, die extrovertierte beste Freundin) und trotz der durchaus vorhandenen Ansätze, bleibt der gesellschaftskritische Ansatz freilich ein Stückweit an der Dämonisierung von YouTube und Twitch Idolen kleben, wenngleich auch die Macht der Anonymität des Internets sowie die Abhängigkeit vom Rausch der schnellen Datenflut ein Thema sind. Wer hingegen eine schonungslose Abrechnung mit dem medialen Neoliberalismus des 21. Jahrhunderts erwartet, der könnte ein wenig enttäuscht sein. Dennoch ist das Anliegen von "Nerve" ein immens wichtiges und die Reduzierung auf einige Kernproblematiken in leicht verständlicher Parabel-Erzählung deshalb so relevant, weil die Botschaft damit bei denen ankommt, für die sie bestimmt ist und für die Generation, die es letztendlich am allermeisten betrifft. Damit schafft "Nerve" über weite Strecken ein nicht zu unterschätzendes Stück Aufklärarbeit und ist dabei auch noch ein gekonnt überzeugender Thriller. Leider sind jedoch auch mit Welpenschutz die letzten 20 Minuten erschreckend dämlich und einfallslos. So löst sich Dystopie in allgemeines Wohlgefallen und verkommt zum modernen Gladiatoren-Getümmel, welches dann auch noch allzu süßlich auflösend den moralischen Zeigefinger in neue Höhen hebt. Dass der Film vor diesem inkonsequenten Verrat an sich selbst kurzzeitig sogar ein viel besseres Ende andeutet, macht diesen Umstand umso schmerzlicher.

Fazit: "Nerve" weiß als gekonnte gesellschaftskritische Science-Fiction-Adaption moderner Social Media Phänomene zu überzeugen, die sich in ihrem schlüssigen Bedrohungsszenario allerhöchstens 10 oder 15 Minuten in der Zukunft befindet. Besonders pikant bleiben dabei die Momente in Erinnerung, in denen die Watcher dem charmanten Protagonisten-Pärchen wie wild mit dem Smartphone vor den Augen hinterher jagen und dabei im Hinblick auf die kurz vor Kinostart veröffentlichte App "Pokémon Go", bei der die User in der Realität mit dem Handy virtuellen japanischen Taschenmonstern nachlaufen, eine erschreckende Aktualität beweist.

7/10
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