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von ProfessorDent
Agent
Zum Abschluss meines kleinen Mini-Marathons gibt’s noch das Review zu Spectre!
Man geht ins Kino, schaut sich den Film später zuhause öfters auf DVD an, hat die meisten Logiklöcher gefunden, ist aber soweit ganz zufrieden. Dann werden die Gerüchte lauter, Spectre wäre der letzte Craig Bond und plötzlich macht alles Sinn. Drei mehr oder weniger einzelne Filme, die dann im vierten zusammengebracht werden und so nachträglich zu Fortsetzungen werden. Das Ende ist versöhnlich und für einen Craig Bond das erste Mal, dass er so endet, wie die meisten anderen Bonds bis CR auch geendet haben. Bond und das Bondgirl verschwinden miteinander. Man selber weiß aber ziemlich sicher, dass Craig noch einen Bondfilm machen wird und bekommt Sorgenfalten, wie der nächste Bond daran anknüpfen soll.
Spectre erinnert mich an TB und insbesondere an TSWLM, als die Devise ausgegeben wurde: „Alles vom Feinsten.“. Tatsächlich sieht man Spectre sein enorm großes Budget an, die Sets und Locations sind gut gewählt und gebaut und auch die CGI braucht sich absolut nicht zu verstecken. Abermals hat man Sam Mendes an Bord und schafft, wie bei Skyfall, eine gut erzählte, packende Inszenierung. Das beginnt mit der PTS und ihrem One-Shoot-Anfang, die einem schon mal klarmacht, worauf man sich in den nächsten 2 Stunden einstellen kann, nämlich auf enorm gute Action. Das nächste Highlight ist zweifelsohne das Spectre-Meeting in Rom. Atmosphärisch wieder einmal atemberaubend und in seiner Bedrohlichkeit an das Meeting in Feuerball erinnernd, hat Mendes sicherlich eine Szene geschaffen, die auch dem durchschnittlichen Kinogänger auf längere Zeit in Erinnerung bleiben wird. Solche Szenen bekommt er übrigens erstaunlich oft hin, zum Beispiel die Flugzeugaction im Schnee, die wiederum handwerklich top ist und dabei auf weniger CGI zurückgreift als man denkt (dank des Budgets), oder den Kampf im Zug. Hervorragend ist außerdem das Londoner Finale, was meiner Meinung nach zu den stärksten Showdowns in der Bond-Historie zählt.
Die Erinnerung an TSWLM würde sich freilich nicht so aufdrängen, wenn man nicht im Gegenzug für das Lob an der Umsetzung der Handlung, die Handlung als solche kritisieren muss. Dass man QOS und CR in das Spectre-Korsett zwängt, war offensichtlich und es gelingt auch recht gut, einige Dialoge in CR und QOS bekommen halt eine andere Bedeutung, aber vertretbar ist es allemal. Vielleicht hätte man sich dier Erwähnung von Quantum am Ende von QOS sparen können, aber das ist nebensächlich. Das Problem ist, dass man unbedingt auch Skyfall und damit Silva zum Spectre-Mann machen musste. Ein Logikloch aus Skyfall wird damit immerhin gestopft, nämlich warum Silva die Festplatte überhaupt stielt. Nur um Druck auf M aufzubauen? Wohl kaum, da macht die Unterstützung von Blofeld und Spectre doch mehr Sinn. Leider bedeutet das in letzter Konsequenz, dass Silvas Rachegelüste gegenüber M nur der zweite Teil eines Deals war, den er mit Spectre geschlossen hat und die Sache mit M nur das Zugeständnis von Oberhauser an Silva war, wofür Silva den MI6 hacken sollte und die Festplatte gestohlen hat. Das nimmt Skyfall und Silva einiges an Bedrohlichkeit und stellt den Film im Nachhinein in ein seltsames Licht.
