613
von danielcc
00-Agent
So, habe soeben dann - dank Amazon Prime Promotion sogar werbefrei auf RTL - den ersten Teil der Neuverfilmung gesehen.
Mich hat zunächst mal der Aufwand begeistert. Die Optik ist absolut Kino-like, großartige Bilder von wunderschönen Landschaften, dazu (wohl) toll getrickste Aufnahmen. Das ist mitunter das Beste was ich vom deutschen Film je gesehen habe. Das hat auch nichts von der Bräsigkeit die typische RTL Event-Filme sonst oft mitbringen.
Glücklicherweise bietet die Grundstory das Potenzial um all das zu bedienen, was grade im Kino en vogue ist. Im Grunde geht es im ersten Teil eindeutig um Old Shatterhand, der hier die allermeiste Zeit noch als Karl May unterwegs ist. Auch dauert es lange bis Winnetou auftaucht und wenn dann ist der noch ganz anders als man ihn sich vorstellt. Die Freundschaft der beiden Helden entwickelt sich sehr langsam. Der RTL Winnetou ist im Grunde eine Reboot-Trilogie und Teil 1 ist im Comic-Slang eine waschechte Origins-Story. Daneben geht es dann auch noch um einen Mann, der für Gerechtigkeit eintritt, der auf Sinnsuche ist, der seine Verbundenheit zur Natur und einem Naturvolk findet. Das ist alles heute aktueller denn je und passt alles wunderbar in die heutige Zeit und so verwundert es nicht, dass der Film lange Zeit viel von Der mit dem Wolf tanzt, etwas von The Revenant hat, oder sogar teilweise wie eine Kopie von Camerons Avatar daher kommt.
Was die Darsteller angeht, so überzeugt Wotan Wilke Möhring als Karl May / Shatterhand. Er spielt das zwar alles deutlich naiver und "greenhorniger" als Lex Barker, der schon im ersten Film mit einer unfassbaren natürlichen Autorität daher kam. Neuentdeckung Nik Xhelilaj als Titelheld Winnetou steht hier noch stark im Hintergrund, macht seine Sache aber ebenfalls gut, wobei es die absolut richtige Entscheidung war, wie damals einen Unbekannten zu besetzen. Angenehm ist, dass die Apachen und auch Winnetou hier nicht so eindimensional rüberkommen sondern durchaus auch Humor haben. Höhepunkt für mich hier sogar Jürgen Vogel, der so dermaßen in seiner Rolle als dreckiger, brutaler und skrupelloser Rattler aufgeht, dass man unweigerlich an alte Glanzzeiten von Klaus Kinski denken muss.
Überrachend ist, wie lange sich der Film Zeit lässt mit allem. Und wenn er dann vorbei ist, muss man auch feststellen, dass er nie so richtig in Fahrt gekommen ist. Ja leider wirkt der Film dann doch zu stark wie eine Exposition. Am Ende fällt leider auf, dass der Film an einer Stelle trotz allem Aufwand richtig schwächelt, und das ist die Action! Zu keinem Zeitpunkt geht es richtig zur Sache und wenn Action startet, ist sie unglaublich bieder inszeniert und wirkt oft wie mit angezogener Handbremse. Auch der an sich gut gedachte Showdown in der Eisenbahnbrücke wirkt zu lahm.
In Summe wirkt die Neuverfilmung deutlich ernster, etwas realistischer oder zumindest weniger naiv. Der Film hält sich - RTL zum Trotz - stark zurück was Klischee-Momente oder Reminiszenzen an die alten Filme angeht. Ich hatte mit viel mehr Totalen der kroatischen Landschaft gerechnet, ich hatte deutlich erkennbar gleiche Locations erwartet, ich hatte die typische Blutsbrüderschaftsszene schon im ersten Film erwartet. Der Film spart sich das alles auf und so glaube ich auch, dass man das ambitionierte Projekt erst wirklich bewerten kann, wenn man die beiden Nachfolger gesehen hat.
"It's been a long time - and finally, here we are"