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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Passwort: Swordfish
Zu Beginn des 109-minütigen Streifens philosophiert John Travolta als glattfrisierter Massenmörder Gabriel charismatisch und ausgedehnt über die Entwicklung des modernen Kinofilms, Al Pacinos Karrierehöhepunkte und die Machenschaften heutiger Filmproduzenten, beklagt sich dabei über das Mittel, dass ihm in modernen Thrillern und Actionstreifen am meisten fehlt: Realismus. In Anbetracht dessen, was nur wenige Minuten später seinen Anfang nimmt, ein amüsanter und vor allem selbstironischer Gag, der wie eine Entschuldigung sämtliche Entwicklungen vorweg nehmen soll. Doch bevor der Zuschauer begreifen darf, dass Regisseur Dominic Sena sich hier einen Scherz erlaubt hat, präsentiert er in Anschluss an Travoltas Monolog eine der schockierendsten Eröffnungssequenzen des Actionkinos. Ein Geiselszenario in einer Bank auf der anderen Straßenseite führt nach einem kurzen Intermezzo zwischen mit Sprengweste-bekleideter Geisel und einem voreiligen SWAT-Mann zu einer in Bullet-Time-Optik minutiös ausführlich gezeigter Detonation, die die draußen aufgebaute Straßensperre der Beamten augenblicklich in einen Parkplatz verwandelt.
Das nach dem Riesenerfolg von "Matrix" der nächste Hacker-Thriller nicht lange auf sich warten lassen würde, ist keine allzu große Überraschung. Und das große Vorbild ist in "Passwort: Swordfish" nahezu omnipräsent: Bullet-Time-Kamerafahrten, extremes Color-Grading, Zeitlupen en masse, Lederanzüge für Mann und Frau, die Liste ist endlos. Zugegeben, den Stil des ebenfalls von Joel Silver produzierten Meilensteins ahmt Sena ansprechend nach und eröffnet dem Publikum ein stylishes und auf Hochglanz-poliertes Spektakel-Gewitter - natürlich, ohne je annähernd mit der innovativen Ader oder gar dem einmalig ästhetischen Geschick der Wachowskis mithalten zu können. Dies ist jedoch auch gar nicht nötig, denn die schnellen und knackigen Schauwerte und der schnelle Handlungsverlauf nach dem grandiosen Einstieg ermöglichen ganz ohne die größten Geschütze aufzufahren einen Zugang zur Erzählung zu finden, hinzu kommt ein ordentliches Staraufgebot. John Travolta gibt als Widerling eine hervorragend schmierige und abstoßende Performance ab und die ihm von Drehbuchautor Skip Woods in den Mund gelegten Dialogphrasen geben ihm die nötige Wirkung, als das personifizierte Unheil aufzutreten, welches die Handlung benötigt. Hugh Jackman spielt den positiven Gegenpol sympathisch wie gekonnt menschelnd, seine "X-Men"-Kollegin Halle Berry darf ihm derweil das ein oder andere Mal erotisch und betont sexy aufspielend den Kopf verdrehen (genau wie allen anderen männlichen Zuschauern). Don Cheadle und Vinnie Jones runden die glückliche Besetzungsliste anschaulich ab. Kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen!
Nun, das würde man meinen, doch Woods und Sena verzocken sich im Verlauf des gar nicht so langen Filmes dann schon das ein oder andere Mal. Die Grundbausteine des "Swordfish"-Filmchen mögen für sich genommen funktionieren, doch irgendwie wird man den Gedanken nicht los, diese selbst in der hier auftretenden Kombination alle schon einmal zu oft gesehen zu haben. Abgesehen von tausenden "Matrix"-Referenzen standen wenig offensichtlich wohl auch "Die Hard" und für den Showdown ganz besonders "Speed" Pate, während man sich bei den Hacker-Szenen wünscht, es wäre doch etwas mehr "Matrix" erkennbar gewesen. Die Visualisierungen der Computer-Vorgänge als eine Art digitaler Zauberwürfel sind nicht nur unfassbar simpel und einfältig, sondern größtenteils einfach grober Humbug, der selbst von Laien sofort durchschaut werden wird. Selbiges gilt für die Twists, die im Mittelteil nur allzu vorhersehbar für "Überraschungen" sorgen sollen und dann in den letzten fünf Minuten natürlich doch wieder ganz anders aufgelöst werden, als es zunächst den Anschein machte... *seufz*! Es ist wohl Jackman, Travolta und Berry zu verdanken, dass man dennoch einigermaßen interessiert an den Charakteren dran bleibt, die allgemein zu uninteressant sind, um Spannung aufzubauen, die hier daher eher vereinzelt und szenenabhängig auftritt. Hinzu kommt, dass die durchaus vorhandenen Story-Ideen Woods zwar zum Denken anregend sein könnten, einem aber gerne zu plakativ entgegen geschleudert werden, weshalb auch dies zu schnell an einem vorbeizieht.
Immerhin ist "Passwort: Swordfish" ja aber auch in erster Linie ein Actionfilm, weshalb man den dünnen Plot und die platten Charaktere ja zumindest verzeihen könnte, wenn es dafür so ordentlich wummst. Leider ist die Klimax des Filmes allerdings die Anfangssequenz, sodass die handwerklich gelungenen Verfolgungsjagden zwischendurch ein wenig in der Luft zu hängen scheinen. In Wahrheit sind aber besonders eine knackige Autojagd bei Nacht und der fast halbstündige Showdown eine Augenweide an schönen Computer- und handgemachten Stunts, die im Zusammenhang mit der Veröffentlichung kurz nach den Ereignissen vom 11. September 2001 eine beängstigend aktuelle Note erhalten und kurzweiliges gewissenloses destruktives Kino bieten, dass in der ein oder anderen gezogenen Konsequenz überraschend endgültig daher kommt. Wie Travolta zuvor ankündigte, darf man Realismus hier allerdings wie gewohnt nicht erwarten - weshalb man den moralisch und dramaturgisch arg fragwürdigen Schluss, der in den letzten 2 Minuten noch einmal alles vorhergesehene auf den Kopf stellen und irgendwie eine Andeutung auf die ambivalenten Feindbilder nach der Zeit des Kalten Krieges innehaben soll gerade so verzeihen kann.
Fazit: Actionfans kommen bei "Passwort: Swordfish" auf ihre Kosten und werden sich nur mit ordentlich Leerlauf im arg wackelig geratenen Mittelteil arrangieren müssen. Dementsprechend nichtssagend, aber immerhin kurzweilig und ultrastylish bleibt das Geschehen in Erinnerung, welches durch die Darsteller zwar merklich aufgewertet wird, aber vermutlich bei deren Können auch noch einiges an Potential liegen lässt. Da "Passtwort: Swordfish" geschickt und klug durch den vorgeschobenen Anfangs-Monolog grobe Unstimmigkeiten des Plots bereits augenzwinkernd selbst thematisierte, rettet sich Sena bei der arg überstrapazierten Unglaubwürdigkeit seiner Erzählung ein wenig selbst aus dem freiwillig eingegangenen Schlamassel, sodass man am Ende bereitwillig das Actionfeuerwerk einfach als amüsantes Popcorn-Kino mitnimmt. Übrig bleibt durchschnittliches Einmal-Kino ohne große Ambitionen oder besondere Stärken/Schwächen, welches sich für das fantastische Opening allerdings einen Bonuspunkt verdient hat.
6/10
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Let the sheep out, kid.