Casino Hille hat geschrieben:Bin gespannt auf deine Meinung, sobald du ihn gesehen hast.
Gestern Abend war es so weit. Mit 3 Freunden besuchten wir um 20 Uhr den kleinsten Kinosaal des Kinos, in dem letztendlich genau 9 Plätze belegt waren, konnte ich den Film, auf den ich schon seit über einem halben Jahr warte, nur weil ich gern wieder einmal einen meiner Lieblingsschauspieler, Michael Keaton, in einem Film sehen wollte, endlich schauen. Und: Es hat sich gelohnt.
Ach ja: Spoilerwarnung.
Birdman war ein außergewöhnlicher Film. Kein Experiment, sondern das Produkt aus Erfahrungen aus Experimenten.
Klang jetzt wieder etwas abgehoben
Was nach etwa 5 Minuten auffiel: Birdman weist die kreativste Schnittechnik seit langem auf. Wir begleiten superb eingeführte Charaktere rund um den Broadway. Riggan zB. sieht man in seiner ersten Szene einfach nur dasitzen. Wo eigentlich? Egal, denn Michael Keaton ist überragend als Riggan – oder als Birdman – in der Rolle zumindest, in der seine Figur, ein Schauspieler – nein, ein Filmstar – seinen letzten großen Superheldenfilm 1992 gedreht hat. Ich steh‘ total auf Arbeit mit dem Material, und hier greifen Regie, Buch und Darsteller ineinander, wie selten in anderen Filmen.
Dann lernen wir seine Tochter, später seinen „besten Freund, Anwalt und Produzenten“ kennen. Irgendwann auch noch einen Schauspieler, der auf der Bühne zwar brillant ist, wenn er ganz er selbst ist, aber sein Umgang ansonsten mehr als schwierig wird. „Interessiert es dich nicht, was andere von dir denken?“ – „Nein.“ – „Find‘ ich cool.“
Dieser Punkt geht absolut an die Regie: Nutzung filmischer Mittel (Schnitt) zum Eindruck eines (Broadway-)Theaterstücks (in dem nicht geschnitten werden kann).
Weiteres großes Plus: Der Dialog. Und nein, nicht durchgängig wird von Schauspielern, die auf „Nonnen in Windeln“ stehen, geredet, dadurch stechen eben solche Stellen heraus. Rege, Drehbuch und Schnitt können sich sehen lassen. Und ich rede nicht davon, dass man auf schwarzen Humor stehen muss, um diesen Film zu genießen; Birdman funktioniert nur mit diesem.
Zu Anfang des Films beispielsweise kritisiert Riggan Sam für ihre „zynischen Freundinnen“, um später seinen „besten Freund, Anwalt und Produzenten“ anzuhören, in etwa: „Ich bin glücklich, mein bester Freund ist am Leben, und ach ja, die Kritikerin lobt unser Stück in den Himmel“ (was gerade in jener Situation das Wichtigste sein dürfte).
Und letztendlich auch ein Lob dafür, dass den Schauspielern genug Freiraum gelassen wird. Nur die Dialoge, die wirklich nötig sind, schaffen es ins fertige Werk, den Rest erledigen Keaton, Norton & Co. So viele Freiheiten würden sich Schauspieler auch von anderen Regisseuren wünschen.
Soviel zum Rahmen, und inhaltlich lässt sich genug über Kino- und Theaterpublikum, Erfolg, Kritiker; Presse; etc. etc. sagen; mit Birdman wird ein breites Spektrum von Kritik am Showbusiness insgesamt abgedeckt, und dabei hält die Regie die Balance, dass stets das Drama um einen gealterten ehemaligen Superhelden-Darsteller sowie seinem Streben nach Bewunderung und Anerkennung im Vordergrund steht.
Wiederholungen sind langweilig, das meiste findet man ohnehin in Casino Hilles Kritik, auf meiner 8er-Skala schwanke ich zwischen 8 und 9.
Michael Keaton erzählte in einem Interview, er habe den Film Jack Nicholson gezeigt, dieser soll gesagt haben, er sei froh, dass Michael diesen Film gedrehthat, so müsse er das nicht mehr tun. Ich glaube, ich verstehe, was damit gemeint ist.