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von AnatolGogol
Agent
Saving Mr. Banks (2013) – John Lee Hancock
Filme wie Hitchcock oder My Week with Marilyn über die Enstehungsgeschichte mehr oder weniger berühmter Filme erfreuen sich in jüngerer Zeit scheinbar zunehmender Popularität oder zumindest der aktuellen Gunst der Studioverantwortlichen, nun gesellelt sich auch die cineastische Aufbereitung der Entstehung von Disneys Evergreen Mary Poppins in diese Reihe. Vorab sei erwähnt, dass ich Mary Poppins weder in der literarischen Vorlage noch in der filmischen Umsetzung kenne und auch nicht wirklich den Wunsch verspüre dies nachzuholen. Das machte aber überhaupt nix, da Saving Mr. Banks zwar diverse Querverweise zum berühmten Mucialklassiker macht (hauptsächlich in Form der Figuren sowie der Filmsongs, deren Entstehung gezeigt wird), man aber nie wirklich Vorkenntnisse benötigt, um dem Film folgen zu können. Die Story dreht sich um das zähe Ringen um die Filmrechte von Mary Poppins zwischen Mäusepatriarch Walt Disney und Poppins-Autorin P.L. Travers zu Beginn der 60er Jahre. Travers hatte sich 20 Jahre lang geweigert die Rechte an den von ihr aufgrund seines Erfolges mit Zeichentrickfilmen verachteten Disney zu verkaufen, durch finanzielle Engpässe wird sie dann aber schliesslich doch noch zu einer Zusammenarbeit gezwungen. Da von einer freiwilligen Zusammenarbeit aus Sicht der superexzentrischen Autorin keine Rede sein kann unternimmt sie mehr oder weniger unbewusst alles, um dem Enstehungsprozess in der Entwicklung mit den Disney-Autoren Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Parallel dazu schildert der Film in Rückblenden die Kindheit der Autorin in Australien, welche vor allem durch die innige Beziehung zu ihrem phantasievollen, aber auch sehr schwermütigen Vater geprägt wird. Frägt man sich zu Beginn noch, wie aus dem süssen und fröhlichen kleinen Mädchen eine so verknöcherte Schachtel werden konnte, so wird dies im Laufe des Films immer deutlicher, bis sich am Ende dem Zuschauer dann die wahren Gründe dafür wie auch die realen Hintergünde zur Geschichte und den Figuren von Mary Poppins offenbaren. Das ist dramturgisch clever gelöst, da beide Erzählebenen Hand in Hand gehen und dem Zuschauer sukzessive mehr und mehr Details und Informationen geben. Gleichzeitig wird der zentrale Charakter von P.L. Travers wahrlich ganzheitlich betrachtet und am Ende des Films ergibt sich aus den Puzzle-Teilen ein vollständiges Bild.
Eine derart exzentrische britische Rolle schreit förmlich nach Emma Thompson und so klischeehaft die Rollenbesetzung auch klingt, so perfekt ist sie letztlich. Thompson spielt die Travers als überkandidelten und permanent über alles die Nase rümpfenden Snob und das macht sie mit einer solchen Hingabe, dass es vor allem in der schwungvollen ersten Filmhälfte das reinste Vergnügen ist. Angesichts ihrer scheinbar völlig überzeichneten Rolle frägt man sich wieviel echte Travers da noch übrig geblieben ist und muss dann im mit Original-Tonbandaufzeichnungen der Autorin unterlegten Abspann feststellen: die war ja offenbar tatsächlich so extrem drauf! Ihr zur Seite legt Tom Hanks seinen Walt Disney in erster Linie als den lieben, netten Onkel an und verkörpert damit genau das Bild, das Disney zeitlebens öffentlich von sich selbst inszenierte. Etwas anderes war in einer Disney-Produktion (welches Saving Mr. Banks ja nunmal ist) aber ehrlich gesagt auch nicht zu erwarten. Die dunkleren Seiten des Mickey Maus-Erfinders werden jedenfall hier nie thematisiert – mal abgesehen von seinem Laster des Rauchens. Darstellerisch würde ich Hanks Darbietung über weite Strecken als routiniert bezeichnen, allerdings brilliert er dann in der Schlüsselszene gegen Ende des Films, als es Disney gelingt die Travers doch noch davon zu überzeugen, dass ihr Stoff bei ihm in guten Händen ist. Die prägende Rolle von Travers Vater spielt Colin Farrell mit intensiver innerer Zerissenheit und trägt damit viel zum in der zweiten Hälfte zunehmend dramatischer werdenden Ton des Filmes bei. Paul Giamatti glänzt – mal wieder – in einer kleineren, aber wichtigen Nebenrolle als Studiochauffeur der Travers und ist mit seiner gleichermaßen komödiantischen wie herzerwärmenden Darstellung so etwas wie die gute Seele des Films.
Beginnt Saving Mr. Banks in weiten Teilen der ersten Filmhälfte als schwungvolle Komödie, so entwickelt sich der Film wie bereits erwähnt mit zunehmender Dauer immer mehr in Richtung Charakterdrama. Generell ist festzuhalten, dass dieser Schwenk zwar weitgehend elegant gelungen ist, der Film aber innerhalb der ersten Hälfte nicht zuletzt wegen des deutlich höheren Tempos einiges mehr überzeugen kann. Die zweite Hälfte entwickelt sich um einiges gemächlicher und nach all der heiteren Fröhlichkeit zu Beginn war mir die geballte Ladung Drama dann doch fast etwas zuviel des Guten. Dramaturgisch macht diese Entwicklung wie auch der Kontrast zwischen heiter und ernst natürlich durchaus Sinn, da dadurch erst die Enstehung der Poppins-Figuren und Geschichte nachvollzogen werden kann wie auch die charakterliche Entwicklung der Autorin nur so Sinn macht. Das ändert aber nichts daran, dass der Film in meinen Augen in seiner komödiantsichen Hälfte gelungener ist als in seiner dramatischen. Festzuhalten bleibt aber auch, dass Saving Mr. Banks zu keinem Zeitpunkt nicht zu unterhalten weiss. Und auch wenn der Film gefühlte 20 Minuten zu lang ist so bietet er dennoch in jeder Szene interessantes. Die guten Darsteller und die schöne Musik von Thomas Newman tun ihr übriges und so mag Saving Mr. Banks zwar keine filmische Großtat sein, aber nette Unterhaltung ist ja auch was Feines.
Wertung: 7,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"