Jack Ryan – Shadow Recruit (2014) – Kenneth Branagh
Die gute Nachricht gleich vorweg: George Clooney kann wieder beruhigt schlafen, er ist die Rote Laterne des Kinojahres 2014 wieder los! Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: allzu schwer hat es ihm Branaghs Agenten-Zinnober auch nicht gemacht, bedient er doch instinktsicher nahezu alle negativen Klischees, die man schlechtgemachten aktuellen Actionfilmen gemeinhin nachsagt. Dabei beginnt der Film durchaus ansprechend und unterhaltsam, so startet die mittlerweile fünfte Ryan-Verfilmung mit der wahnsinnig innovativen Idee den guten Jack in jungen Jahren am Anfang seiner Karriere als CIA-Analyst zu zeigen mit samt zärtlicher Liebelei zu seiner großen Liebe Cathy, die – weil sein Job ja top secret ist – aber nix wissen darf von seiner Tätigkeit. Moment mal, hatten wir den exakt gleichen Reboot nicht schon im vorangegangen Film Der Anschlag? Egal, die dreiste und Hollywood-typische Dublette fällt noch nicht mal groß ins Gewicht, da dieser Teil des Films durchaus ansprechend und kurzweilig in Szene gesetzt wurde. Schön, dass endlich auch mal auf Jacks militärischen Background eingegangen wird und seinen karriereentscheidenden Heli-Unfall mit daraus resultierender Rückenverletzung (von der im Rest des Films aber auf wundersame Weise nix mehr zu merken ist – Wunder der Medizin sei dank!). Nett auch der Einstieg in Form des 9/11-Attentats als Wegweiser für den beruflichen Werdegang des jungen Jack. Wir erleben im weiteren Verlauf wie Ryan von einem alten CIA-Hasen, gespielt von Kevin Costner, rekrutiert wird und Jahre später an der Wall Street der ganz großen Verschwörung auf die Schliche kommt, mit der die Russen die amerikanische Wirtschaft lahm legen wollen. Jack muss nach Moskau, um Beweise zu finden und dann geht der Schlamassel erst richtig los. Leider macht der Film hier dann auch einen kapitalen Sinkflug und behält sein vom Radar kaum noch zu ortendes niedriges Niveau für den Rest des Films. Wobei man fairer weise sagen muss, dass der Mordanschlag auf Ryan in Moskau noch gut in Szene gesetzt wurde, wenngleich sich die Parallelen zu Daniel Craigs ebenfalls gekachelter 00-Inthronisierung (was für ein Kalauer
) in Casino Royale nicht wirklich übersehen lassen.
Alles danach: gähn. Nicht nur, dass Branaghs Inszenierung lahm und schwunglos ist, fast noch schlimmer ist die Einfallslosigkeit und Inhaltsleere des Drehbuchs. Fast eine ganze Stunde darf man erleben, wie Ryan samt Herzblatt mit dem von Branagh erstaunlich klischeehaft gegebenen russischen Oberschurken diniert, um sich unauffällig (hahaha, gleich mehr dazu) davonzustehlen und im Büro des russischen Obermotz einen kleinen Datendiebstahl zu begehen. Nicht nur, dass diese Plotidee so oder ähnlich bereits gefühlte 50 mal in anderen Filmen vorkam, die darstellerische Posse mit der Mr und (zukünftige) Mrs Ryan ihren russischen Gegenpart hinters Licht führen ist geradezu grotesk und völlig unglaubwürdig. Und eben wie bereits angedeutet von Branagh leider auch schlafmützig und weitgehend spannungslos inszeniert. Wie man überhaupt festhalten muss, dass der gute Kenneth offensichtlich etwas zuviel Gefallen an den Bourne-Filmen gefunden hat - so sehr übertreibt er den Einsatz von Wackelkamera, bewussten Unschärfen und Schnittstakkato – und hechelt damit dem Trend ja auch schon wieder ein gutes Jahrzehnt hinterher. Das kann man mögen oder auch nicht, im speziellen Fall von Shadow Recruit wirkte es auf mich vor allem anstrengend und bemüht. Viel mehr an Handlung gibt es dann auch nicht, eine Autoverfolgung durch Moskau und eine Terroristenhatz durch New York per Moped, auf der der olle Bürohengst Jack dann endgültig zum Actionhelden transformiert wird – ganz wie es Hollywood ja eigentlich eh schon von Anfang an gewollt hat. Am Schluss ist alles gut, Ryan hat die Welt gerettet und ist bereit für neue Aufgaben (hoffentlich nicht...).
