Re: Zuletzt gesehener Film

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Kritik: „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“

Hallo liebes Forum, nach meinem Bond Marathon habe ich für eine Zeit lang genug gehabt vom Kritiken schreiben, aber irgendwie hatte ich doch noch einmal Lust darauf. Kritisiert wird der Film „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“, Regie Joseph Vilsmaier aus dem Jahr 2008.

Der 69 jährige Kaspar Brandner, der seine Frau und seine Tochter verloren hat, wohnt mit seiner Enkelin Nannerl und deren Liebhaber Toni in den bayrischen Alpen. Er und Toni wildern gerne und bei einer ihrer „Wilderungen“ erwischt er einen Streifschuss am Ohr und bekommt am folgenden Abend Besuch vom Boandlkramer (Boandl=Knochen, Kramer=Händler) der ihn mitnehmen möchte. Der Brandner möchte jedoch nicht mitkommen und stimmt den Boandlkramer nach 12 Kirschgeist und einem miesen Kartentrick um und schlägt saftige 21 Lebensjahre heraus. Die Zeit geht ins Land und an seinem 70ten Geburtstag stirbt seine Enkelin weil sie ihren Freund Toni vor den Gendarmen warnen wollte, die die Wilderer festnehmen. Währenddessen fliegt im Himmel der Bertug auf und der Boandlkramer muss noch einmal zum Brandner. Er bringt ihn schließlich dazu, das Paradies nur kurz einmal zu besuchen und dann entscheiden zu können ob er bleiben möchte oder nicht. Nach kurzen Problemen mit dem Sündenregister entscheidet sich der Brandner bei seiner Familie zu bleiben und überlässt dem Boandlkramer seinen Kirschgeist.

Ich weiß nicht inwieweit dieses Stück außerhalb Bayerns bekannt ist, aber hier bei uns ist es eines der bekanntesten Volksstücke. Unzählige Inszenierungen und Aufführungen gab es bereits, wobei natürlich die Inszenierung von Kurt Wilhelm aus dem Residenztheater in München unvergessen bleibt. Heutzutage wird meist seine Bearbeitung gespielt und nicht die andere Bearbeitung von Joseph Maria Lutz aus dem Jahre 1934. Über 900 Aufführungen dieses Stücks gab es im Residenztheater, besetzt mit der Creme de la Creme des bayrischen Volksschauspiels, Fritz Strassner als Brandner Kaspar, Toni Berger als Boandlkramer, Gustl Bayrhammer (Meister Eder) als Petrus und so weiter und so weiter.
Vilsmaier hat das Stück massenkompatibler gemacht, sagen wir es so, es wurde einiges in die Hochdeutsche Sprache übersetzt, zudem gab es einige (m.E.) völlig unnötige Änderungen:

Der Brandner ist hier 69/70 Jahre alt, im Original jedoch 72.
Seine Enkelin heißt hier Nannerl, eigentlich jedoch Marei (nein ich habe mich nicht verschrieben)
Toni heißt eigentlich Flori

Und solche unsinnige Änderungen gibt es leider massenhaft. Sonst kann man an der Inszenierung nickt meckern.
Zur Besetzung:
Der Brandner wird von Franz Xaver Kroetz dargestellt, äußerst passend wie ich finde, er bringt die kautzigkeit der Figur sehr gut rüber und gehört zu den besten Darstellern der Figur.

Der Boandlkramer wird von Michael Herbig dargestellt und dabei sind wir beim größten Problem des Films, er passt nicht auf die Rolle. Herbig macht die eigentlich tiefgründige Figur des Boandlkramers zur Lachnummer und wirkt in seinem Job mehr als Hilflos, PURER KLAMAUK :(

Insgesamt keine schlechte Variante und für nicht-Bayern sicherlich besser geeignet als die anderen Filme, trotzdem kommt er nicht an den Flair und an die urigkeit der Vorgänger heran, sprich, mir fehlt das Bayrische! 7/10 Punkten.
Tipp für die Leute die wirklich interessiert sind: schaut euch die alten Versionen an oder den Zusammenschnitt der Luisenburg-Festspiele aus Wunsiedel (https://www.youtube.com/watch?v=-0_ZvMGGTY8), das gefällt mir wesentlich besser!

