Da FRWL ja auch ein Film der Gegensätze und Kontraste ist kontrastiere ich die wieder einmal hochinteressante und sehr gelungene Kritik des guten GP mit einer "Gegendarstellung" eines Fans, für den der Film einen pefekten Beitrag darstellt
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Liebesgrüße aus Moskau / From Russia With Love (1963) – Terence Young
Nach dem überraschend großen Erfolg des Erstlings DN legte man bereits ein Jahr später mit FRWL nach und behielt dabei weitestgehend die Marschrichtung des Vorgängers bei, ergänzte die bereits eingeführte Formel aber noch um einige weitere wichtige Elemente. Vor allem aber wirkt das zweite Bondabenteuer im Vergleich zu seinem gelungenen, aber auch noch etwas ungeschliffenen Vorgänger erkennbar reifer und souveräner.
Im Zusammenhang mit FRWL werden häufig die Begriffe „ernsthaft“ und „realistisch“ gebraucht, in erster Linie wohl, da der Film eine in Bezug auf die üblichen Größenordnungen der Serie eher überschaubare klassische Spionagegeschichte ins Zentrum stellt. Genau betrachtet dürfte aber auch FRWL weit entfernt sein von einer realistischen Schilderung des Agentengewerbes. Denn sogar mehr noch als in DN werden hier fantastische Elemente bedient - in erster Linie durch die Verwendung zahlreicher Gadgets. Beschränkten sich die Hilfsmittel im Vorgänger noch auf Bonds neue Dienstwaffe und einen wenig spektakulären Geigerzähler, so legte man in FRWL mit dem üppig ausgestatteten Diplomatenkoffer, Grants Uhr mit ausziehbarer Garotte, Bonds zerlegbarem Scharfschützengewehr und Klebbs tödlichem Schuh den Grundstein für kommende Gadget-Exzesse. Das Wechselspiel zwischen realem Background (Istanbul als Spionagezentrum ist gleichzeitig exotisch, aber dennoch auch als reale Metropole sehr greifbar und wirkt entsprechend deutlich realer als z.B. Jamaica in DN oder die Bahamas in TB, die in ihrer jeweiligen Inszenierung eher einer exotischen Wunschvorstellung gleichen) und diversen phantastischen Elementen durchzieht dann folgerichtig auch den ganzen Film, etwa wenn Kerim Bey und Bond eine Bootspartie in den Abwasserkanälen der türkischen Metropole machen oder wenn sie ihre russischen Gegenspieler mithilfe eines Periskops beobachten. Den Höhepunkt dieses gelungenen Wechsels aus realer Bedrohung und phantastischem Spektakel stellt dann zweifellos die berühmte Liquidierung von Krilencu dar, der als letzte Handlung immerhin noch aus dem Mund von Anita Ekberg schlüpfen darf. Selten wurde im Kino Spannung, Härte und Humor besser kombiniert als in dieser geradezu ikonographischen Szene.
Die türkische Hauptstadt Istanbul bildet als Bindeglied zwischen Orient und Okzident den perfekten Rahmen für ein großangelegtes Spionage-Katz-und-Maus-Spiel. Terence Youngs Inszenierung fängt dabei die Reize der türkischen Metropole farbenfroh und effektiv ein und ist eher an atmosphärischer Dichte als an phantasiebedienender Schwelgerei interessiert. Die Einbindung von touristischen Attraktionen wie der Hagia Sophia, der Blauen Moschee oder dem Bosporos gelingt ihm vollkommen stilsicher, ohne dass die entsprechenden Szenen in irgendeiner Weise „ausbeuterisch“ wirken. Im Gegenteil fügen sie sich als gleichermaßen spektakulärer wie realistischer Background perfekt in die Inszenierung ein. Als äußerst gelungen erweist sich zudem der Kontrast zu den pittoresken Istanbuler Location-Szenen in Form von dunklen, aber sehr gezielt ausgeleuchteten Szenen, die bei Nacht oder im Dunkeln spielen. Die bereits erwähnte Eliminierung von Krilencu ist hier sicherlich ein Musterbeispiel, aber auch die Ruderpartie von Bond und Kerim Bey durch die Kanalisation, die Szenen im Zigeunerlager oder die Flucht von Bond und Tanja aus dem Orientexpress unterstreichen durch ihren visuell düsteren Charakter den immer spürbaren spannenden Unterton des Films. Ein weiterer sehr gelungener Kontrast gelingt dem Film durch den Wechsel weg von den räumlich sehr „weiten“ Szenen in Istanbul hin zu den räumlich doch recht begrenzten Szenen im Orientexpress, in welchen es Young wiederum gelingt sehr viel Atmosphäre zu erzeugen sowie die Spannungskurve durchgängig im höchsten Drehzahlbereich zu halten. Venedig als abschließende Location ist als farbenprächtige Romantikhochburg nochmals ein zwar eher kurzer, aber dennoch schöner Kontrapunkt zum exotischen und lebhaft-realen Istanbul.
