vodkamartini hat geschrieben: 1. Granger
Ich bin nicht der Ansicht - was man in fast allen May-Büchern lesen kann -, dass Granger absichtlich die May-Formel auf die Schippe nahm bzw. auf die "lächerlichen Teutonen-Western" hinabblickte und sie versuchte ironisch zu demontieren.
Ich habe das ja auch schon in meinen Review geschrieben, Granger spielt exakt denselben Stil wie in seinen Abenteuerklassikern (Scaramouche etc.) aus den 50er Jahren, nämlich den gewitzten, flapsigen "Swashbuckler". Dementsprechend müsste er dann auch die lächerlich gefunden haben.
Möglicherweise hat er sich am Set arrogant benommen, aber das bedeutet nicht automatisch, dass er gleich den Film an sich lächerlich machen wollte. Zumal ein erfahrener Regiseur wie Vohrer kein Interesse daran haben konnte bzw. ganz schnell gemerkt hätte, wenn Granger den Film ins Lächerliche zieht.
Lass es mich mal so sagen: es gibt in der Tat keinerlei Beweise, dass Grangers Spiel seine belegbare Geringschätzung des deutschen Westerns widerspiegelt, wohl aber etliche Hinweise. Ich stimme dir aber in sofern zu, dass es zumindest durchaus möglich ist, dass Grangers Rolleninterpretation gewollt war und weniger oder vielleicht höchstens unterschwellig als Ausdruck seiner Geringschätzung gedacht war. So oder so war er Profi genug, dass seine Performance alle gängigen professionellen Standards erfüllte. Deinem Einwand bzgl. Vohrer möchte ich erwiedern, dass Wendlandt sich später über Granger so geäussert hat, dass er durch seine permanente Besserwisserei und Einmischerei Vohrer beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Allein diese Anekdote zeigt schon recht gut, wie wenig Möglichkeit der Einflussnahme auf einen solch großen Star ein Regisseur damals hatte. Ich denke daher, dass Vohrer vor allem interessiert daran war seinen Star bei Laune zu halten – und möglicherweise hat ihm Grangers möglicherweise bewusst wenig ernstahafte Darstellung ja sogar gefallen und in die Karten seines Filmes gespielt – denn Unter Geiern ist hier ein sehr genaues Abbild seiner Wallace-Filme, in denen Härte und Humor auch sehr eng ineinander verzahnt waren – im Gegensatz zu Reinl, bei dem das eigentlich immer streng voneinander getrennt ablief.
Deine Anmerkung mit Grangers Rollen der 50er stimme ich nur teilweise zu, da Grangers Rolleninterpretation da meinem Empfinden nach doch in eine etwas andere Richtung ging. Grangers Darstellung in den von dir genannten Filme ist vor allem geprägt durch seinen Charme, ein Merkmal auf das er bei seinem Surehand offenbar überhaupt keinen Wert legte. Nicht dass es ihm dort an natürlichem Charme fehlen würde, ganz im Gegenteil, aber die Sommer behandelt er ja wie ein kleines Mädchen – inklusive Klaps auf die Nase. Die Jovialität, die er als Surehand an den Tag legt fehlt seinen 50er Jahre-Helden auch weitgehend. Denk mal daran, wie er sich gegenüber Ustinov in Beau Brummel verhält: das ist geprägt von vornehmer Zurückhaltung, von der für Surehand üblichen Betatschung seiner Gegenüber ist da keine Spur. Auch der Humor ist in den 50er Jahre-Abenteuer deutlich subtiler als der in dieser Hinsicht eher grobe Unter Geiern, ganz besonders die Szenen mit Srdoc. Am ehesten ähnelt der Humor von Scaramouche noch dem in Unter Geiern, aber eigentlich auch nur, weil er da ja bewusst den lauten Clown spielt. In allen genannten Filmen hat er auch sehr leise, ernsthafte Szenen, auch das fehlt bei Surehand. Wenn er ernst ist, wie als er den toten Schoschonen-Häuptling findet oder als er von dem Überfall auf Baumanns Ranch erfährt, ist er eher grimmig. Alles in allem finde ich da schon sehr deutliche Unterschiede in der Darstellung und gerade die laute, joviale Darstellung legitimiert wie ich finde schon die Vermutung, dass dies auch durch seinen teilweise fehlenden Respekt gegenüber der Produktion motiviert war. Nachweisen lässt sich dies aber natürlich nicht und so bleibt es Spekulation. Aber wie auch immer: Grangers Vorstellung als Surehand ist erstklassig und nur das zählt.