Re: Zuletzt gesehener Film

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ProfessorDent hat geschrieben:In dem Fall ist es keine direkte Theateraufzeichnung, sie ist in einem Studio entstanden, aber in der Inszenierung und in der Besetzung der Aufführung des Münchner Volkstheaters (1974-2000 in 900 Vorstellungen).
Das ist interessant. Wurde also nicht nur der Auftritt auf der Bühne gefilmt.
Casino Hille hat geschrieben:
Thunderball1965 hat geschrieben:Aufzeichnungen von Theater-Aufführungen sind seltsam.
Echt? Warum?
Finde ich ganz persönlich. Weil Theater-Stoffe für die Aufführung Bühne und nicht für die Aufnahme im Studio geschrieben wurden und sich so auch beschränken. Und dann kommt tatsächlich nur die Aufnahme von redenden Personen heraus. Und es gibt keine Montage, höchstens Aufnahmen aus verschiedenen Einstellungen, die aneinandergereiht sind. Und dann entfremdet es sich umso mehr, denn im Theater sieht man das Stück nur von einem Platz. Im Theater schaut man drauf, im Film schaut man aus verschiedenen perspektiven von mitten drin zu.
Am Ende hat man weder Kino noch Theater, sondern einen seltsamen Zwitter, der weder das eine noch das andere ist.
It's the BIGGEST... It's the BEST
It's BOND

AND BEYOND

Re: Zuletzt gesehener Film

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Last Knights (2015) - Kaz I Kiriya

Wer Carl Rinsch 47 Ronin gesehen hat (und sich im Idealfall sogar dafür begeistern konnte) braucht sich die letzten Ritter gar nicht erst anschauen, denn nicht nur erzählt der Film inhaltlich weitgehend die gleiche Geschichte (eben basierend auf dem alten japanischen Mythos), sondern setzt dies enttäuschenderweise auf jedem filmischen Gebiet mindestens eine Klasse schlechter um. Der Film orientiert sich erkennbar am großen Erfolg von Game of Thrones und siedelt seine "Getreue-rächen-ihren-entehrten-Herren" daher in einer Fantasy-Mittelalter-Welt an, welche in ihrem stilistischen Mix aus europäischen, japanischen und modernen Elementen zuweilen aber etwas inhomogen anmutet. Zudem macht es sich sichtbar negativ bemerkbar, dass nur ein verhältnismäßig kleines Budget für die Produktion zur Verfügung stand. Alles in der Fantasy-Welt wirkt daher entweder spartanisch oder aufgrund wenig überzeugender Tricktechnik künstlich und unecht. Vor allem die Panorama-Shots von Städten, Burgen und Ländereien fallen hier sehr negativ auf. Der entstättigte "Pseudo-Schwarz-Weiss"-Look, der den Film grau und farblos wirken lässt konnte mich auch nicht wirklich überzeugen. Das ist viel (berechtigte) Kritik, wobei dem Film aber anrechnen muss, dass er nie unterdurchschnittlich wird und so halbwegs unterhaltsam bleibt, auch wegen der farbigen Besetzung (a propos farbig: Morgan Freeman in einem halbstündigen Gastauftritt spielt die einzige farbige Figur im ganzen Fantasyreich, ist ja fast wie bei Lucas Sternenkrieger-Galaxis vor 35 Jahren :lol: ). Zudem kann die Action im finalen Teil des Films dann durchaus gefallen, aber in Summe bleibt Last Knights ein biederes und uninspiriertes Möchtegern-Epos, das man so oder so ähnlich schon viel besser gesehen hat.

Wertung: 5,5 / 10

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

5859
Das finstere Tal
Mix aus Heimatfilm und Western mit Sam Riley und Tobias Moretti. Der junge Amerikaner Greider (Riley) möchte Ende des 19. Jahrhunderts den Winter in einem abgelegenen Tal in Tirol verbringen um zu fotografieren. Widerwillig wird er aufgenommen. Beherrscht wird das Tal von der Familie Brenner, Vater mit sechs Söhnen. Nach und nach kommen die Brenners ums leben .... Sehr düster, sehr gut. 8/10.
#Marburg2025

Früher war mehr Atombombe

Re: Zuletzt gesehener Film

5861
Kurzreview:

Hitman: Agent 47

- 6/10

Im Bereich Stil und Action ist der Film ein "Hit" Man ! - Ansonsten ist der Film kein "Hit" Man !
Wahr extrem unterhaltsam und für einen Actionabend genau das richtige. Der Plot ist im Endeffekt nur ein Vehikel um von Actionszene zu Actionszene zu springen. Das typische "Style-over-Substance"-Problem ! Schauspielerische Quantensprünge muss man hier ohnehin nicht erwarten.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

5863
Ich habe Hitman nie gespielt. Deswegen fällt mir da ein direkter Vergleich schwer. Kann mir aber vorstellen, dass eine stylische, substanzlose Baller- und Actionorgie die Fans des Spiels regelrecht enttäuscht hat.