Die Handlung von FRWL ist für mich einer der besten und stimmigsten der ganzen Serie, auch da man sich hier doch sehr deutlich vom üblichen „Weltherrschaftsszenario“ entfernt. Der „Agentenpoker“, der sich aus dem Aufeinandertreffen des sowjetischen und britischen Geheimdienstes ergibt erweist sich dabei als perfekter Nährboden für eine spannungsgeladene Inszenierung. Der Kalte Krieg wurde in keinem anderen Bondfilm so effektiv als Handlungselement eingebunden (auch wenn FYEO und OP ihre Sache diesbezüglich auch nicht schlecht machen). Hier hatten die Macher von FRWL wirklich den Finger am Puls der Zeit, gerade wenn man bedenkt wie brenzlig die weltpolitische Situation durch die Kuba-Krise (welche für sich fast schon ein Spectre-Komplott hätte sein können) 1962 war. Verstärkt wird das Ganze noch dadurch, dass es sich um ein von einer dritten Partei inszeniertes Katz-und-Maus-Spiel handelt.
Auch wenn Spectre bereits in DN Erwähnung gefunden hatte, so ist FRWL die eigentliche Geburtsstunde der berüchtigten Verbrecherorganisation. Die Etablierung von Spectre gelingt dabei geradezu mustergültig, vor allem durch die Stilisierung des mysteriösen, gesichtslosen Blofeld. Aber auch in Bezug auf andere Schlüsselelemente wird dem Zuschauer alles für Spectre elementare nahegebracht, etwa die Anrede in Nummernform, die detailliert ausgeführte Motivation der beabsichtigten Schurkerei, die äußerst bunte Zusammensetzung der Spectre-Mitglieder und natürlich die in Form der Kampffische und des Endes von Kronsteen bildlich sehr effektiv eingefangene Grausamkeit. Meine diesbezüglichen Highlights stellen die wunderbare Einführung von Kronsteen in einer elegant gefilmten und inszenierten Kombination aus langer Kamerafahrt und einfallsreichen Kamerawinkeln (der Blick durch das Glas) sowie die PTS in einer durch Alain Resnais Drama „Letztes Jahr in Marienbad“ inspirierten, unheimlich-düsteren Parksequenz dar. A propos PTS: FRWL ist der erste Bondfilm, der dieses für die Serie so charakteristische Element verwendet und der in Robert Brownjohns Titelsequenz erstmals die später so obligatorischen leicht bekleideten Damen in künstlerisch verfremdeter Form präsentiert.
