Re: Danny Boyle
Verfasst: 12. Juli 2019 12:05
Mehr noch: "Yesterday" würde auch vollkommen ohne den Bezug zu einer berühmten Band oder einem berühmten Musiker funktionieren. DIe Prämisse könnte problemlos sein, dass der mysteriöse Twilight Zone Stromausfall zu Beginn einfach dafür sorgt, dass schlagartig jeder Mensch auf der Welt Jacks Musik für großartig hält, obwohl seine Kompositionen eigentlich totale Scheiße sind. Dann hättest du vom Aufbau genau denselben Film (natürlich müssten ein paar Szenen abgewandelt werden), aber der Plot würde ganz genauso funktionieren. Nur müsste dann natürlich jemand tatsächlich neue Songs für den Film schreiben, anstatt nur den Geldbeutel zu schwingen und die Beatles-Nummern zu covern. Da drängt sich mir der Verdacht auf, dass genau das die Motivation für den ungewöhnlichen Aufhänger zum letztlich gewöhnlichen Musikdrama gewesen ist. Und das ist deshalb schade, weil "Yesterday" mit seiner Grundidee eine interessante Frage aufwirft, die er später nie beantwortet bzw. überhaupt versucht sie zu ergründen: Wie sähe unsere Welt, vor allem popkulturell, ohne die Beatles und ihren Musik-Einfluss aus. Bis auf einen (zugegeben großartig ausgespielten) Oasis-Gag kommt da nicht viel bei rum. Unsere Welt ist 1:1 dieselbe, nur eben ohne die Beatles - wobei dann auch wenig glaubwürdig ist, dass so altmodische Musik wie die von McCartney/Lennon im heutigen Mainstream bei "der Jugend" Gehör finden würde, ich bezweifel das jedenfalls. Und gerade da hätte deshalb von Danny Boyle und Richard Curtis viel mehr kommen müssen, denn das komödiantische Potenzial dieses fiktiven Szenarios ist schier endlos. Leider leider ist von all den Möglichkeiten nichts im Film gelandet.HCN007 hat geschrieben: 11. Juli 2019 23:19der Film eignet sich als Vehikel auf jeden Fall auch dafür, dass die Beatles eigentlich nur austauschbares Futter sind und eigentlich auch jede andere Band oder Musiker der Musikgeschichte ihren Platz in diesem Film hätten finden können. Als Musikerfilm hakt er eigentlich alle typischen Stationen kritisch und satirisch ab
Wenn man das aber mal beiseite schiebt, fand ich "Yesterday" ganz vergnüglich, es ist eben seichtes Wohlfühlkino. Lily James als Perfect Girlfriend ist zu süß um wahr zu sein, macht aber gerade deshalb Spaß und der selbstironische Auftritt von Ed Sheeran ist zumindest kurzweilig anzuschauen, auch wenn seine Szenen wahrlich das Gegenteil von originell sind. Einige gute Momente arbeitet Boyle in den Szenen in den USA heraus, wenn Jack im Musik-Kapitalismus etwas unter die Räder gerät. Aber das ganze ist eine rein schematische, formelhafte Angelegenheit, die nie aus ihrer Haut kommt - und da hätte man von Boyle und Curtis viel mehr erwarten können.