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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
James Bond 007 - Der Hauch des Todes
Bereits 1969 hatte man dem damals noch in seinen 20ern steckenden Waliser Timothy Dalton die Rolle des legendären Filmhelden James Bond in "Im Geheimdienst ihrer Majestät" angeboten, welche später jedoch an One-Hit-Wonder George Lazenby ging. Doch man sieht sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben und so übernahm Dalton stolze neunzehn Jahre später pünktlich zum 25. Jubiläum der Reihe die Nachfolge des langjährigen Amtsinhabers Roger Moore. Die Zweifel waren verständlicherweise hoch, doch bereits in dem mal wieder perfekt gelungenen achtminütigen Intro, voll gepackt mit Action, halsbrecherischen Stunts, einer gesunden Prise Humor und einer schönen Frau weiß der Zuschauer: Der Darsteller mag sich ändern, doch wo Bond drauf steht, da ist auch Bond drin.
Tatsächlich ist "Der Hauch des Todes" aber in vielerlei Hinsicht ein überraschender Bond-Film und eine konsequente Weiterentwicklung John Glens vorheriger Filme, besonders die Einflüsse des Vor-Vorgängers "Octopussy" sind klar erkennbar. So ist der fünfzehnte von EON Productions produzierte Ableger wohl die völlige Abkehr einstiger Over-the-top-Weltbedrohungsszenarien und stößt inhaltlich in ungeahnte Territorien vor, ist vollständig im kalten Krieg verwurzelt und ein absolut glaubhafter und realistischer Thriller. Der Plot, der über ein paar Irrwege unter anderem von einer Tötungsliste des russischen Geheimdienstes bis in Drogen- und Waffenschmuggelgeschäfte in Afghanistan reicht, ist angenehm kompliziert und clever konzipiert, gleichzeitig aber auch nicht zu verwirrend und angenehm politisch. So wird gleichzeitig die Entspannungspolitik zwischen den USA und der Sowjetunion thematisiert wie auch der Krieg in Afghanistan und die Widerstandsbewegung der Mudschaheddin ein Thema sind. Das alles natürlich immer nur im Rahmen der Geschichte und ohne wirklich ein komplexes Weltbild oder gar etwaige Lösungsansätze zu präsentieren, allerdings auch ambivalent und feinfühlig genug, um im Rahmen eines Spionage-Thrillers zu wirken und dennoch am Ende mit klarer, aber nicht zu penetranter Positionierung. Glen beweist enorme Raffinesse und Geschick bei der Handhabung und Gewichtung dieser Elemente und bereichert gerade damit den Film enorm, der wie kein Bond zuvor vollständig in seinem Entstehungsjahr verankert ist und dadurch nur an Glaubwürdigkeit gewinnt.
Auch so ist die Erzählung spannend, besonders, weil Glens bereits vierter Bond-Film mit seiner auf Spannung-basierten Handlung an Klassiker wie "Liebesgrüße aus Moskau" erinnert und eine reizvolle neue Facette an 007 entdeckt, die er bereits in "Octopussy" durchblicken ließ. Passend dazu spielt Timothy Dalton auch seinen James Bond: Als Killer und Pragmatiker im Sinne Connerys mit deutlich zynischerem Humor als zuvor je der Fall, lässt aber auch eine neue menschliche Komponente des Charakters durchblicken, etwa wenn er sichtliche Anteilnahme am Tod eines Kollegen nimmt oder als erster Bond wirklich Dankbarkeit zeigt. Das er zudem in Zeiten von AIDS hier nur einem einzigen Bondgirl (die zauberhaft süße Maryam D'Abo) begegnet und damit die Monogamie pflegt, lässt ihn umso gefühlsbetonter scheinen, tut aber der umfangreichen Geschichte nur gut, die mit gleich zwei sehr unterschiedlichen Schurkentypen aufwartet (Jeroen Krabbé in einem anfangs eher undurchsichtigen und schleimigen Part, Joe Don Baker als klassischer Bond-Schurke in neuem Gewand), hauptsächlich aber vom Auftreten des Jaws-ähnlichen Henchman Necros (gespielt vom deutschen Baletttänzer Andreas Wisniewski) dominiert wird, dessen Rollentyp in den Vorgängern zwar recht inflationär zum Einsatz kam, aber auch hier wieder für tolle Gefechte und einen atemberaubenden Schlusskampf sorgt, der wie gehabt alle Register des Actionkinos zieht. Derweil man natürlich auch erwähnen muss, dass gerade die Häufungen und wiederkehrenden Elemente der Bond-Reihe es sind, die ihr ein Eigenleben und den Filmen einen ganz eigenen Charme geben, sodass der sich wiederholende Aufbau kaum negativ auffällt, nicht zuletzt weil Regie und Produktion es ein aufs andere Mal verstehen, sich selbst zu übertreffen und ihr Publikum zu überraschen.
