Mit dem Teufel im Bunde - Runde II
Verfasst: 22. Dezember 2022 20:47
ok, hier der 2. Versuch...
Mit dem Teufel im Bunde - Die Exorzisten-Filme
Exorzist II – Der Ketzer (1977) – John Boorman
Ging William Friedkins Original als erschreckendster Film in die Filmgeschichte ein, so erwarb sich John Boormans vier Jahre später entstandener Folge-Film den zweifelhaften Ruf der „schlechtesten Fortsetzung“ aller Zeiten. Eine Einschätzung, die meiner Ansicht nach aber an einer gänzlich falschen Erwartungshaltung fußt. Denn Boorman zeigt sich im Ketzer zu keinem Zeitpunkt daran interessiert Friedkins Erstling in irgendeiner Weise fortzusetzen.
Gut, so ganz stimmt das natürlich nicht, da Der Ketzer inhaltlich die Ereignisse der Vorgängers aufgreift und eine nun zum Teenager herangewachsene Regan nach wie vor mit dem Trauma ihrer Besessenheit kämpfen lässt. Auch der Exorzist himself, Pater Merrin, darf wiederum mitmischen – wenn auch nur in Form von Flashbacks. Damit enden die zum Original reichenden Wurzeln des Ketzers aber auch weitgehend, denn Boorman macht genau das, was man bei den allerallermeisten Sequels vermeidet wie der Teufel das Weihwasser: sich vom Vorfilm zu emanzipieren und sein ganz eigens Ding durchzuziehen.
So zeigt sich Boorman kaum daran interessiert sein Publikum zu erschrecken und mit (Ur-)Ängsten in Berührung zu bringen. Stattdessen setzt er auf Themen wie Unterbewusstsein, Visionen und Träume. Und so ist es auch nicht überraschend, dass sein Film oftmals in Analogie zu den behandelten Themen gängige filmische Konventionen sprengt. Ja, der Film hat durchaus eine kohärente Dramaturgie und Figurenentwicklung, schlägt aber nicht selten auch Pfade ein, die man so nicht erwarten würde. Der Film wirkt oft wie ein Fiebertraum, was filmisch unterstützt wird durch ein sich der Realität bewusst verweigerndes Setdesign. So sind es vor allem die in Afrika spielenden Szenen, die mit ihren artifiziellen Hintergründen für einen surrealen Eindruck sorgen.
Mit dem Plot um den „Synchronizer“, einem Hypnose-Gerät, durch welches eine Person ins Unterbewusstsein einer anderen vordringen kann, bewegt sich Der Ketzer dann endgültig im Bereich des Fantastischen (nicht, dass man in einem Exorzisten-Film davon überrascht wäre, aber in der Boorman-Variante ist das dann doch nochmal eine ganz andere Spielart dessen...). Höhepunkt der so gewährten Reisen ins Unterbewusste ist dann fraglos der legendäre Heuschrecken-Flug, bei welchem Boorman den Zuschauer filmisch auf dem Rücken einer Heuschrecke quer durch Afrika fliegen lässt. Weitere grossartige Momente, die aus dem „Synchronizer“-Plot resultieren, sind Regans abrupt beendeter Traum auf dem Dach eines Hochhauses oder Pater Lamonts visionäre Begegnung mit Kokumo. Erst im finalen Akt, wenn sich die Handlung zurück an den Ort des Erstlings begibt, bewegt sich Der Ketzer in etwas gängigeren Genrekonventionen – aber das auch nur sehr bedingt. Denn auch in dem effektgeladenen Kampf Gut gegen Böse bleibt sich der Film in seiner etwas sperrigen und unbequemen Art treu.
