GoldenProjectile hat geschrieben: 4. März 2022 12:30
Die Darsteller und Figuren sind grösstenteils exzellent. Pattinsons Batman-Präsenz ist eine Wucht (und sein erster Auftritt inszeniert ihn bei aller Schlichtheit wie eine alptraumhafte Urgewalt) und sein eremitischer Bruce Wayne ergänzt das. Zoë Kravitz finde ich von der Besetzung und der Rolle her perfekt, Catwoman scheint direkt einem Comic von Jeph Loeb entsprungen. Ein Highlight ist natürlich auch Colin Farrells Penguin, der erfreulicherweise präsenter und prominenter Auftritt als erwartet. Paul Dano als Riddler ist trotz überwältigender (und im Nu verfliegender) Laufzeit von drei Stunden nicht immer ganz zu Ende gedacht, bzw. wirkt es als ob man hier nicht Zeit und Raum hatte, wirklich alles zu zeigen wie beispielsweise bei Ledgers Joker, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die einzige Besetzung, die für mich zumindest etwas gewöhnungsbedürftig war, ist John Turturro als Falcone.
Pattinson ist "der Schwachpunkt" im Ensemble, obwohl er mich nicht stört, aber sein Bruce Wayne ist komplett 'one note' als Charakter. Wann immer er nicht im Anzug steckt (und das ist zugegeben nicht so oft), ist er irgendwo zwischen lethargisch und komatös. Affleck war in "Batman v Superman" ähnlich unterwegs, tumb und ohne viel Variation im Spiel. Für "The Batman" ergibt das charakterlich und dramaturgisch sehr viel mehr Sinn und ich mochte es sogar, wie sie Bruce Wayne anlegen, aber viel zu tun hat er nicht. Er ist größtenteils einfach nur da. Kein Vergleich zum überragenden Michael Keaton oder dem starken Christian Bale – aber die hatten eben auch mehr Material zum Spielen.
Beim Rest bin ich dabei: Kravitz ist richtig gut und Farrell ist als De Niro Verschnitt absolut sensationell. Ich mochte auch John Turturro, da spielt Reeves auch interessant mit dem Typecasting, in dem Turturro sonst so unterwegs ist. Dano ist gut, hat aber streng genommen nur eine echte Szene und ist in der zwar intensiv, aber eben auch nur sehr temporär.

Andy Serkis hat übrigens auch kaum zu tun, spielt seine eine richtige Szene aber bärenstark. Der Star des Films ist dennoch in meinen Augen Jeffrey Wright, der schlagartig mein liebster Gordon geworden ist: Ein Partner auf Augenhöhe mit Batman, ein rechtschaffener, cleverer, aber verschlossener Typ – der vielleicht deshalb im geheimnisvollen Kapuzenrächer seinen wahren Verbündeten erkennt.
GoldenProjectile hat geschrieben: 4. März 2022 12:30
Der Ansatz ist eine moderne und aktuelle Verarbeitung des Batman-Mythos, die selbigen aber trotzdem akkurater erfüllt als die Nolan-Verfilmungen, die (ganz besonders The Dark Knight - denn so homogen wie sie oft gemacht werden sind die drei Filme nicht) eher daran interessiert sind, Batman in einer möglichst realen Welt zu verorten. Der Batman-Kosmos war aber immer schon, trotz nur punktueller Fantasy-Elemente, eine die Grenzen auslotende, bizarre Reflektion einer realen Welt, und darin ist Reeves' Film sehr stark und stimmig.
Jain.

Verarbeitung des Mythos – okay. Aber vor allem ist der Film eine Kritik am Heldentum oder besser: Er versucht medienkritisch, die Popularität des Superheldenkinos zu hinterfragen. Vieles davon wird erst im dritten Akt ersichtlich (und das darf dem Film als Vorwurf ausgelegt werden, da er sich in Teilen in dem suhlt, was er später als kritisch zeigen will), aber letztlich zeigt Reeves hier, warum Superhelden als Vorbilder (und sie sind DIE popukulturellen Vorbilder des 21. Jahrhunderts bislang) vielleicht nicht so ideal sind wie man meinen könnte. Sein Film ist voller aktueller Bezüge, erinnert an Christchurch oder den Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 und hinterfragt Batman als Katalysator dieser Gewalteskalationen. Nolan hat das auch zu erzählen versucht, aber bei ihm überwog immer der Glaube an das Gute. "The Dark Knight" beispielsweise ist wie eine griechische Tragödie aufgezogen (mit einem Batman, der sich opfern muss, um die Ordnung aufrecht zu erhalten), aber dieses persönliche Opfer verstärkt ja nur sein Heldentum für uns allwissende Zuschauer.
Reeves hingegen zeigt auf, warum jeder Versuch, eine soziale Ordnung durch Gewalt zu erhalten, zwangsläufig zu einem gewalttätigen Machtdiktat führen wird. Und genau das hat er schon in den "Planet of the Apes"-Filmen verhandelt. Auch da war Caesar trotz seiner noblen Absichten Teil des Problems und konnte nicht Teil der Lösung sein. Während Bruce Wayne als Milliardär bei Nolan also stets als Vertreter des Establishments mit der Faust die althergebrachte Ordnung verteidigte oder in "The Dark Knight Rises" gar zurück erprügelte, werden in "The Batman" seine Privilegien immer wieder in Frage gestellt und sein Status als möglicher Dunkler Ritter für die Gerechtigkeit klar angegriffen. Seine Schuhe (Springerstiefel), sein Auftreten aus den Schatten in seiner ersten Szene, seine Wirkung auf die Zivilbevölkerung, seine Behausung (ein riesiger Turm, in dem er die Stadt alles sehend überragt), all das ist einerseits Macho-Kino, andererseits aber auch bedrohlich und teils dem Horrorfilm entnommen. Ist das noch Batman als Dektektiv oder schon Batman als Faschist?
Stark war diesbezüglich eine tolle Szene mit Catwoman, die seine bekannte "Eine Regel", nämlich, dass er nie tötet, thematisiert. Statt im alten moralischen Duktus zu verharren, nachdem Batman durch seine Abscheu tödlicher Konsequenzen erst zum Helden werde (wie es Nolan darstellte), lässt Reeves durch Selina Kyle eine andere Wahrheit formulieren: Niemanden zu töten und sich immer rechtschaffen und gesetzestreu zu geben, muss man(n) sich erstmal leisten können. Und Bruce Wayne kann sich vieles leisten.
Macht (und Reichtum) kann niemals unschuldig sein. Mit der Erkenntnis geht man finde ich aus dem Film und das ist ein großes Glück und ein neuer Ansatz, den andere Superheldenfilme noch nicht einmal im Ansatz begriffen haben. Wenig überraschend zitiert Reeves in einer Szene fast 1:1 einen ikonischen Moment aus der Graphic Novel "Watchmen" von Alan Moore und Dave Gibbons, die schon 1986 die Superhelden-Erzählmuster ähnlich kritisch unter die Lupe nahmen. Und Reeves hat auch verstanden: In einem Post-Trump-Amerika, in einer Zeit nach Irak und Afghanistan, sind unsere Helden alles, aber definitiv nicht mehr unschuldig.