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von GoldenEagle
Agent
Finde ich gar nicht schlecht, dass wir hier mal über so etwas sprechen. Die Bildungspolitik, respektive die Schulpolitik, war mir häufig ein rotes Tuch und ist es (leider) auch bis heute geblieben.
Unter vielen Lehrkräften hatte man zu leiden, zumal viele nicht in der Lage sind, von den privaten Problemen (die zweifelsohne jeder Mensch hat) und den Aufgaben in der Schule, ihrem Beruf, nicht trennen können. Sie transportieren den Missmut in den Klassenraum und haben auch sonst wenig Lust, ihre SchülerInnen zu motivieren (@ Thesy, ja das finde ich auch).
Es wird alles schwerer und doch klagt man darüber, dass wir zu wenig qualifizierte Menschen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung haben. Wird aber alles schwerer und der Weg immer beschwerlicher, bis man endlich etwas erreicht hat (und sei es nur sein Studium oder eine andere Ausbildung zu bestreiten), so ist man schon entkräftet und demotiviert, bis man überhaupt auf den Arbeitsmarkt kommt.
Aufstiegschancen sind heute ebenfalls rar. Auch hierbei wird einen die Perspektive einer qualifizierten Kraft genommen, denn diese wiederum hat ja keine Gewissheit mehr, ob sie nicht von heute auf morgen arbeitslos wird, sich vielleicht sogar umschulen lassen oder mehrere Stellen parallel annehmen müsste, weil das Geld nicht reicht (einmal davon abgesehen, dass die Preiserhöhungen langsam wirklich anfangen zu schmerzen).
Zu schwarz solle man es nicht sehen.
Aber auf dem Gymnasium hatte ich so einige Lehrkräfte, die einen eher runterziehen wollten, als einen eine Perspektive zu eröffnen. Stellenweise hatten sie auch keine Lust.
Ich sage immer, dass der Lehrerberuf ein extrem verantwortungsvoller Job ist. Ärzte werden belangt, wenn sie Fehler machen. Lehrer werden kaum beurteilt und die wenigen Fortbildungen (nach denen sie einen noch nicht einmal sagen können, was eigentlich dort gemacht wurde: "Das versteht Ihr nicht", "Das betraf mich nicht...") haben scheinbar auch keinen positiven Einfluss auf den Unterricht. Lehrer hingegen spielen mit der Zukunft jeder und jedem Einzelnen und sehen das scheinbar recht gelassen, O-Ton:"Es ist mir doch egal, was aus Euch wird" (ja, das habe ich tatsächlich mal in der Klasse gehört und so etwas finde ich unter aller Würde).
Es wurden Sachverständige u.a. von dem Oberschulamt befragt und hier gab man tatsächlich zu, dass einige der Lehrkräfte für den Schuldienst nicht geeignet oder überfordert seien.
Als Lehrkraft hat man es bestimmt nicht einfach, aber, wenn die Grundeinstellung und bestimmte Eigenschaften nicht vorhanden sind, dann sollte man sich gut überlegen, einen solchen Beruf zu ergreifen.
Dass manche Lehrkräfte private Probleme haben, steht außer Frage. Wir hatten mehrere Lehrer, die dem Alkohol verfallen waren, was ich nicht verurteilen möchte, es andererseits auch nicht unterstützt wissen möchte.
Heute sollte man immer gesund sein, 100% (oder mehr) Leistung bringen, Gefühle / Anstand / Umgangsformen behindern nur (Ellenbogengesellschaft) und auf der Uni erlebe ich auch Menschen, die zwar rational ihre Pläne abarbeiten, aber es manchen Dozenten oft egal ist, was aus den Leuten wird. Manche, nicht alle, wirken abgestumpft und einfach nur leistungsbezogen, die Umgangsformen, die ich von einem Dozent / einer Dozentin durchaus erwarten könnte, sind stellenweise kaum vorhanden. Leistungsdruck führt zur Abschwächung sozialer Kontakte, für die man entweder keine Nerven oder keine Zeit hat. Mobbing hat sich ebenfalls etabliert und das nicht so selten, als angenommen.
