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Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 15:00
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben: um über die Unterschiede zu reden reden reicht Schnittberichte.com
Dann kennt man zwar die Unterschiede, nicht aber die Wirkung, die sich dadurch ergibt. Ich finde schon, dass der Film in der Kinofassung eine merklich andere Wirkung hat, als im DC/FC (ich kenne auch "nur" diese drei Fassungen, wobei ich die Unterschiede zwischen DC und FC als eher kosmetischer Natur ansehe). Kein gänzlich anderer Film, das ist natürlich klar, aber der Film wirkt schon recht unterschiedlich auf mich.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 15:12
von Maibaum
Auf mich nicht, wobei die KF aber auch schon Jahrhunderte zurückliegt. Da habe ich den Film jedoch noch schwächer eingeschätzt als später, aber ich bezweifle daß das an der Fassung lag.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 15:19
von Maibaum
AnatolGogol hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Allerdings frage ich mich dann, wie Ford dann dort auftauchen soll. Gibt es auch Deckard-Replikanten im Rentneralter? :lol:
Sowas kann man doch problemlos mit einem off-Kommentar von Ford lösen: "Tyrell hatte mir gesagt, dass er bei mir keine begrenzte Lebensdauer eingebaut hat - kein Enddatum." :lol:

Maibaum hat geschrieben: Der Film braucht das nicht, und ich empfinde es als falsch, wie so manches andere auch in Blade Runner.
Warum sollte er ausgerechnet J.F. Sebastian leben lassen? Den asiatischen Augenfritzen hat er ja auch ohne Grund plattgemacht. Zudem ergibt sich daraus noch ein weiteres spannendes Motiv: Batty tötet mit J.F. quasi "seinesgleichen", da dieser ja auch nur eine sehr begrenzte, verkürzte Lebenserwartung hat.
Das ist aber sehr konstruiert.