vodkamartini hat geschrieben:
2. Winnetou
Brice wirkt hier nicht wie ein Fremdkörper, sondern imo etwas weniger entrückt und menschlicher. Er lächelt wesentlich öfter als gewohnt. Die Chemie mit Granger stimmt imo durchaus, zumindest vor der Kamera. Ich finde eher, dass man beim "Ölprinz" die behauptete Antipathie von Seiten Brices viel deutlicher bemerkt.
Ich bestreite auch nicht, dass Brice in einigen Szenen tatsächlich etwas menschlicher wirkt, gerade im Finale, aber es gibt aber auch diverse Szenen, in denen das glatte Gegenteil davon passiert, da erlebt man dann einen sehr irritierten Brice, dem es sichtlich unangenehm ist wie Granger mit seiner Figur umgeht. Man kann davon ausgehen, dass Granger viele der physischen Berührungen (der fast obligatorische Klaps, den sein jeweiliger Schauspiel-Partner von ihm erhält) improvisiert hat und zuweilen schaut es so aus, als ob das Brice förmlich aus dem Konzept bringt. Einmal bekommt er zB von Granger einen Klaps auf die Brust, woraufhin er irritiert nach untern schaut. Wenn man weiss, wie ernst Brice seine Winnetourolle und deren Aussage (Friede zwischen den Kulturen, alle Menschen Brüder, etc) nimmt – man denke an seine Verstimmung über die Bully-Verhohnepipelung – dann kann man sich gut vorstellen, wie unangebracht er Grangers Darstellung empfunden haben muss. Fremdkörper ist ein hartes Wort, was ich eigentlich ausdrücken wollte ist, dass Brice´entrückter Rollenansatz, der bei Reinl so wunderbar funktioniert, im Vohrerschen laut-jovialen Surehand-Wabble-Annie-Kosmos irgendwie deplaziert wirkt. Hinzu kommt, dass Brice in einigen Szenen mit Surehand einfach darstellerisch schlecht ausschaut, da er es hier mit einem anderen Kaliber zu tun bekam als mit dem darstellerisch ebenfalls eher limitierten Barker (und noch dazu mit einem, dem es offenbar Spass bereitete, seinen Gegenüber etwas aus dem Konzept zu bringen)
vodkamartini hat geschrieben:
3. Wabble
Dazu habe ich nichts geschrieben, denn die Figur ist einfach zu lächerlich und mal wieder gänzlich überflüssig (zumal diametral unterschiedlich zu Mays Version). Aber bei den humoristischen May-Einlagen sind wir ja nicht ganz einer Meinung.
Nunja, über Humor lässt sich bekanntlich nicht streiten – entweder man kann drüber lachen, oder halt nicht. Interessant finde ich aber, dass man zwischen den Zeilen deiner Kritiken schon rauslesen kann, dass dir die May-Filme offenbar besser gefallen würden, wenn man auf den für sie eigentlich typischen Humor ganz verzichtet hätte. Ich hingegen liebe die Filme nichtzuletzt wegen ihres eigenwilligen Sinnes für Humor, ganz besonders den sehr rustikalen Wabble-Humor (ich bin jetzt schon gespannt auf deine Kritik zum Ölprinz
). Das in anderen Filmen angebrachte Argument von der fehlenden Einbindung der humoristischen Figuren sehe ich bei Unter Geiern auch gar nicht, da Old Wabble wirklich gut in die Handlung eingebunden ist – praktisch alle seine Clowenereien entstehen aus der Handlung heraus oder dienen dieser – so merkwürdig dies zunächst klingen mag, aber jede seiner Szenen hat irgendeine Funktion, wie zB die Einführung von Surehand oder die Gefangennahme von Baumann.