Auch im universitären Bereich werden weitere (nicht immer sinnvolle) Erschwernisse eingebaut, die mit den fachlichen Gegenständen nicht immer oder rein gar nichts zu schaffen haben (Studiengebühren kommen ihrerseits erschwerend hinzu).
So banal es sich auch anhören mag, aber der Bereich der Grundschule ist immer noch sehr stiefmütterlich behandelt worden. Dort werden, wie der Name schon sagt, die Grundlagen vermittelt (übrigens auch Lesen und Schreiben).
Auch bei den "Kleinen" erlebt man, dass die Lehrkräfte mit viel Unverständnis handeln, was ihnen mehr Sorge vor der Schule einflößt, als ihnen helfen mag.
Es gibt heute so viele Menschen, die Sorgen vor der Zukunft und den ihnen verbleibenden Perspektiven haben, dass diese Einstellung nicht nur von einem selbst initiiert sein kann, sondern durchaus viele dieser daraus resultierenden Komponenten von außen, also von externen Einflüssen, herrühren.
Da mich die Sozialwissenschaften und die damit verbundene Analyse der Gesellschaft sehr interessieren, ist es natürlich ein Thema, mit dem ich mich schon länger beschäftige (u.a. soziologisch, politikwissenschaftlich, in der Geschlechterforschung...).
Von einem Schulsystem, das auf das Leben besser vorbereitet, sind die heutigen Inhalte oft entfernt und ob manche noch Prozentrechnen können, wenn sie im Schlussverkauf den Preisnachlass ermitteln möchten, wage ich nach der Umfrage über Goethe auch etwas zu bezweifeln (wenn man nicht gerade Mathe als Hobby hat).
In der Schule lernt man eher in "geistigen Blöcken" zu denken, als die Inhalte und Fächer miteinander zu verknüpfen. Nach einer Arbeit ist das meiste schon wieder vergessen, weshalb? - es wird ja nicht mehr oder nur sehr viel später danach gefragt und für das nächstfolgende Thema scheint es auch nicht unbedingt essentiell zu sein.
Heute haben die Leute immer weniger Zeit für sich, lernen kaum die soziale Kompetenz untereinander kennen (bspw. hohe Scheidungsrate, zumal man vor Problemen eher flüchtet, als Verantwortung, auch anderen gegenüber, zu übernehmen bereit ist und an sich festhält und glaubt), vieles auf Leistung, Ansehen und gegenseitige Konkurrenz ausgelegt ist.
Von zuhause lernen einige jüngere Menschen grundsätzliche Dinge nicht mehr, manche Eltern sind mit der künftigen Entwicklung überfordert und das nicht von ungefähr (Arbeitslosigkeit, Unausgeglichenheit, wenig Abwechslung, wenig Zuversicht, Geldprobleme, soziale Unterschiede...).
Wie man sieht, spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, die aus beiden Sichtweisen sehr verzahnt sind und manche Lehrkräfte gar nicht realisieren möchten, obwohl und gerade weil sie selbst darunter leiden oder sich beruflich nicht in die zu unterrichtenden Leute hineinversetzen können (sie haben es von klein auf möglicherweise auch nicht gelernt) oder wollen ihre Ruhe haben (was sie vor einer Klasse nicht haben werden).
Wer soll die Leute denn auf das Leben besser vorbereiten, wenn nicht die Lehrer, denen man einen großen Teil seines eigenen Lebens "ausgeliefert" ist?
Dass die Leute heute nicht mehr gelernt haben, zu leben und oftmals nur noch ihren Beruf nachgehen, dabei aber andere vergessen und übersehen, Hilfsbereitschaft ein Fremdwort ist und die meisten in die eigene Tasche arbeiten (fast schon müssen), kann nicht der Sinn eines gemeinschaftlichen und unbeschwerten Lebens sein.
Alles mit Maß und Ziel, aber auch mit mehr Offenheit, Verständnis für andere Leute und mehr Einsatz, LeherInnen als AnsprechpartnerInnen zu haben, nicht als Hemmschwelle für die Zukunft.
Ciao,
GE