Wenn Batty anfängt menschlich zu werden, also ein Gefühl für seine Vergänglichkeit zu entwickeln, und dann anfängt gegen seine Programmierung zu verstoßen, also aus einem Bewußtsein heraus handelt, dann muß er auch ein Gefühl dafür entwickeln was er macht. Daß er seine(n) Schöpfer tötet ist eine Sache, aber dann müsste er eben auch anfangen dabei zu differenzieren. Und der Augentyp war da ja anders als J.F., der ihm und Pris geholfen hat, der sympathisch war, und dessen Tod keine Sinn hat. Wie gesagt, es fühlt sich falsch an für mich.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 15:36
von Casino Hille
Maibaum hat geschrieben:Auch Battys Nagelschmerzszene ist großer Unsinn, denn davor darf er noch ausgiebig seine Schmerzunempfindlichkeit demonstrieren.
Im Gegenteil. Ich glaube, du hast die Szene da missverstanden. Roy handelt hier wenn du so willst psychologisch gesprochen aus Adaption heraus (was seine Menschwerdung im dramentheoretischen Ansatz bereits vorweg nimmt), er imitiert menschliches Verhalten (hier könnte man Scott wenn überhaupt vorwerfen, dass eine Szene fehlt, in der Roy dies von Unverständnis geprägt beobachtet). Tatsächlichen Schmerz empfindet er dabei allerdings nicht, auch wenn sein gequälter Gesichtsausdruck das aussagen könnte, in Wahrheit aber wieder nur der Imitation entspricht. Später erwähnt er sogar während Deckards Kletterpartie, dass sein Verhalten irrational war, woraus deutlich (genug) wird, dass sein Versuch, sich hier dem Menschen anzunähern gescheitert ist. Dies gelingt ihm erst in dem Moment, in dem er sich entscheidet, Deckard das Leben zu retten und damit nicht nur die menschlichste aller Handlungen vollführt, sondern sogar über den Menschen hinauswächst. Menschlicher als der Mensch, wie Tyrell sagt.
AnatolGogol hat geschrieben:Ich würde es eher so formulieren, dass er in seinem Film etwas anderes gesehen hat als das, was die Kinofassung rüberbringt, beabsichtigt oder auch nicht.
Nun ja, aber das widerspricht ja meiner Auffassung nicht zwingend. Sicher mag Scott ursprünglich andere Intentionen gehabt haben und möglicherweise hat er vieles seiner Ursprungsvisionen noch in Blade Runner zu finden geglaubt, mit den geringfügigen Änderungen, die er im Directors und oder Final Cut allerdings gemacht hat, entsteht ein Mischling aus der tatsächlichen Kinofassung und Scotts möglicherweise ursprünglich vorhandenen Überzeugungen. Der Final Cut ist in sich nicht sonderlich schlüssig alleine durch die Umkehrung der Deckard-Figur, wie Maibaum sehr stimmig aufgezeigt hat. Wenn, dann hätte Scott eben noch gravierender in den Film eingreifen müssen, um dies wirklich sinnig darzustellen. Da Scott aber dennoch zufrieden mit dem Final Cut zu sein scheint, scheinen seine Visionen entweder so unausgegoren gewesen zu sein oder (auch wenn das natürlich arroganter klingt als gemeint) er versteht in der Tat nicht so recht, was er da eigentlich ändert und was das mit dem Film macht.
Agent 009 hat geschrieben:Das der Final Cut hier so schlecht wegkommt, das schockiert mich aber.
Wie gesagt: Aus der Sicht der Kinofassung ist der Final Cut an sich in seiner gravierendsten inhaltlichen Änderung völlig unsinnig und auch losgelöst davon würde mir dieser Handlungsaspekt nicht schmecken, weil er kein bisschen in die Thematiken passt, die der Film ansonsten immer wieder anspricht. Der Final Cut (natürlich auch der fast identische Directors Cut) ist eben um ein Vielfaches unlogischer und vor allem banaler. Für mich verliert Blade Runner in dieser Version (durch Einhorn und fehlende Shining-Fahrt) einen bedeutenden Teil seiner inhaltlich/philosophischen Komplexität (wenn man ihn aber, wie etwa Maibaum oder Goldi, eh nur als visuellen Genuss empfindet, mag einen das sicherlich deutlich weniger tangieren). Über die Off-Kommentare mag man geteilter Meinung sein: ich finde sie in ihrem Noir-Touch großartig und würde Maibaums Kommentar keinesfalls teilen, dass es sich bei diesen um "Erklärungen" des Filmes handelt, aber man kann das natürlich auch nicht mögen und eher die Stille präferieren.
Maibaum hat geschrieben:Und der Augentyp war da ja anders als J.F., der ihm und Pris geholfen hat, der sympathisch war, und dessen Tod keine Sinn hat.
Genau, sein Tod hat eben keinen Sinn, es ist der Beginn der Irrationalität in der Adaption menschlicher Verhaltensmuster seitens Roy. Da sehe ich nun wirklich überhaupt keine Probleme, ganz im Gegenteil, der Roy-Charakter ist in seinem ganzen Verhalten für mich vollkommen logisch und sehr befriedigend. Ein angenehm komplexer Charakter, so wie ich ihn in klassischer Sci-Fi gerne habe. Wenn etwas in Blade Runner für mich emotional nicht so aufgeht, wie es vermutlich sollte, dann ist das die Liebesgeschichte/Romanze zwischen Ford und Rachael. Hier bin ich mir jedoch umschlüssig, ob das nicht zumindest teilweise so gewollt sein könnte.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 16:14
von Agent 009
Hilfe. Also, welche Fassung schlagt ihr vor? Maibaum? Hille?