Mit Linda Blair, Max Von Sydow und Kitty Winn spielen immerhin drei Schauspieler des Originals auch im Ketzer mit und sorgen so für eine - zumindest darstellerische - Verbindung zum Vorfilm. Blairs Rolle steht mehr noch als im Original im Zentrum und die herangewachsene Actrice macht ihre Sache durchaus gut, wenngleich ihr Auftritt rollenbedingt weit weniger erinnerungswürdig ist (das kleine, vom Teufel besessene Mädchen ist diesbezüglich einfach nicht zu schlagen). Die eigentliche Hauptrolle spielt jedoch Old Richard Burton und was soll man sagen: Burton ist Burton und auch wenn Der Ketzer nicht als Sternstunde in seine Vita Einzug gehalten hat, so ist seine zwischen Routine und Brillanz hin-und-her pendelnde Performance immer noch schauspielerisch über jeden Zweifel erhaben (nicht umsonst bekam er im gleichen Jahr für Sidney Lumets Pferdeoper Equus seine siebte Oscarnominierung). Ebenfalls über jeden Zweifel erhaben ist Ennio Morricones atmosphärisch-schwermütig-schmissiger Soundtrack, der kaum weiter weg sein könnte von der musikalischen Untermalung des Originals – und auch genau deshalb voll ins Schwarze trifft.
John Boorman hatte das Angebot den Original-Exorzisten zu verfilmen aus Desinteresse am Stoff abgelehnt. Warum, das kann man seinem Ketzer (den er nach dem Erfolg des Erstlings und der Zusage von Warner Bros., bei dem Film weitgehend freie Hand zu bekommen, doch noch akzeptierte) in jeder Sekunde sehen. Boorman zeigt sich an ganz anderen Themen interessiert als Friedkin und bespielt vor allem zu keinem Zeitpunkt wirklich das Horror-Genre. Ist Der Ketzer also am Ende vielleicht doch „die schlechteste Fortsetzung aller Zeiten“? Wenn man an ein Sequel die Erwartung stellt, eine stilistisch wie inhaltlich weitgehend lineare Fortführung des Originals zu sein, dann mag diese Einschätzung durchaus ihre Berechtigung haben. Gesteht man einer Fortsetzung aber auch das Recht zu, ganz eigene und neue Pfade zu beschreiten, dann hat Boormans Folgefilm zumindest jede Menge Potenzial auf ganz individuelle Weise zu begeistern und faszinieren. Nein, der Film ist sicherlich nicht frei von Fehlern, aber er ist in seiner schwer zu fassenden Art - sofern einem der Zugang gelingt - eine echte filmische Bereicherung zum Thema Der Exorzist.
Wertung: 8 / 10
Mit dem Teufel im Bunde - Die Exorzisten-Filme
Exorzist II – Der Ketzer (1977) – John Boorman
Ging William Friedkins Original als erschreckendster Film in die Filmgeschichte ein, so erwarb sich John Boormans vier Jahre später entstandener Folge-Film den zweifelhaften Ruf der „schlechtesten Fortsetzung“ aller Zeiten. Eine Einschätzung, die meiner Ansicht nach aber an einer gänzlich falschen Erwartungshaltung fußt. Denn Boorman zeigt sich im Ketzer zu keinem Zeitpunkt daran interessiert Friedkins Erstling in irgendeiner Weise fortzusetzen.
Gut, so ganz stimmt das natürlich nicht, da Der Ketzer inhaltlich die Ereignisse der Vorgängers aufgreift und eine nun zum Teenager herangewachsene Regan nach wie vor mit dem Trauma ihrer Besessenheit kämpfen lässt. Auch der Exorzist himself, Pater Merrin, darf wiederum mitmischen – wenn auch nur in Form von Flashbacks. Damit enden die zum Original reichenden Wurzeln des Ketzers aber auch weitgehend, denn Boorman macht genau das, was man bei den allerallermeisten Sequels vermeidet wie der Teufel das Weihwasser: sich vom Vorfilm zu emanzipieren und sein ganz eigens Ding durchzuziehen.
So zeigt sich Boorman kaum daran interessiert sein Publikum zu erschrecken und mit (Ur-)Ängsten in Berührung zu bringen. Stattdessen setzt er auf Themen wie Unterbewusstsein, Visionen und Träume. Und so ist es auch nicht überraschend, dass sein Film oftmals in Analogie zu den behandelten Themen gängige filmische Konventionen sprengt. Ja, der Film hat durchaus eine kohärente Dramaturgie und Figurenentwicklung, schlägt aber nicht selten auch Pfade ein, die man so nicht erwarten würde. Der Film wirkt oft wie ein Fiebertraum, was filmisch unterstützt wird durch ein sich der Realität bewusst verweigerndes Setdesign. So sind es vor allem die in Afrika spielenden Szenen, die mit ihren artifiziellen Hintergründen für einen surrealen Eindruck sorgen.
