(500) Days of Summer
Rätsel: Welcher Film handelt von einem hoffnungslosen Romantiker, der sich in Los Angeles in die geheimnisvolle neue Fremde verliebt, sie irgendwann verliert und zurückerobern will? Okay, hört auf aufzuzählen. Tatsächlich gibt es wohl kaum ein Handlungsgerüst, dass langweiliger und vorhersehbarer ist, als das der klassischen romantischen Komödie (selbst das ausgelutschte "Teenager feiern Party in Blockhütte"-Horrorszenario wirkt dagegen oft noch unverbraucht). So ist es auch kaum verwunderlich, dass große Teile des Publikums schon automatisch die Augen verdrehen, wenn die nächste Ausgabe dieses Genres das Licht der Welt erblickt. Manchmal braucht man daher erst einen Regieneuling aus dem Musikvideo-Business, um frischen Wind und einen Hauch Innovation in die aufgestaute Langeweile zu bringen. So geschehen unter dem Kommando von Marc Webb bei "(500) Days of Summer".
Das Drehbuch selbst mag auf den ersten Blick nicht die Stärke der Produktion sein, verläuft es doch nach eben jenem Schema, welches jeder geregelte Kinogänger gebetsartig aufsagen kann. Erst nach und nach entlarvt Webb seinen Film als etwas geschickter, klüger. Bereits die anfängliche Ankündigung einer Erzählstimme, es handle sich bei dem folgenden Film nicht um eine Liebesgeschichte, wird den ein oder anderen Zuschauer irritieren. Und diese leichte Unsicherheit wächst stetig weiter, sobald Webb beginnt, die Chronologie seines Filmes auf den Kopf zu stellen. Immer durch die Zahl des aktuellen Tages (1-500, also die 500 Tage, über die sich die Erzählung des Filmes erschreckt) eingeleitet, springt er wild vor und zurück, erlaubt uns immer wieder einen Blick auf die drohende Zukunft der bevorstehenden Trennung, um uns dann wieder in der Sicherheit der anfänglich noch idyllischen Romanze zu wiegen. Ganz grandios der Moment, als der Protagonist nach der ersten gemeinsamen Nacht mit seiner Herzensdame in einer flotten und unerwarteten Musicaleinlage durch die Straßen von Los Angeles tanzt und die ganze Stadt mit seiner guten Laune ansteckt, bis zu dem Moment, an dem Webb einen Zeitsprung 300 Tage in die Zukunft macht und wir denselben lebensfrohen Kerl plötzlich als depressives Wrack nach seiner Trennung sehen. Natürlich nutzt sich dieses ständige Hin und Her im Verlauf der 95 Minuten irgendwann ab, doch ist es als Stilmittel lange Zeit effektiv genug, um "(500) Days of Summer" gekonnt von seiner Genrekonkurrenz abzuheben.
Ebenfalls eine Besonderheit neben der unchronologischen Szenenfolge ist der Realismusgehalt der Geschehnisse. Erinnern die meisten Romantic Comedys oft an moderne Märchen für frisch verliebte Pärchen, ist "(500) Days of Summer" zwar nicht komplett frei von jeglichen Klischees, doch entwickelt sich die Beziehung der beiden Hauptfiguren nach den ersten Annäherungen nicht selten in eine Richtung, die man nicht immer unbedingt erwartet, die aber durchaus griffig erscheint, weil vieles wie aus dem Leben gegriffen wirkt und (trotz einiger gekünstelter Exemplare) viele Dialoge angenehm kitschfrei verlaufen. Zum Realismus trägt auch das enorm nuancierte Spiel von Joseph Gordon-Levitt bei, der als Tom Dreh- und Angelpunkt der Erzählung und in jeder einzelnen Szene anwesend ist, gefühlt gibt es keine Einstellung, in der ich nicht im Bild zu sein scheint. Gordon-Levitts Minenspiel bleibt dabei fast immer auf simple Gefühlsregungen reduziert, die er allerdings durch eine schön differenzierte Sprechweise authentisch rüberzubringen weiß. Seine Spielpartnerin Zooey Deschanel kann als (nicht nur sexuell) emanzipierte titelgebende Summer schauspielerisch ebenfalls überzeugen und gibt gekonnt das Mysterium Frau in einer Person zusammengefasst, bekommt aber enttäuschend wenig zu tun und wirkt am Ende leider etwas verschenkt. In weiteren Nebenrollen tummeln sich bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen, wie etwa Matthew Gray Gubler oder Clark Gregg (Agent Coulson im "Marvel Cinematic Universe"), die allesamt einen passablen Job machen.
Passend zur kitschfreien Attitüde der Handlung erlaubt sich Webb mehrere inszenatorische Besonderheiten, wobei vor allem eine herausragende Szene gefällt, in der Tom von Summer auf eine Party eingeladen wird. Durch einen Split Screen zeigt uns Webb auf der linken Seite die romantischen Erwartungen Toms, während rechts der tatsächliche Ablauf der Party gezeigt wird, sodass die Enttäuschung Toms für den Betrachter nachvollziehbar wird, aber gleichzeitig die Szene auch eine gewisse Komik beinhaltet. Genau diese Balance zwischen Drama und Humor hält Webb souverän in der Hand, verlässt sich hier aber dann doch etwas oft auf Klischees und Standards, was allerdings dennoch die meiste Zeit funktioniert. Schade ist ein wenig, dass Webbs Hintergründe als Musikvideo-Regisseur ihn an einigen Stellen einzuholen scheinen. Während das Protrait der Stadt Los Angeles, welches er zeichnet, zu überraschen weiß und man zurecht sagen kann, dass die Stadt der Engel selten so unglamourös gezeigt wurde, fällt der Musikeinsatz durch seinen dicken Kitsch, den man eher in den konventionellen Genreablegern vermuten würde, schwer negativ ins Gewicht. Allgemein ist der Score von Mychael Danna und Rob Simonsen an manchen Stellen zu dick aufgetragen, doch Songs von Simon & Garfunkel oder Hall & Oates erwecken eben jenen Selbstzweck-haften Eindruck, den die Regie ansonsten bei der Verwendung ihrer Stilmittel gekonnt umging. Schade.
Fazit: Wer von der Freundin stets dazu genötigt wird, sich mit ihr vor dem heimischen TV-Bildschirm durch Horden von rosafarbenen Feel-Good-Movies zu quälen, dem sei "(500) Days of Summer" unbedingt ans Herz gelegt, hat er doch durch seinen ungezwungenen Charme und seine realistische Verordnung in einer so gar nicht idealisierten Welt das Potenzial, Männer und Frauen gleichermaßen zu verzaubern. Zooey Deschanel und ganz besonders Joseph Gordon-Levitt als Hauptdarsteller finden ähnlich wie die Regie stets den richtigen Weg zwischen Romantik, Drama, Humor und einer sanften Prise Kitsch, sodass man gerne mit den beiden bis zum überraschenden Ausgang mitfiebert. Marc Webb präsentiert mit seinem Regiedebüt eine gelungene Abwechslung zum üblichen Frauenfilm-Kinoprogramm, bleibt fairerweise allerdings dann oft zu nah an Konventionen, um einen wirklichen Klassiker hinzulegen. Für einen vergnüglichen Abend reicht es aber allemal.
7/10
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