Shadow Recruit ist in weiten Teilen so einfallslos, beliebig und inhaltsleer, dass es schon wirklich schmerzhaft ist am Ball zu bleiben. Die gerade mal knapp über 100 Minuten zogen sich ab dem 2. Drittel schier endlos – es wollte einfach nix passieren. Die Geschichte ist so dünn und austauschbar, dass sich der in dieser Disziplin so einfallsreiche Tom Clancy im Grabe umdrehen muss. Darstellerisch spielt sich das Ganze auch allerhöchstens im Durchschnitt ab. Chris Pine entpuppt sich nicht als ganz so große Fehlbesetzung wie zunächst von mir befürchtet, aber wirklich die charakterlichen Vorgaben der Ryan-Figur kann er dennoch nie erfüllen. Der sonst eigentlich immer zuverlässige Costner bleibt ebenfalls bemerkenswert blass, was aber weniger an ihm liegt als mehr an der Tatsache, dass er kaum Raum und gute Zeilen bekommt, um was daraus zu machen. Überhaupt sind eigentlich alle Figuren völlige Cardboard-Charaktere, denen keinerlei Background oder gar Charaktertiefe zugestanden wird (Ryan ist durch die bereits erwähnte Rolleneinführung hier eine klitzekleine Ausnahme). Gruselig, was man aus den genialen Vorlagen Clancys gemacht hat, das ist mundgerechter Mainstream-Mist für sehr Anspruchslose.
Wertung: 4 / 10
P.S. Abgesehen davon, dass Shadow Recruit filmisch in meinen Augen einfach Murks ist muss man sich schon die Frage stellen, wie viel Vorlage sollte in einer Verfilmung noch drin sein, damit diese berechtigterweise überhaupt noch mit der literarischen Basis hausieren darf. Nicht dass die vorangegangenen vier Filme sich alle wortwörtlich an die zugrundeliegenden Bücher gehalten hätten – auch hier gab es genügend Freiheiten – aber Shadow Recruit treibt das Ganze dann so weit, dass der besagte Schattenrekrut eigentlich genauso gut auch John Smith heissen könnte. An Figuren blieb außer Jack selbst und seiner Flamme Cathy niemand mehr übrig. Dummerweise ist Jack auch kein Actionheld wie uns Branagh weiss machen möchte, sondern der Clou an der Figur ist ja gerade, dass er eher ein Bürohengst ist, der unfreiwillig in die Schusslinie gerät. Branagh inszeniert Pine spätestens ab der zweiten Hälfte des Films aber als tatkräftigen und zu allen Schandtaten bereiten Feldagenten. Die Idee Cathy ins Agentenspiel mit reinzuziehen ist auch ziemlich dämlich und widerspricht allem, wie Clancy sie charakterisiert hat. Handlungstechnisch findet sich in Shadow Recruit etwas DNA aus Clancys Ehrenschuld und mit viel viel Phantasie minimale Verweise auf Der Kardinal im Kreml. Aber das ist beides so wenig, dass es kaum der Rede wert ist. Nicht dass komplett neu erfundene Storys schlecht sein müssen (die Bondfilme sind der beste Beleg dass dies nicht der Fall sein muss), aber wenn ich diverse unverfilmte Perlen in Petto habe, muss ich dann ein so einfallsloses Script wie das von Shadow Recruit verfilmen? Ganz ehrlich: der „Reboot“ ist in meinen Augen der Sargnagel für die Figur Jack Ryan. Entweder richtig oder gar nicht, aber so eine Leichenfledderei wie im aktuellen Film braucht kein Mensch.
Was die „alten“ Filme angeht bin ich (mal wieder) ganz bei Vodka was die qualitative Reihenfolge angeht:
1. Jagd auf Roter Oktober 9 / 10
Großartiger Connery, toller Baldwin (obwohl eigentlich etwas zu glamourös für die Rolle, aber eben wohl unbestreitbar auch der schauspielerisch beste Jack Ryan aller Zeiten), zügige und spannende Inszenierung
2. Das Kartell 8 / 10
Spannend, vielschichtig, düster, inhaltlich komplex. Und Ford ist einfach der perfekte Jack Ryan, gerade was den etwas „verstaubten“ Bürocharme angeht.
3. Die Stunde der Patrioten 7,5 / 10
Über weite Strecken spannend und atmosphärisch toll mit sehr gut besetzten Rollen (Jackson, Fox, Bean, Bergin, Harris, Freeman). Das hollywoodtypische Actionende zieht den Film etwas runter.
4. Der Anschlag 7 / 10
Handwerklich routiniert, ebenfalls recht spannend. Affleck ist leider fehlbesetzt als Ryan, die politisch korrekten Änderungen und Eindampfungen der Vorlage sind teilweise auch eher grotesk geraten (österreichische Neonazis!)