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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

Verfasst: 15. Dezember 2024 19:52
von AnatolGogol
Horizon (2024) - Kevin Costner

Auch nach 3 Stunden ist mir nicht wirklich klar, was Costner dem Zuschauer mit dem ersten Teil seiner amerikanischen Sage eigentlich sagen will. Das Frontier-Epos teilt sich in drei Haupthandlungsstränge: eine Grenzansiedlung wird von einem Haufen dort heimischer Apachenkrieger niedergemetzelt, die daraus hervorgehenden beiden Subplots zeigt wie die Überlebenden damit umgehen und eine Gruppe Skalpjäger, die dadurch legitimiert Jagd auf Indianer machen. Eine Familiensippe will den Mordversuch an ihrem Vater rächen und ihren Stiefbruder zurückbringen. Ein Siedlertreck ist unterwegs nach Westen. Typische Westernversatzstücke also und genau hier liegt dann auch das Problem: all die in Horizon erzählten Geschichten hat man so oder so ähnlich im Genre schon desöfteren zu sehen bekommen und – das ist das eigentlich enttäuschende – leider auch bedeutend besser.

Denn Costner gelingt es in meinen Augen nicht den eher übersichtlichen Handlungsparametern wirklich interessantes zu entlocken. Das geht dann einher damit, dass viele Szenen enthalten sind, die den Handlungsverlauf nicht wirklich vorantreiben und eher triviale Dinge behandeln. Das verlangsamt zum einen das ohnehin nie wirklich hohe Tempo, trägt aber gleichzeitig auch zu dem Eindruck bei, dass man hier inhaltlich eher einen frühen Rohschnitt anschaut, denn einen final geschnittenen Kinofilm. Gefühlt hat der Film mindestens eine halbe Stunde Füllmaterial und erinnert damit eher an diesbezüglich ähnlich üppig aufgestellte Serienformate denn an einen zielorientiert geschnittenen Kinofilm.

Auch figürlich lies mich Horizon eher unterwältigt zurück. Ja, es gibt eine ganze Parade an Figuren – nur tiefer nähert sich der Film keiner von ihnen wirklich an. Es scheint gerade so, als ob Costner mehr daran interessiert ist Figuren zuzuschauen, als sie dem Zuschauer tatsächlich nahezubringen. Und so können drei Stunden dann schon recht lange werden.

Das ist schade, denn der Film hat durchaus auch seine guten Seiten. So ist Costner der anfängliche Indianer-Angriff sehr überzeugend gelungen. Ebenso weiss der nicht umsonst oscarprämierte Regisseur mit einer ganzen Reihe an toller Einstellungen zu überzeugen wie auch generell der Film eine schöne visuelle Gestaltung aufweist (wobei ich trotzdem immer noch der Meinung bin, dass das kleiner 1.85er Format dem Film wie auch seinem epischen Charakter keinen Dienst erweist). Aber auch hier gilt: Licht und Schatten wechseln sich erstaunlich direkt ab, etwa wenn Costners Figur von einem der rachsüchtigen Sippschaft fünf Minuten voll gelabert wird (was sich als sehr zäher Quasi-Monolog einer nervigen Figur erweist) bevor uns ein zwar kurzer, aber eben auch sehr spektakulärer Shoot-out förmlich von der Monotonie der Dialoge erlöst.

Leider konnte mich Costners Horizon nicht überzeugen. Das mag sicherlich auch am Konzept liegen, so hätte der Stoff vermutlich als Miniserie besser funktioniert. Aber es sind auch – vor allem – inhaltliche Dinge, die mich hier nicht überzeugen konnten. Das ist um so mehr für mich enttäuschend, da ich von Costners vorherigem Regiewerk sehr überzeugt war und bin, vor allem Der mit dem Wolf tanzt und Open Range. Aber gerade die figürliche Qualität dieser Filme bleibt Horizon weitgehend schuldig.

Wertung: 5,5 / 10

Re: Neue Horizonte — Die Filme von Kevin Costner

Verfasst: 15. Dezember 2024 21:36
von Casino Hille
Kann ich alles nachvollziehen und gleichzeitig fand ich den Film großartig, packend und vielschichtig. Er hatte eine literarische Qualität, mir war im Kino immer, als würde ich die ersten fünfundzwanzig Prozent eines wundervollen Romans lesen. Costner erlaubt durch seine epische Erzählweise einen vielschichtigen Blick auf den amerikanischen Grenzmythos und die zyklische Gewalt, die aus ihm resultierte und das Fundament der heutigen USA bildet. Mir gefiel es sehr gut, wie er dem Film - obgleich alle Handlungsbögen offen enden - eine Klammer verpasste, durch zwei Gewaltakte, einen zu Beginn und einen am Ende (beide großartig inszeniert und aufbereitet), die in direkter Abhängigkeit zueinander stehen.

Sicherlich ist nichts von dem, was Costner erzählt, wirklich neu, aber diese direkte Gegenüberstellung verschiedener Motive zur Ausgestaltung verschiedener Ebenen des Gründermythos hatte absolut ihre Stärken. Das erste "Horizon"-Kapitel erzählt von der gewaltsamen Eroberung des Indianerlandes, von der Ausbeutung naiver Hoffnungen und Träumen für Profit, von schon damals altmodischen Idealen wie Selbstaufopferung für Bedürftige, von einem jungen Land in einem riesigen Bürgerkrieg, das seine vorzivilisatorische Rohheit nur durch noch mehr Blutvergießen abschütteln konnte. Es geht darum, dass dieses Land durch Blut noch weitaus stärker bewässert wurde als durch Regen.

Mich hat das beeindruckt, und es hat mir viel Spaß gemacht, und ich habe den Film schon zweimal gesehen (einmal im Kino, einmal daheim auf 4K Blu-ray, und ich stehe bei stabilen 9/10). Ich freue mich, beim zweiten Kapitel wieder dabei zu sein, und hoffe für Costner (und für mich), dass er sein Projekt mit zwei weiteren Dreistündern noch abschließen kann. Allein mir fehlt etwas der Glaube.