Terence Youngs Inszenierung findet in FRWL eine gelungene Balance zwischen atmosphärischen Handlungsszenen und spektakulären Actionsequenzen. Den Schwerpunkt legt Young aber eindeutig auf einen sich über den ganzen Film hinweg kontinuierlich steigernden Spannungsbogen. Er bedient sich dabei effektiv der Technik des Suspense, indem er seinem Protagonisten James Bond im Rahmen der Handlung weniger Information zur Verfügung stellt als seinem Publikum. So ist man als Zuschauer von Anfang an im Bilde, dass es sich um eine Intrige von Spectre handelt, während Bond erst nach 2/3 des Films in der Konfrontation mit Grant das Geheimnis lüftet. Young lässt uns dadurch mitfiebern, in wie weit Bonds Unkenntnis ihn geradewegs in die von Spectre gestellte Falle tappen lassen wird bzw. wie er dieser entkommen kann. Gerade durch die Tatsache, dass Kronsteens genialer Plan wie am Schnürchen zu klappen scheint steigert sich die Spannung zunehmend. Eine weitere sehr effektive Maßnahme von Drehbuch und Inszenierung ist die vom Zuschauer nicht wirklich zu durchschauende Figur der Tanja. Ob hinter ihrer Wirbelwind-Romanze mit Bond nur die berechnende Ausführung ihres von Rosa Klebb erteilten Auftrages steckt oder sie vielleicht doch durch echte Gefühle motiviert ist bleibt bis zum auflösenden Finale unklar. Die Passivität ihres Handelns fügt sich charakterlich zudem wunderbar in den übergeordneten Plotpunkt des Spectre-Planes ein, da ihre Funktion als Spielball zwischen Ost bzw. Spectre und West dadurch noch zusätzlich unterstrichen wird.
Dramaturgisch löst der Film seine diversen Handlungs- und Figurenkonstellationen absolut sinnig und stimmig auf. Von den Antagonisten wird einer nach dem anderen der Rangfolge entsprechend „abgehandelt“, wobei die Konfrontation zwischen Bond und Grant sicherlich einen vorläufigen Höhepunkt des Films darstellt. Der Film lässt aber auch im Anschluss nicht locker und zelebriert das jeweilige Ende von Kronsteen (äußerst unerwartet) und Klebb (äußerst verbissen) in kaum weniger gelungener Form. Den oft geäußerten Vorwurf, der Film baue nach Grants Tod dramaturgisch ab und böte stattdessen entbehrliche Actionszenen teile ich nicht. Der Helikopterangriff mag angesichts seiner Ähnlichkeit zu Hitchcocks Maisfeld-Attacke in North By Northwest (weniger inszenatorisch als mehr konzeptionell) nicht unbedingt besonders einfallsreich sein, effektiv ist er jedoch nichtsdestotrotz, vor allem auch dadurch, dass die Auflösung erneut (zuvor bereits der Einsatz des Koffers in der Szene mit Grant) durch Einbindung eines früher im Film eingeführtes Gadgets erfolgt (das zerlegbare Scharfschützen-Gewehr). A propos Gadget: vor allem in der zweiten Filmhälfte ist der verstärkte Einsatz dieser beliebten technischen „Helferchen“ auffallend, auch auf diesem Gebiet ist FRWL der große Pionier der Serie. Die Bootsverfolgung punktet in meinen Augen durch seine spektakuläre Auflösung, das „flammende Inferno“ kommt erheblich glaubhafter und dramatischer rüber als vergleichbare Szenen in anderen Filmen der gleichen Epoche (z.B. Winnetou 3. Teil). Das Finale bietet dann mit der sehr rohen und authentisch-gefährlichen Konfrontation zwischen Bond und Klebb nochmals einen echten Höhepunkt, bevor der Film mit der amüsant-eleganten Gondelfahrt von Bond und Tanja stimmungsvoll zu Ende gebracht wird.
Zeichnete sich John Barry im Vorgänger DN bereits für die Überarbeitung und das Arrangement des von Monty Norman erdachten James Bond-Themas verantwortlich, so stammt in FRWL der gesamte Soundtrack aus seiner Feder. Und Barry liefert bereits in seinem Bond-Debüt eine absolute Meisterleistung ab. Sein Score zu FRWL ist treibend, spannend, atmosphärisch, elegant, exotisch und muss für mich unter seinen allerbesten Arbeiten eingeordnet werden. Ebenfalls einen absoluten Volltreffer stellt das von Matt Monro interpretierte Titellied dar. Durch die exklusive Verwendung des Titels während des Abspannes wird das Ende noch einmal zu einem ganz besonderen Ereignis, zumal der fast schon wehmütige Tonfall des Stückes so herrlich mit den Aufnahmen von Venedig und dem so stimmig zu Ende gegangenen Film harmoniert.
