Winnetou - Eine neue Welt (2016) - Philipp Stölzl
Das war er also, der neue Karl May. An der Entscheidung sich weitgehend von den klassischen Filmen der 60er Jahre zu emanzipieren hat man gutgetan, da dadurch so gut wie nie wirklich eine Konkurrenzsituation heraufbeschworen wurde.
Am auffälligsten ist dies sicherlich in den Hauptfiguren Winnetou und Shatterhand, die in Grundzügen zwar nachwievor als ihre 60er-Jahre- (wie auch als ihre literarischen) Alter Egos erkennbar sind, darüber hinaus aber deutlich veränderte Züge zeigen. Vor allem Shatterhand als recht real angelegter Karl May-Wiedergänger (und eben weniger als dessen literarisches Wunsch-Ich aus den Romanen) ist fast schon eine neue Figur und wird von Möhring daher auch viel besser verkörpert, als man zunächst hätte vermuten können. Möhring ist für mich dann auch der darstellerisch größte Aktivposten, da er es versteht den Film mühelos zu schultern zwischen Ernsthaftigkeit und Humor, vor allem aber mit der für Karl May so unentbehrlichen Naivität. Auch der Rest der Besetzung ist gut gewählt, wobei vor allem "DDR-Winnetou" Gojko Mitic als weiser Intschu-tschuna und Jürgen Vogel als hemmungslos eindimensionaler Schurke Rattler auf sich aufmerksam zu machen wissen.
Auch dramaturgisch hat man sich für einen recht eigenständigen Ansatz gegenüber den literarischen und filmischen Vorgängern entschieden, was sich vor allem in der ersten Filmhälfte äusserst positiv bemerkbar macht, da "Eine neue Welt" so nicht wie so viele Remakes einfach nur die Neuverfilmung einer bekannten Handlung ist, sondern eine wirkliche Neuinterpreation. Am stärksten ist Stölzls Film, wenn er die "Wunderwelt des Westens" (und insbesondere der Apachen) mit derselben Unbedarftheit zu erzählen weiss, wie sie Protagonist Shatterhand für sich entdeckt.
Leider hält der Film dieses hohe Niveau nicht bis zum Ende, da in der zweiten Hälfte sowohl dramaturgisch wesentlich weniger geboten wird wie auch generell einige handwerkliche Schwächen deutlicher zu Tage treten. Vor allem die - ganz im Trend aktueller Blockbuster - sich lang und länger ziehende finale Konfrontation um die Brücke ist teilweise sehr schwach inszeniert und lässt das zuvor so erfolgreich beschworene "Kinofeeling" vermissen. Hier gelingt es Stölzl Inszenierung kaum echte Spannung oder Dramatik aufkommen zu lassen, statt einem Kampf um Leben und Tod (bzw. um das Überleben der Apachen) wirkt das Ganze eher wie ein genmächlicher Ausflug. Gerade auch als Actionszene enttäuscht das Finale, die Kämpfe auf der Brücke sind schlecht inszeniert und geschnitten, so dass sie nicht nur Dramatik vermissen lassen sondern darüberhinaus auch gestellt wirken.
Auch frägt man sich, warum man bei einem weitgehend optisch so ansprechend gestalteten Film (Stölzl fängt die kroatische Landschaft zwar bedeutend weniger imposant und stilprägend ein wie Reinl, nutzt diese aber dennoch effektiv zur Implementierung des Gesamttons seines Films) sich genötigt fühlt mit einigen furchtbaren CGI-Shots (Die Brücke!!) auf berüchtigtem deutschem TV-Niveau sich so unschön zu besudeln. Und last not least muss man festhalten, dass die musikalische Untermalung von Heiko Maile einfach nur schwach, austauschbar und nichssagend ist. Am besten ist sein Soundtrack immer dann, wenn er recht ansprechend Böttchers Originalmotive zu variieren versteht, alles darüberhinaus ist teilweise erschütternd schwach und lässt den Film mehr nach "TV" wirken, als es eigentlich sein müsste.
Das Fazit ist daher auch gespalten. Nach einer richtig starken ersten Hälfte baut der FIlm leider erkennbar ab und enttäuscht mit einem gewöhnlichen, mager inszenierten Finale. Es ist schade, dass trotz der bemerkenswerten Neuinterpretation von Figuren und dem Erzählen einer "echten" neuen Handlung der Film vor allem in seinen Actionpassagen so schwachbrüstig daherkommt wie ihm auch ein echter dramaturgischer Höhepunkt abgeht. Und vor allem hier drängen sich zu guter Letzt dann doch noch die Vergleiche mit den Filmen von Reinl auf, die gerade diese Punkte deutlich besser und effektiver umzusetzen verstanden. Daher "nur" ein nettes Abenteuer mit leider deutlich verschenktem Potenzial zu mehr.
Wertung: 6,5 / 10
danielcc hat geschrieben:Absolut. Auch Winnetou und Shatterhand sind keine reinen Gutmenschen.
Siehst du hier wirklich einen erkennbaren Unterschied zu den Filmen der 60er? Gerade Winnetou wird bei Reinls "Winnetou 1. Teil" doch charakterlich praktsich identisch gezeigt, zuerst Verachtung und unterschwelliger Hass gegen die Weissen, der sich erst langsam in Veständnis und Vertrauen wandelt. Ich glaube nicht, dass wir in den kommenden beiden Teilen der Neuverfilmung einen anderen Winnetou als den "Gutmenschen" zu sehen bekommen. Auch Shatterhand fand ich charakterlich nur insofern anders angelegt, als dass viele seiner Beweggründe auch seiner Naivität geschuldet sind und weniger (wie bei Barker) seinem felsenfesten moralischen Kompass. Ein Gutmensch ist er aber trotzdem durch und durch, im eigentlichen Sinne des Wortes sogar noch weit mehr als der von Barker.