Mit dem Plot um den „Synchronizer“, einem Hypnose-Gerät, durch welches eine Person ins Unterbewusstsein einer anderen vordringen kann, bewegt sich Der Ketzer dann endgültig im Bereich des Fantastischen (nicht, dass man in einem Exorzisten-Film davon überrascht wäre, aber in der Boorman-Variante ist das dann doch nochmal eine ganz andere Spielart dessen...). Höhepunkt der so gewährten Reisen ins Unterbewusste ist dann fraglos der legendäre Heuschrecken-Flug, bei welchem Boorman den Zuschauer filmisch auf dem Rücken einer Heuschrecke quer durch Afrika fliegen lässt. Weitere grossartige Momente, die aus dem „Synchronizer“-Plot resultieren, sind Regans abrupt beendeter Traum auf dem Dach eines Hochhauses oder Pater Lamonts visionäre Begegnung mit Kokumo. Erst im finalen Akt, wenn sich die Handlung zurück an den Ort des Erstlings begibt, bewegt sich Der Ketzer in etwas gängigeren Genrekonventionen – aber das auch nur sehr bedingt. Denn auch in dem effektgeladenen Kampf Gut gegen Böse bleibt sich der Film in seiner etwas sperrigen und unbequemen Art treu.
Mit Linda Blair, Max Von Sydow und Kitty Winn spielen immerhin drei Schauspieler des Originals auch im Ketzer mit und sorgen so für eine - zumindest darstellerische - Verbindung zum Vorfilm. Blairs Rolle steht mehr noch als im Original im Zentrum und die herangewachsene Actrice macht ihre Sache durchaus gut, wenngleich ihr Auftritt rollenbedingt weit weniger erinnerungswürdig ist (das kleine, vom Teufel besessene Mädchen ist diesbezüglich einfach nicht zu schlagen). Die eigentliche Hauptrolle spielt jedoch Old Richard Burton und was soll man sagen: Burton ist Burton und auch wenn Der Ketzer nicht als Sternstunde in seine Vita Einzug gehalten hat, so ist seine zwischen Routine und Brillanz hin-und-her pendelnde Performance immer noch schauspielerisch über jeden Zweifel erhaben (nicht umsonst bekam er im gleichen Jahr für Sidney Lumets Pferdeoper Equus seine siebte Oscarnominierung). Ebenfalls über jeden Zweifel erhaben ist Ennio Morricones atmosphärisch-schwermütig-schmissiger Soundtrack, der kaum weiter weg sein könnte von der musikalischen Untermalung des Originals – und auch genau deshalb voll ins Schwarze trifft.
John Boorman hatte das Angebot den Original-Exorzisten zu verfilmen aus Desinteresse am Stoff abgelehnt. Warum, das kann man seinem Ketzer (den er nach dem Erfolg des Erstlings und der Zusage von Warner Bros., bei dem Film weitgehend freie Hand zu bekommen, doch noch akzeptierte) in jeder Sekunde sehen. Boorman zeigt sich an ganz anderen Themen interessiert als Friedkin und bespielt vor allem zu keinem Zeitpunkt wirklich das Horror-Genre. Ist Der Ketzer also am Ende vielleicht doch „die schlechteste Fortsetzung aller Zeiten“? Wenn man an ein Sequel die Erwartung stellt, eine stilistisch wie inhaltlich weitgehend lineare Fortführung des Originals zu sein, dann mag diese Einschätzung durchaus ihre Berechtigung haben. Gesteht man einer Fortsetzung aber auch das Recht zu, ganz eigene und neue Pfade zu beschreiten, dann hat Boormans Folgefilm zumindest jede Menge Potenzial auf ganz individuelle Weise zu begeistern und faszinieren. Nein, der Film ist sicherlich nicht frei von Fehlern, aber er ist in seiner schwer zu fassenden Art - sofern einem der Zugang gelingt - eine echte filmische Bereicherung zum Thema Der Exorzist.
Wertung: 8 / 10