Casino Hille hat geschrieben: 28. November 2022 13:24
Spielbergs Kino ist in seinen besten Momenten magisch und über welches limitierte Instrumentarium er verfügen soll, ist mir nicht klar. Kaum einer hat so viele Klassiker geschaffen und die Popkultur filmisch so geprägt und mitdefiniert. "Der weiße Hai", "E.T.", "Jäger des verlorenen Schatzes", "Unheimliche Begegnung der dritten Art", "Schindlers Liste" etc. Ihn jetzt auf einen "effektiven" Mainstreamler zu verkürzen, wird ihm wahrlich nicht gerecht. Er mag nie intellektuelles Laber-Kino à la Michael Haneke gemacht haben (Gott sei Dank!), aber er hat selbst mit weniger massentauglichen Stoffen (Beispiel: "Bridge of Spies") oft ein Publikum gefunden – gerade weil seine sentimentales Storytelling (ich würde es eher emotional nennen) noch heute Anklang findet. Muss man anerkennen, und ich bin die letzten Jahre weiß Gott keiner gewesen, der Spielbergs Kram durchweg bejubelt hat. Limitiert ist er aber nun wirklich nicht – jedenfalls nicht mehr oder weniger als zum Beispiel Michael Haneke es auch ist.
Seinen "Tintin" schätze ich ebenfalls sehr, der und "Gefährten" sind die großen Ausnahme-Spielbergs der letzten 20-30 Jahre – plus besagtem Film, der im März 2023 hierzulande startet und den ich ohne Zögern in einem Atemzug mit "E.T." und "Der weiße Hai" nennen würde.
Interessant, diese Haltung hätte ich jetzt in dieser Form nicht von dir erwratet
.
Wenn es um Abenteuer, Action, Thrill, Timing und Suspense geht, so sehen wir das hinsichtlich Spielbergs unbestreitbaren Talenten und seinem Erfindungsreichtum ganz ähnlich.
Seine meines Erachtens unübersehbaren handwerklichen, wie auch geistigen Limitierungen liegen im Umgang mit historischen, oder besonders ambivalenten Stoffen. Aus einer potentiellen Vergasung einen Spannungsmoment zu erzeugen, diesen auch als Spannungsmoment für das Publikum zu inszenieren, ist eigentlich gänzlich untragbar und zeugt nicht gerade von Reflexivität gegenüber eines derartigen Themenkomplexes wie die Shoah. Auch Auschwitz ist völlig an der Realität der Lagerinfrastruktur zu Gunsten eines Schauder-Effektes (die im Film überdimensionierten Schornsteine der Krematorien waren nicht vom Bahnhof aus sichtbar, schon bereits aus dem einfachen Grund nicht, Aufstände bei der Ankunft der Gefangenen möglichst zu unterbinden) rekonstruiert. Berücksichtigt man die peinlich genaue Rekonstruktion des Außenlagers Plaszow und der Villa Amon Göths, erscheint der Faux-Pas hinsichtlich der Darstellung Auschwitz Birkenaus noch gravierender. Hier verkauft Spielberg wie so oft in seinen historischen Filmen das Thema unter Wert, um einen dramatischen und fesselnden Effekt für die Zuschauer*innen zu erzielen, was ich in diesem besonderen Fall für ethisch falsch halte - ungeachtet davon, wie sich Herr Spielberg sonst positioniert, seine Absichten sind ja nicht schlecht. Das ist manipulatives Verdummungskino, das zum unreflektierten Konsum animiert. Hinzu kommen die omnipräsenten dramaturgischen Mittel des Melodrams und des Actionkinos, das was Spielberg eben am besten beherrscht. Das sentimentale Ende, der Zusammenbruch Schindlers ist an Schwülstigkeit nicht zu überbieten, der darauffolgende Hurra-Zionismus an Schindlers Grab setzt dem ganzen dann noch das Häubchen auf. Ich könnte jetzt auch Saving Private Ryan und Die Farbe Lila auseinandernehmen, aber das erspare ich uns an dieser Stelle.
Michael Haneke mag für einige zwar intellektuell erscheinen (ich empfinde ihn eher als unglaublich präzise und somit eben auch fordernd), aber "Laber-Kino" ist was anderes, sorry. Das wird dem österreichischen Regisseur wahrlich nicht gerecht, zumal seine Filme bis auf zwei Ausnahmen nun wirklich alles andere als gesprächig sind, und er doch auch visuell in der Lage ist, großartiges auf die Leinwand zu bringen?
Klar, man kann das jetzt als unglaublich abgehoben, langweilig und prätentiös abtun, und ja - Haneke wohnt auch eine pädagogische Komponente inne, ein Bedürfnis die Menschen zu erziehen, aber wenigstens verkauft er sein Publiklum nicht für blöd, sondern fördert den Austausch und somit auch den Diskurs. Er wäre für ein Projekt wie Schindler's Liste sehr viel geeigneter als Spielberg - da er eben wirklich in der Lage ist menschliche Ambivalenz zu zeigen, und nicht an plumpen, einfachen Antworten auf komplexeste Sachverhalte interessiert ist.
Dennoch, Haneke hier als Gegnbesispiel zu Spielbergs Kino anzubringen, entzieht sich meinem Verständnis etwas, oder wolltest du genau so eine Antwort lesen? Finde, das ist so ein typischer Äpfel mit Birnen-Vergleich.
Ich denke, dass beide Formen des Kinos bestens koexistieren können, nichts desto trotz liegen Spielbergs Stärken und Limitierungen auf der Hand. Das ist aus meiner Sicht perfektes Handwerk, aber keine Filmkunst, und das muss es ja auch nicht, um vergnüglich zu sein. Im Falle von Schindler's Liste ist das, was Herr Spielberg treibt, leider kontraproduktiv. Indem er Auschwitz umkonstruiert und Krematorien an Orten anbringt, an denen keine waren, und Wasser aus den Leitungen kommen lässt (Zyklon B hätte ohnehin durch eine Dachluke eingelassen werden müssen), gießt er, wenn auch unfreiwillig natürlich, Öl in das Feuer der Holocaust-Leugner*innen, die sich ja gerne auf die "angstgetriebenen Hirngespinste" der Deportierten berufen, um die Existenz von Gaskammern und Krematorien zu negieren.
Spielberg IST der Mainstream und in weiten Teilen dafür verantwortlich, was als Mainstream-affin gilt und was nicht. Er hat es sogar geschafft eine neue Altersbegrenzung in das als extrem stoisch geltende Rating-System der USA durchzusetzen, das führt auch die wirtschaftliche Macht dieses lange Zeit eben auch sehr wirtschaftlich interessierten Menschen vor Augen. Natürlich ist Spielberg ein toller Regisseur und ich liebe seine Indiana Jones-TRILOGIE, Jaws, E.T. oder auch Duell, aber besonders substanziell oder gehaltvoll ist das, was er tut einfach nicht. Und wenn er sich an solche Stoffe wagt, kommt eben immer nur Establishment-konformes Konsenzkino bei raus.