Darstellerisch spielt FRWL für mich in der obersten Liga innerhalb der Serie mit. Connery hat sich gegenüber seiner ja bereits sehr starken Vorstellung in DN nochmals deutlich gesteigert, man merkt ihm einfach an, dass er die Rolle nun völlig verinnerlicht hat. Er wirkt noch selbstsicherer und gelassener und bietet meiner Ansicht nach seine zweitbeste Bonddarstellung knapp hinter seiner Gala in GF. In nicht unwesentlichem Maße (was für eine Untertreibung!) trägt dazu in der deutschen Fassung auch sein Synchronsprecher Gert Günther Hoffmann bei, durch dessen unnachahmliche stimmliche und sprachliche Begabung Connery noch eleganter und lässiger rüberkommt als im Original. Auch wenn FRWL über keinen omnipräsenten Gegenspieler a la Goldfinger oder Largo verfügt, so wird dies perfekt egalisiert durch eine einmalig gute Schurkentroika mit Vladek Sheybal als genialem Mastermind Kronsteen, Lotte Lenya als unbarmherziger Führungsoffizierin Rosa Klebb und dem eiskalten Robert Shaw als gnadenlosem Erfüllungswerkzeug Donals „Red“ Grant. Jeder der drei genannten Schauspieler macht seine Sache ausgezeichnet und versteht es, der jeweiligen Rolle seinen unverkennbaren Stempel aufzudrücken, jeder der drei gehört für mich zu den allerbesten Schurken der Serie. Eigentlich müsste man die Troika auch noch um den gesichtslosen Anthony Dawson als Blofeld erweitern, denn obwohl Dawson nie mit seinem Konterfei im Bild ist, verkörpert er der den vielleicht besten und beängstigenden Blofeld, was in erster Linie Youngs hier höchst effektiver Inszenierung geschuldet ist.
Ganz fantastisch ist der damals schon todkranke Pedro Armandariz als Bonds väterlichem Freund Kerim Bey. Armandariz ist nicht nur der Prototyp des mit Bond freundschaftlich verbundenen Verbündeten, er ist auch der beste Vertreter dieser Kategorie – und das trotz beachtlicher Konkurrenz von Könnern wie Ferzetti, Topol oder Giannini. Es ist beeindruckend mit welch jovialer und lebensfroher Vitalität Armandariz die Rolle verkörpert, gerade in dem Wissen um seinen realen Gesundheitszustand. Was der Mexikaner in seiner letzten Rolle abbrennt ist ein reines Charisma-Feuerwerk und seine grandiose Darstellung lässt auch Connery nochmals besser zur Geltung kommen, der im Gegensatz zu DN hier nun auch einen Sparringspartner auf Augenhöhe hat (was Lord, bei allem Respekt, eben sowohl was seine Rolle als auch seine Darstellung angeht nicht war). Der einzige leichte Wermutstropfen im Hinblick auf die Besetzung ist für mich Daniela Bianchi. Sie macht ihre Sache ordentlich und fällt nie negativ auf, aber irgendwie wirkt sie auf mich immer etwas bieder und farblos. Das liegt zum Teil aber auch an ihrer Rolle, als kleine Sekretärin darf sie natürlich weit weniger hermachen als z.B. Honey oder Pussy.
FRWL stellt für mich einen perfekten Actionthriller dar, der gleichwohl stilistisch und inhaltlich fest in seiner Entstehungszeit verwurzelt in seiner Wirkung absolut zeitlos ist. Der Film hat für mich keine nennenswerten Elemente, welche ich kritisieren könnte. Eine durchgängig auf sehr hohem Spannungsniveau agierende Inszenierung, der es zudem gelingt die wohl dichteste Atmosphäre der Serie festzuhalten, diverse spektakuläre Actionszenen, ein großartig besetztes und aufspielendes Darstellerpersonal, jede Menge einfallsreicher Gadgets, wunderbare Locations und ein sensationeller Soundtrack machen FRWL für mich zu einem der Kronjuwelen der Serie – nicht zuletzt auch weil der Film in seiner Einzigartigkeit eine Ausnahmestellung einnimmt.
Wertung: 10 / 10