Hier kann ich mich @craigistheman nur anschließen.
DER SPION, DER MICH LIEBTE
TSWLM atmet den Geist von YOLT. Und TSWLM sprudelt dabei vor Ideen.
Denn diesmal wird nicht Action an Action gereiht, oder wird es keine späte Konfrontation zwischen 007 und einem Bösewicht geben, dem zu wenig Zeit zur Entfaltung gelassen wird. Der Bösewicht ist von Anfang an präsent. Karl Stromberg sitzt in seinem Sessel in Atlantis, seine Taten werden durch seine Leute ausgeführt. Im Vorgänger war der Handlanger des Bösewichts kleinwüchsig und illoyal, diesmal ist er größer als 007, physisch überlegen und mit einer Besonderheit ausgestattet. TSWLM ist in vielen Dingen gleichzeitig konventionell wie kreativ. (Interessanter Nebenaspekt: Während Blofeld ein Erpresser ist, handelt Stromberg ideell.)
Es passt auf die Moo7re-Rolle, dass ihm sein Gegner körperlich überlegen ist, sodass Bond tatsächlich recht kreativ sein muss, um ihn zu besiegen. Daneben gibt es zur Balance noch einen Handlanger, gegen den sich 007 ohne übliche Tricks durchsetzen kann. Die Actionszenen werden so getimt, dass sie sich an den Szenen dazwischen orientieren und die Dramaturgie so nicht durch eine Überflutung stören, sondern ergänzen und verstärken, und damit Wirkung bekommen.
Wie bereits festgestellt, wird Bonds Charakterzeichnung durch seltene, aber prägnante härtere Momente verstärkt, mit denen der Humor ausbalanciert wird. Für die diesmal große Menge an Humor, Sarkasmus und Doppelbedeutungen (wovor der Film sprudelt), gibt es sogar mehrere Szenen, in denen der Mann (und Witwer) mit der Lizenz zum Töten in 007 zum Vorschein kommt.
Dem Zeitgeist bzw. der Ost-West-Annäherung gemäß darf sich 007 diesmal einer russischen Agentin annähern – sie arbeiten zusammen und gegeneinander zugleich; eine charmante Mischung aus Unterstützung und Rivalität ist das Ergebnis. (Agentin XXX ist in der deutschen Fassung gelungener, im Original stört B. Bachs mutlose Sprache.)
Besonders interessant ist die Variation von Elementen der Vorlage (?) YOLT, wobei die Parallelen sehr stark sind. Statt einem Raumschiff wird ein U-Boot verschluckt – vom (zweit?-)größten Tanker der Welt. Dieser ist, genau wie Atlantis, Schauplatz eines (Massen-)Kampfes. Dieser ist systematischer aufgebaut, keine Figur an einem unpassenden Ort. Auch in YOLT wurde Bonds Ehefrau (es war eine Ehe zur Tarnung) als eine der besten Agentinnen bezeichnet, wovon sie wenig bis nichts zeigt. Wieder etwas, wobei die beiden Filme sich so nah und doch so fern sind. Dazu kommen uniformierte Bösewichtsschergen und ein Schienensystem im gigantischen Bösewichtsversteck.
Ein Unterschied zwischen YOLT und TSWLM zeigt sich aber in der Musik: War hierfür 1967 noch J. Barry zuständig, kam sie hier von M. Hamlisch, dessen Filmmusik eine Mischung aus besonderer Betonung von Sensationen sowie eine Mischung aus Bond-typischen Klängen mit 70er-Disco-Beat bietet.
Trotzdem ist der Film manchmal dramaturgisch schwach (Jetski ex-Machina) oder wirkt in seiner eigenen Realität unglaubwürdig (sind Strombergs Leute nicht in den Plan eingeweiht oder warum ändern sie den Zielort für ihre Raketen ohne Bedenken? Dazu wird bestimmt nicht „nur“ das Meer verseucht, wenn Atomraketen dort explodieren).
Es scheint, als habe das Filmteam um L. Gilbert YOLT erneut gedreht – diesmal aber nach Lösungen für Probleme dieses Films gesucht und sie korrigiert. Hinzu kommt die anders besetzte Hauptrolle, die durch eine ergänzte Figurenkonstellation ausbalanciert wird. Der Film nutzt prinzipiell nur Elemente seiner Vorgänger, setzt diese ungewohnt konsequent um – die Gigantomanie des Films wird durch den Bösewicht vorgegeben. Das Ergebnis ist ein sehr abwechslungsreicher und kompletter Bondfilm.
Außerdem:
https://youtu.be/2QRZZK9kd-c
Und:
https://youtu.be/B9IPhAYahIg