Leider muss man ansonsten aber festhalten, das bis auf das gute Intro und den ansprechenden und überraschend dramatischen Showdown die Action wie schon im Vorgänger "Im Angesicht des Todes" eher schwach ausfällt und hier in ihrer ausgefallenen Ader - insbesondere eine sehr lange Aston Martin Verfolgungsjagd mit allerlei Q-Gadgets - überhaupt nicht zum durchweg realistischen Thriller passen will, aber auch so eher nach müder Routine ausschaut und die Handlung meist doch stark ausbremst. Unschön sind außerdem viele Momente zu verzeichnen, in denen die Autoren noch in der Moore-Zeit zu hängen scheinen, da dessen ironischen Kommentare weder zu "Der Hauch des Todes" noch zu Timothy Dalton und seiner Darstellung passen. Ebenfalls sei angemerkt, dass die Thrillerkomponente (so sehr sie auch förderlich für anhaltende Abwechslung innerhalb der Reihe ist) zwar effizient und spannungsfördernd ist, aber gerne noch konsequenter hätte durchgezogen werden dürfen, gerade weil "Octopussy" ja bereits zeigte, dass so etwas im Bondschen Rahmen funktioniert. Dennoch ist der Todeshauch freilich durchweg unterhaltsam, spannend und ein weiterer sehr erfreulicher Serienbeitrag zur britischen Kinomarke Nummer 1: Nicht zuletzt aufgrund des fantastischen Soundtracks von John Barry, der hier zum letzten Mal für die 007-Filme komponierte und sein Meisterstück ablieferte. Wie er mit nur sehr wenigen, aber hervorragend durchdachten Themen eine dichte und atmosphärisch vielfaltige Stimmung erzeugt, die immer wieder nur durch das triumphale Bond-Thema in Euphorie umschlägt, ist eine Verneigung und aller sonstigen Ehren wert.
Fazit: Erneut ist es also erfolgreich gelungen, gleichzeitig die Filmreihe Bond um einen weiteren Teil zu ergänzen, innerhalb der bekannten Formel für Abwechslung und Nervenkitzel zu sorgen und einen neuen Hauptdarsteller mit eigener Interpretation des beliebten Protagonisten zu installieren. Timothy Dalton leistet sich so ein tolles Debüt, dass genug Spielraum nach oben lässt, aber bereits eine erfreuliche Abgrenzung zum Vorgänger verspricht und in seinem Vorhaben als ernster Agentenfilm auf dem Weg in die Spitzenklasse der Bond-Abenteuer lediglich an seinem eigenen Etiquette scheitert. Durch angenehme Bezugnahmen zu aktuellen weltpolitischen Geschehnissen und einer dennoch zeitlosen Handlung gelingt der Spagat aber dennoch und vor dem Hauch des Todes muss James Bond daher weiterhin kein bisschen Angst haben.
8/10
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Let the sheep out, kid.