KF, DC oder Final Cut? Ich blick nicht durch.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 16:37
von Casino Hille
Maibaum scheint den Final Cut zu favorisieren. Der ist in meinen Augen aber extrem unausgegoren. Der Directors Cut unterscheidet sich wirklich nur minimal vom Final Cut, im Final Cut ist einfach etwas mehr Gewalt und etwas Effektkorrektur, ansonsten ist es dieselbe Fassung. Ich favorisiere die Kinofassung, mit erweitertem längeren Ende, Deckards Off-Kommentaren im Film Noir Stil und der Eliminierung des Einhorn-Traums zu Gunsten einer Fokusverschiebung bei der Identitätsfrage des Ford-Protagonisten.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 16:45
von vodkamartini
Habe eine Box mit allen Fassungen, aber wie gesagt ewig nicht gesehen. Aus der Erinnerung heraus würde ich die Kinofasssung empfehlen.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 16:59
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben:Und der Augentyp war da ja anders als J.F., der ihm und Pris geholfen hat, der sympathisch war, und dessen Tod keine Sinn hat. Wie gesagt, es fühlt sich falsch an für mich.
Er hat Batty geholfen? Das ist mir entgangen. Es sei denn, du meinst alles was er machte, nachdem Batty ihn eingeschüchtert hat. Dass er ihn zu Tyrell bringt ist doch ganz klar unter Zwang. Von daher sehe ich wirklich keinen Unterschied zum Augentyp, denn wenn J.F. Batty geholfen hat, dann hat es der Augentyp ja auch. Batty handelt in beiden Fällen gleich: einschüchtern, ausnutzen, töten. Ein klares Muster.
Agent 009 hat geschrieben:Hilfe. Also, welche Fassung schlagt ihr vor?
ganz ganz klar Kinofassung.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:08
von Casino Hille
AnatolGogol hat geschrieben:Batty handelt in beiden Fällen gleich: einschüchtern, ausnutzen, töten. Ein klares Muster.
Okay, das kann man in der Tat auch so interpretieren und es ist sogar der einfachere Weg. Dennoch denke ich, dass an meinem Wut-Aspekt durchaus ebenfalls etwas dran ist, und das hier die Menschwerdung Roys bereits eingeläutet wird. Womit ich jetzt nicht sagen will, dass deine Sicht nicht richtig ist, sondern nur, dass ich es interessant finde, dass Blade Runner hier durchaus mehr als eine Interpretation offenlässt. Übrigens möchte ich deinem Lob für Scott noch mal zustimmen: im Vergleich mit Lucas finde ich es auch sehr lobenswert, dass die KF heute noch erhältlich ist und man so nicht gezwungen ist, Scotts Favoritenversion hinzunehmen, wie GL es ja leider praktiziert. :roll:
vodkamartini hat geschrieben:Habe eine Box mit allen Fassungen
Das kann ich auch nur jedem empfehlen. Im Zweifel wirklich sowohl KF als auch Final Cut begutachten und selbst entscheiden. Der Directors Cut ist allerdings völlig überflüssig, wie gesagt ist es bereits der Final Cut ohne die von Scott später vorgenommene Feinjustierung.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:08
von Maibaum
Agent 009 hat geschrieben:Hilfe. Also, welche Fassung schlagt ihr vor? Maibaum? Hille?

KF, DC oder Final Cut? Ich blick nicht durch.
Scheißegal.

Schau erst mal was es überhaupt zu kaufen gibt. Die normale DVD/Blu ist der FC. Der DC müsste dann die ältere DVD sein, und den Rest gibt es glaube ich nur in einer Komplettbox.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:10
von GoldenProjectile
Hier wurde ja schon ein paar Mal der Bezug des Kinofassungs-Endes zu The Shining angesprochen - ich weiss zwar nicht ob das eher scherzhaft gedacht war oder ob ihr die Hintergrundinformationen kennt, aber in diesem Interview redet Scott über Filmmaterial aus Shining, das ihm Kubrick zur Verfügung gestellt hat, auch wenn ich nicht alles so genau verstehe was Scott da von sich gibt (ab 24:40).


Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:11
von Maibaum
AnatolGogol hat geschrieben:
Maibaum hat geschrieben:Und der Augentyp war da ja anders als J.F., der ihm und Pris geholfen hat, der sympathisch war, und dessen Tod keine Sinn hat. Wie gesagt, es fühlt sich falsch an für mich.
Er hat Batty geholfen? Das ist mir entgangen. Es sei denn, du meinst alles was er machte, nachdem Batty ihn eingeschüchtert hat. Dass er ihn zu Tyrell bringt ist doch ganz klar unter Zwang. Von daher sehe ich wirklich keinen Unterschied zum Augentyp, denn wenn J.F. Batty geholfen hat, dann hat es der Augentyp ja auch. Batty handelt in beiden Fällen gleich: einschüchtern, ausnutzen, töten. Ein klares Muster.
Er hat Pris geholfen, und er wirkte auch danach hilfsbereit. Ich hatte nicht den Eindruck daß er Batty unter Zwang hilft. Er war ein netter Kerl, und ihn zu töten war sinnlos.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:17
von AnatolGogol
GoldenProjectile hat geschrieben:Hier wurde ja schon ein paar Mal der Bezug des Kinofassungs-Endes zu The Shining angesprochen - ich weiss zwar nicht ob das eher scherzhaft gedacht war oder ob ihr die Hintergrundinformationen kennt, aber in diesem Interview redet Scott über Filmmaterial aus Shining, das ihm Kubrick zur Verfügung gestellt hat, auch wenn ich nicht alles so genau verstehe was Scott da von sich gibt (ab 24:40).
In der Kinofassung fahren Deckard und seine Holde durch die gleiche Landschaft (da das Material aus Shining) wie Jack und seine Sippschaft auf dem Weg zum Overlook-Hotel. Irgendwoher musste Sie ja das Material nehmen, um Ridleys Fassung zu verbessern. :lol:
Maibaum hat geschrieben:Er hat Pris geholfen, und er wirkte auch danach hilfsbereit. Ich hatte nicht den Eindruck daß er Batty unter Zwang hilft. Er war ein netter Kerl, und ihn zu töten war sinnlos.
Also hilfsbereit wirkt er mich auch nicht, als er Batty sieht. Er ist doch ganz klar sofort verängstigt (und mit Recht!) und versucht irgendwie aus der gefährlichen Situation zu kommen. Ich finde J.F.s Ende eine sehr starke Szene, weil sie eindringlich zeigt, dass es kein Entkommen vor Batty gibt und man nicht auf sein Mitgefühl zählen kann, nur weil man kooperiert hat.

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:20
von Casino Hille
GoldenProjectile hat geschrieben:Hier wurde ja schon ein paar Mal der Bezug des Kinofassungs-Endes zu The Shining angesprochen
Also Eric, dieses in der KF verwendete Ende, welches Anatol beschreibt, war nicht jenes, welches Scott damals eigentlich veröffentlichen wollte (dies kann man nun im Final Cut begutachten und ist auch in der KF enthalten, nämlich die dort vorletzte Szene, als die Fahrstuhltüren sich hinter Deckard schließen), sondern viel mehr einem Eingreifen des Studios geschuldet, welches den Film wohl optimistischer enden lassen wollte. Dafür verwendete man alternative Außenaufnahmen aus einem Helikopter, die Stanley Kubrick für seine Eröffnungsszene von "The Shining" gedreht hatte, allerdings nicht verwendete. :)

Re: Die Filme des Ridley Scott

Verfasst: 23. Februar 2017 17:27
von GoldenProjectile
AnatolGogol hat geschrieben:In der Kinofassung fahren Deckard und seine Holde durch die gleiche Landschaft (da das Material aus Shining) wie Jack und seine Sippschaft auf dem Weg zum Overlook-Hotel. Irgendwoher musste Sie ja das Material nehmen, um Ridleys Fassung zu verbessern. :lol:
Casino Hille hat geschrieben:Also Eric, dieses in der KF verwendete Ende, welches Anatol beschreibt, war nicht jenes, welches Scott damals eigentlich veröffentlichen wollte (dies kann man nun im Final Cut begutachten und ist auch in der KF enthalten, nämlich die dort vorletzte Szene, als die Fahrstuhltüren sich hinter Deckard schließen), sondern viel mehr einem Eingreifen des Studios geschuldet, welches den Film wohl optimistischer enden lassen wollte. Dafür verwendete man alternative Außenaufnahmen aus einem Helikopter, die Stanley Kubrick für seine Eröffnungsszene von "The Shining" gedreht hatte, allerdings nicht verwendete. :)
Also dass die Kinofassung Eingriffen von Studioseite geschuldet ist war mir natürlich schon klar und dass sie mit einer Autofahrt auf der Landstrasse endet habe ich hier auch schon oft herausgelesen. :) Ich wusste nur nicht ob ihr die tatsächliche Geschichte dahinter kennt und habe darum das Interview gepostet (ich habe die Kinofassung nie selber gesehen und wusste daher nicht wie stark der Shining-Bezug am Ende wirklich ist).