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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Die obigen Beiträge haben mich dazu bewegt, noch einmal Clockwork Orange zu schauen. Zweimal. Casino Hille habe ich auch eine kleine Rezension versprechen.
Ja, ich glaube für mich steht es fest. Von allen Filmen, die ich je gesehen habe hat Clockwork Orange die beste Anfangsszene. Das fängt bereits mit dem Vorspann an, dem grellen, schockenden Wechsel von Rot auf Blau und zurück auf rot, während die Musik wie ein bedrohliches Pochen in den Ohren dröhnt. Dann diese wunderbare, langsame Kamerafahrt, von Alex' furchterregendem Grinsen bis hin zur Gesamtheit der Szenerie. Niemand bewegt sich. Mode, Ausstattung und Atmosphäre wirken wie aus einem surrealen (Alb)traum. Es ist dieselbe Mode, Ausstattung und Atmosphäre, die einen zwei Stunden lang begleitet, wenn auch nie wieder in derselben bombastischen Intensität. Und dann spricht Alex:
That is me, Alex. And my three droogs, that is Pete, Georgie and Dim. And we sat in the korrova mil bar, trying to make up our rassoodocks, what to do with the evening. The korrova milk bar sold milk plus. Milk plus vellocet, or synthemesc, or drencrome. Which is what we were drinking. This would sharpen you up and make you ready for the bit of the old Ultra-Violence.
Viele denken beim Titel des Films wohl gleich an Gewalt und Brutalität, aber die tragische Geschichte ist um einiges vielseitiger. Und genau so erzählt Kubrick. Seiner Regie gelingt der stetige Wechsel zwischen tragischen, spannende und humorvollen Momenten, Elemente die mühelos zu einem Ganzen verschmelzen. Mit dieser Erzählweise ist die polarisierende Story gleichzeitig eine böse Satire, die schonungslose Darstellung der menschlichen Natur, aber auch einfach eine spannende Geschichte. Und Alex ist der geeignete Protagonist, McDowell der richtige Darsteller. Inhalt und Regie sorgen dafür, dass die Sympathie des Zuschauers immer bei Alex liegen, obwohl er eigentlich nur ein sadistischer Hooligan ist, aber eben auch eine tragische Figur, ein Opfer des Uhrwerks. McDowell spielt seine Figur köstlich, seine Mimik aber auch seine Ausdrucksweise im skurrilen Nadsat-Slang bewirken, dass Alex in kürzester Zeit absolut vertraut ist.
Faszinierend unterlegt mit dem bereits erwähnten Synthesizer-Stück der Einstiegsszene, Singing in the Rain, Rossini und natürlich Beethoven (the old Ludwig van), eingehüllt in Kulissen und Kostüme die sich irgendwo zwischen den 70ern und einer abstrakten Zukunftsvision bewegen und elegant gefilmt mit interessanten Kamerapositionen und Schnitten ist Kubricks Uhrwerk ein grosses Fest für den Geist und die Sinne (real horrorshow).
10 / 10. Jetzt mehr denn je.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.