S.P.E.C.T.R.E. hat geschrieben:
Ich bin ein absoluter Maradona-Fan, aber sieh dir mal den Sololauf genauer an. Da steigt keiner ordentlich drauf und bei dem heutigen Pressing hätte er an der Mittelauflage vermutlich überhaupt nur schwer den Ball bekommen. Es wäre heute auch noch möglich, siehe Messi, aber es ist sehr selten.
Es ist ja aber auch nicht so, dass ein solches Tor damals die Regel war. Außerdem darfst du gerade bei diesem Treffer nicht außer Acht lassen, dass das Spiel in der Mittagshitze auf über 2000 Meter Höhe stattfand. Das Tor fiel in der 55. Minute, als die Spieler schon ziemlich auf dem Zahnfleisch daherkamen, erstaunlich war dabei eigentlich eher, dass die Engländer so zäh waren und noch mal zurückkamen, jedenfalls fast. Wenn ich dran denke, wie platt die beiden Teams bei Deutschland-Ghana gestern abend nach rund 65 Minuten waren bei nicht ganz so extremen Bedingungen wird dann auch ein Schuh draus, da sah man auch kein konsequentes Pressing mehr.
S.P.E.C.T.R.E. hat geschrieben:
Medizin ja, effizienteres Training teilweise auch aber den Hauptgrund sehe ich in der Professionalität und der Einstellung. Leute wie George Best (Zitat eh schon wissen) und co hätten heute keine Chance mehr! Man liest immer wieder mal von früher als Spieler bis tief in die Nacht ins Glas geschaut haben und am gleichen Tag Spiele hatten. Oder einem völlig wamperten Maradona am Schluss seiner Karriere. Von dem her Respekt an Mario Basler, Kettenraucher und Alki, aber immer voll da auf dem Platz. Wenn man sich anschaut was damals so alles abseits des Platzes passiert ist und was heute passiert (ab und zu fährt mal einer ins Radar), dann ist das maximal ein laues Lüftchen dagegen.
So etwas ist heute undenkbar! Da wird von klein auf perfekt trainiert (siehe Messi), völlig professionell der Fussball in den Vordergrund gestellt, da werden Zusatzschichten eingelegt (CR7), da wird dem Sport alles untergeordnet. So sollte es auch sein auf höchster Ebene, den Schlendrian gibt es einfach nicht mehr, das kann sich auch niemand mehr leisten (Ausnahme untere Ligen). Gewinnen fängt im Kopf an, nur wer bereit ist alles zu geben wird den Erfolg ernten. Es wurde/wird auch niemand daran gehindert, härter und öfter zu trainieren.
Die haben früher nicht wesentlich weniger trainiert, aber eben nicht so effizient. Es ist ja nicht so, dass in den 70er und 80er Jahren – gerade die deutschen Teams – die Mannschaften bessere Freizeitkicker waren. Die waren auch damals schon sehr gut trainiert, aber eben nur im Rahmen des technisch und wissenschaftlich möglichen. Du widersprichst dir quasi auch selbst in dem du Basler anführst, der eben 25 Jahre nach Best spielte und daher auch von den in dieser Zeit verbesserten Bedingungen profitierte. Es ist ja nun auch nicht so, dass Best nur besoffen auf dem Platz rumgewankt ist. Breitner hat es mal sehr schön dargelegt: es stellt prinzipiell kein Problem dar zwischen Spielen und Trainingseinheiten auch mal auf den Putz zu hauen, wenn man dadurch sein Trainingspensum nicht vernachlässigt. Toni Schumacher zeigte sich in seinem Anpfiff entsprechend beeindruckt, als er Breitner die Trinkkonstitution eines Kosaken zugestand, der am anderen Tag aber wie ein Uhrwerk trainieren konnte. Wie du richtig schriebst: gewinnen fängt im Kopf an, eine „saubere“ Lebensweise mag langfristig kontraproduktiv sein, letztlich sind solche Ablenkungen aber auch nur ein kleines Mosaiksteinchen zum bzw gegen den Erfolg.
S.P.E.C.T.R.E. hat geschrieben:Genauso wie Taktikschulungen oder Gegneranalysen, was hat sowas mit der Zeit zu tun? Das wäre auch damals möglich gewesen. Eigene Fitnesstrainer als Standard, warum nicht? Das sind ein paar Jahrzehnte, nicht ein paar Jahrhunderte. Abseits der Medizin und gewisser technischer Fortschritte wäre das damals alles auch möglich gewesen. Ich sehe hier auch nicht, was das mit "aktuelle Errungenschaften im Sport" zu tun. Professionalität geht immer und überall, es muss nur der Wille dazu herrschen...
Schön gesagt, aber wer hätte das denn bezahlen sollen? Das lässt sich vom heutigen Standpunkt, wo so dermaßen viel Geld im Fussball im Umlauf ist leicht sagen. Da stellt es keinerlei Problem dar für die großen Verbände und Clubs sich einen Riesenstab zu leisten, damals war es das aber schon. Auch verkennst du völlig, dass der sportwissenschaftliche Stand vor ein paar Jahrzehnten eben ein komplett anderer war als heutzutage. Gegneranalysen sind ebenfalls schon Jahrzehnte standard, Taktikschulungen ebenso – nur eben nicht in dem Maße wie heute. Das sich alles weiterentwickelt kann man der Vergangenheit kaum zum Vorwurf machen, in 25 Jahren wird der heutige Standard sicherlich auch nicht mehr state-of-the-Art sein.
S.P.E.C.T.R.E. hat geschrieben: ps: Fussball wird seit ewigen Zeiten gleich gespielt, bis auf ein paar Regeländerungen (Rückpass, Auswechslungen etc.) hat sich auch nicht viel getan. Aber die Einstellung hat sich drastisch geändert und das ist der Hauptpunkt!
Und genau da halte ich dagegen: in der heutigen Zeit wird den Fussballern doch jede noch so kleine Unanehmlichkeit abgenommen schon im frühesten Alter. Das manifestiert sich letztlich auch im Charakter und der Einstellung: wenn du nie wirklich kämpfen musst und auch harte Zeiten durchlaufen musst, dann fehlt dir dieser Aspekt letztlich auch auf dem Platz. Es ist sicher kein Zufall, dass gerade die „kleineren“ Nationen bei dieser WM die Mannschaften sind, deren Spieler förmlich brennen, während die großen Nationen in professioneller Gleichmütigkeit mal mehr mal weniger zu überzeugen wissen. Gerade in der Einstellung der aktuellen Generation sehe ich eine große Schwäche. Die von dir angeführte heutige höhere Professionalität ist keine Charakterstärke, sondern lediglich ein Resultat des professionelleren Umfelds.