In einer Zeit, in der ich mich wirklich nur von Filmen unterhalten lassen wollte, egal wie schlecht der Film ist, kamen ja auch die beiden Tomb Raider-Verfilmungen mit Angelina Jolie. Ich habe Tomb Raider damals gespielt und beide Filme sind zwar im direkten Vergleich zu den Spielen absolut schlecht - gehören aber seit Ewigkeiten zu meinen Lieblingsfilmen in der "Guilty-Pleasure"-Sektion.

Im Allgemeinen stehen ja Spieleverfilmungen unter einen enormen Druck, da die Gamer-Nerds und Fans des Spiels eine enorme Erwartungshaltung haben, aber nicht bedenken, dass eine Spiel weitaus interaktivere Möglichkeiten bietet, die Story zu erzählen anstatt es ein Film könnte. Das fängt allein schon damit an, welche Geschichte man aus dem Spieleuniversum erzählen möchte und worauf man den Fokus legt.

Dementsprechend bin ich als ehemaliger WOW-Gamer auch auf den Film im Mai gespannt, der auch einigen Spielern vermutlich nicht gefallen wird. Das man als erste Story den Grundkonflikt Menschen/Orks nimmt, die sich gegen einen stärkeren Gegner verbünden müssen, ist ein guter Einstieg. Wenn man dann daraus ein Franchise schaffen möchte, würde ich am liebsten 2 verschiedene Trilogien sehen, die einen roten Faden durch alle Warcraft-Spiele und entsprechende WOW-Addons ziehen können - Eine Trilogie mit der Story um Arthas, dem gefallenen Prinz und Lichkönig UND eine Trilogie um Thrall, dem orkischen Kriegshäuptling und Weltschamanen.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

5864
Eigentlich sind Romanleser viel verbissener als Videospieler in ihren Erwartungshaltungen, deswegen verwundert mich ohnehin, warum man vor der Gamer-Sektion in Hollywood immer so großen Respekt hat. Vielleicht, weil sie konsequenter als die Buchleser sind und schechte Filme auch gnadenlos abstrafen?
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

5865
El Abrazo de la Serpiente (2015, Ciro Guerra)

Heute Nachmittag bin ich endlich dazu gekommen, das neue lokale Independent-Kino einzuweihen, und zwar mit diesem kolumbianischen Abenteuerfilm, der im Aushang des Kinos treffend als "Apocalypse Now am Amazonas" beschrieben wird. Erzählt wird die Geschichte des deutschen Forschers Theodor Koch-Grünberg, der im Jahre 1909 gemeinsam mit seinem treuen Begleiter Manduca und dem einheimischen Schamanen Karamakate eine Reise entlang des Amazonas unternimmt, um eine sagenumwobene Heilpflanze zu finden. Dreissig Jahre später sucht der US-amerikanische Biologe Richard Evans Schultes den mittlerweile alten Schamanen ebenfalls und mit dem selben Ziel auf. Auf den beiden Expeditionen treffen die Reisenden ähnlich wie im konzeptionell ähnlichen Apocalypse Now und dessen literarischer Vorlage Heart of Darkness auf allerhand von der Welt abgeschiedenen Irrsinn (der im Besuch bei einem kranken, selbstmörderischen Kult um den angeblich wiedergeborenen Messias in einer alten spanischen Missionarssiedlung seinen Höhepunkt erreicht), Selbstfindung und wird der in wunderbarem Schwarz-Weiss fotografierte Regenwald mit all seinen Geräuschen, Formen, Geheimnissen und Gefahren zu einem weiteren Protagonisten. Der Film setzt sich aber auch philosophisch mit der Begegnung zwischen den einander fremden Kulturen auseinander und lässt die einzelnen Charaktere versuchen, sich gegenseitig, aber auch das Phänomen des südamerikanischen Urwaldes auf ihre individuelle Weise zu verstehen. Die Übergange zwischen den Zeitebenen sind einfallsreich und der Film mit seinen denkwürdigen Kamerafahrten, der geheimnisvollen Dschungelatmosphäre und dem behutsamen Erzählfluss stark inszeniert. Interessanter Film, hat Spass gemacht.

Wertung: 8 / 10

We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.