Kommen wir zu Oberhauser selbst. Da klagt man sich über Jahre die Recht an Blofeld zurück und dann verheizt man ihn in einer so dämlichen Vorstellungsszene während der Folter. „Franz Oberhauser starb vor vielen Jahren, ich nenne mich jetzt Ernst Stavro Blofeld, die Familie mütterlicherseits.“. Da hätte man ihn auch Kai Pflaume nennen können. Wir erfahren, dass Oberhauser seinen Vater umgebracht hat, weil sich dieser mehr um Bond als um ihn gekümmert hat und von Franz wollte, dass er Bond als seinen Bruder sieht. Schön, aber warum bringt er dann seinen Vater um und nicht Bond? Ich bin immer wieder froh, dass man Oberhauser nicht auch noch den Satz „Alles was dir jemals passiert ist, war meine Schuld, ich hatte von Anfang an den Plan, dich fertig zu machen und alles was Du dienstlich zu Tun hattest, war bloß ein Vorwand, um dir zu schaden.“ gegeben hat und dass man so zumindest hoffen kann, dass ihre Begegnungen vorher nur zufällig passiert sind, weil sich Bond und der MI6 in die Angelegenheiten von Spectre eingemischt haben.
Zudem schwächelt die Handlung, weil sie enorm viele Ähnlichkeiten zu der von Skyfall aufweist, es gibt also wieder mal Probleme beim MI6, der zumindest teilweise in den Untergrund flüchtet (die Szene mit Tanner auf dem Weg zu Q ist ziemlich offensichtlich die Doublette zur entsprechenden Skyfall-Szene).
Eigentlich will ich gar nicht so viel Negatives schreiben, aber ich muss noch ein bisschen was zu den Dialogen loswerden, denn die sind streckenweise echt nicht gut. Es ist der Versuch, an das dialogemäßig geniale CR heranzukommen, der in pseudopsychologischen Halbsätzen endet, wie zum Beispiel mit Moneypenny: „They say you’re finished.“ - „What Do you think?“ – „I think you’re just getting started.“ oder den dämlichen Dialog mit Donna Lucia, bevor die Liebesszene beginnt, hervorbringt. Das ist alles effekthascherisch, mit dem Versuch, wirklich großartige Dialoge zu schreiben, der aber mal mehr und mal weniger misslingt.
Das nächste Ärgernis ist die Musik. David Arnold hat 5 Filme gemacht, John Barry sogar 11 und trotzdem haben sie es geschafft, außer dem Bondthema und gelegentlich dem 007 Thema keine Songs zu recyceln oder zu kopieren. Newman schafft das leider nicht. Der Soundtrack ist ja nicht schlecht, er ist sehr schwerfällig und unterstützt damit Mendes Art zu inszenieren, zudem trägt er mit den vielen Bondthemavariationen extrem zum Bondfeeling bei, aber das gleiche lässt sich auch über SF sagen, warum? Weil der Soundtrack zur Hälfte identisch ist und das ist einfach nur schwach, denn es hindert den Film daran, seine eigene Identität aufzubauen und kettet ihn unnötigerweise mehr an Skyfall, als er es sowieso schon ist. Ich kann normalerweise jedes Stück Filmmusik dem richtigen Bondfilm zuordnen, beim Soundtrack von Spectre würde ich wohl bei zwei Dritteln auf Skyfall tippen, die neuen, eigenen Songs sind in ihrer Machart so nah an Skyfall dran, dass ich nicht garantieren könnte, sie richtig zuzuordnen.
So, jetzt habe ich ziemlich lange über die Schwächen von Spectre geschrieben, und muss jetzt rechtfertigen, warum der Film trotzdem 8,5 von 10 Punkten bekommen soll. Wie gesagt, die Inszenierung bewegt sich auf konstant hohem Niveau, die Bilder, die Mendes und der Kameramann erzeugen haben das Zeug, die Filmreihe auf längere Zeit zu prägen und die Verwandlung von der „Waffe auf Beinen“ zum einigermaßen normalen Bond, gibt der Craig-Ära zumindest einen sauber durchgezogenen roten Faden. Meine inhaltlichen Kritikpunkte sind Punkte, die dem durchschnittlichen Publikum gar nicht und auch mir erst nach vielen Sichtungen bewusst geworden sind und sie fallen auch nicht so sehr ins Gewicht, als dann man dem Inhalt weniger als 7/10 Punkten geben könnte. Dem gegenüber stehen abermals 10 Punkte für die Inszenierung, also zusammen 8,5 von 10 Punkten für Spectre.