Re: Die Entstehung von James Bond
Verfasst: 22. August 2016 17:18
Ich habe mal aus Umberto Ecos "Der Fall James Bond -ein Phänomen unserer Zeit" S 25-29 herauskopiert, was man über Bonds Herkunft und Werdegang weiss.
Vorlage für die Person war dieser jugoslawische Spion Popov -es gibt da eine verdammt gute Verfilmung mit Boris Karloff. Ist komplett vergessen und unauffindbar.
Der Name kam von einem Ornithologen, der ein Buch über die Vögel der westindischen Inseln (also die Antillen) schrieb. Flemming hatte ein Haus namens "Golden Eye" (!!) auf Jamaika.
Die Gesichstszüge in seiner virtuellen Vorstellung von Bond hatte er von dem US amerikan. Schauspieler Hoagy Carmichael
Vorlage für die Person war dieser jugoslawische Spion Popov -es gibt da eine verdammt gute Verfilmung mit Boris Karloff. Ist komplett vergessen und unauffindbar.
Der Name kam von einem Ornithologen, der ein Buch über die Vögel der westindischen Inseln (also die Antillen) schrieb. Flemming hatte ein Haus namens "Golden Eye" (!!) auf Jamaika.
Die Gesichstszüge in seiner virtuellen Vorstellung von Bond hatte er von dem US amerikan. Schauspieler Hoagy Carmichael
Von der Familie Bonds erfährt man nicht viel, immer-
hin das Notwendige, um sich klarzuwerden, daß es keine
üble Familie, jedenfalls nicht gerade die erstbeste sein
kann. Sein Vater war Schotte, die Mutter Schweizerin
(›On Her Majesty”s Secret Servíce<). Der Vater war An-
drew Bond aus Glencoe, die Mutter Monique Delacroix
aus dem Kanton Vaud. Da sein Vater Auslandsvertreter
der Firma Vickers war, hat er seine erste Erziehung im
Ausland genossen. Seine Eltern kamen bei einem Alpen-
unfall auf den Aiguilles Rouges in Chamonix um. Darauf
wurde er von einer inzwischen ebenfalls verstorbenen
Tante, der Miss Charmian Bond, in Pett Bottom, in der
Nähe von Canterbury in Kent, erzogen. Die Tante, die
von M als Dame von großer Bildung und Kultur beschrie-
ben wird, besorgte persönlich die Erziehung des Neffen,
der mit etwas über ız Jahren glücklich in Eton aufge-
nommen ~wurde, wo sein Vater ihn schon bei seiner Ge-
burt hatte einschreiben lassen. Schon nach zwei Jahren
wurde er aber wegen einer Geschichte mit einem Zim-
mermädchen der Schule verwiesen. Der Tante gelang es
darauf, ihn in Fettes einschreiben zu lassen, wo schon der
Vater studiert hatte, und wo den Schülern sowohl in den
wissenschaftlichen wie sportlích`<-:n Fächern ein Maximum
an Leistung abverlangt wird. Als er mit siebzelm Jahren
sein Schulstudium abschloß, hatte Bond als Leichtge-
wichtler zweimal die Farben seiner Schule repräsentiert
und den ersten Judokurs eingeführt. Er gab sich für neun-
zehnjährig aus, und mit der Hilfe eines alten Kollegen
seines Vaters gelang es ihm, in die Marine und das Amt
aufgenommen zu werden, das sich später als das Vertei-
digungsministerium herausstellen sollte. Am Ende des
Krieges hatte er den Dienstgrad eines Fregattenkapitåns.
Er stellte den Antrag, für das Ministerium weiterarbeiten
zu dürfen (›You Only Live Twice<). Er hat ein privates
Einkommen von tausend Pfund im Jahr, besitzt ein klei-
nes aber komfortables Apartment in einem vornehmen
Viertel, in der Nähe der Kings Road in London, und hat
eine ältere schottische Haushälterin namens May in sei-
nen Diensten (›Moonraker<). Seine gute soziale Herkunft
wird auch durch seine vielfachen Talente bestätigt. Das
Skilaufen hat er als Junge in der berühmten Hannes-
Schneider-Schule von St. Anton gelernt. Er spielt ausge-
zeichnet Bridge nach der Methode Culbertson. Er spielt
gut Golf, womit er schon als Junge begonnen hat; er hat
das Temperament des Spielers, müßte nur seinen Schwung
verbessern und die schlechte Angewohnheit aufgeben,
den Ball zu stark zu schlagen, wenn kein Grund dazu be-
steht; wenn er trainierte, könnte er ein .watch-Spieler wer-
den, das heißt einer, der Vorgabe ››null« hat; aber sein
Handikap ist neun. Er ist ein guter Schwimmer und ge-
wandter Taucher. Er ist sehr tüchtig beim Roulette, tüch-
tig bei vielen Glücksspielen und auch bei einigen Gesell-
schaftsspielen. Er ist ein ausgezeichneter Autofahrer und
hat in seiner frühen Jugend als Amateur bei Autorermen
mitgemacht. Er beherrscht das Französische und Deut-
sche perfekt, zieht es aber vor, diese Sprachen nicht zu
benutzen, und zum Glück hat er fast immer mit Leuten
zu tun, die englisch sprechen. Er ist kein Snob: als ein
Beamter des College of Arms, des englischen heraldi-
schen Amtes, sich bemüht, ihm eine aristokratische Ab-
stammung nachzuweisen, verliert Bond das Interesse und
sucht die Unterhaltung sofort abzubrechen. Er liest nie
etwas anderes als die ›Times<, den ›Daily EXpress< oder
Fachbücher über Sport, zum Beispiel: ›Wie man immer
gut Golf spielt< von Tommy Armour. Er ist ein heftiger
Rassist: er haßt die Sowjets und Balkanbewohner, verab-
scheut die Neger und Chinesen, findet aber auch die
Franzosen lächerlich und betrachtet die Amerikaner mit
ziemlicher Herablassung. Die Italiener scheint er ganz
besonders zu schätzen. Er erwähnt sie nie, ohne eine un-
angenehme oder geradezu beleidigende Bemerkung hin-
zuzufügen: ››Auf Nummer 10 war ein blühend aussehen-
der junger Italiener, der sein Kapital zweifellos den Ein-
nahmen seiner zu Wucherpreisen vermieteten Wohnun-
gen in Mailand verdankte. Aller Wahrscheinlichkeit nach
würde er heftig und unüberlegt spielen; möglicherweise
würde er den Kopf verlieren und eine Szene machen«
(›Casino Royale <); ››Bill, eirı weibischer Italiener« (›Gold-
finger<); ››Nichtsnutzige Italiener, die mit Initialen be-
druckte Hemden tragen und den Tag damit verbringen,
sich zu parfümieren und Spaghetti zu essen«; »Ein Rudel
schlapper Italiener von der Sorte, die sich für die ganze
Woche mit Pizza vollstopfen und am Samstag eine Tank-
stelle ausrauben, um sich das Geld für den Sonntag zu be-
sorgen« (›Diamonds Are Forever<). Bond hat also alle
Merkmale des vornehmen Engländers.
Und was für ein Leben führt er? ››Er arbeitet seit 1958
für den englischen Geheimdienst und hat 1950 die Num-
mer oo7 bekommen, die ihm die Lizenz zum Töten gibt;
1955 wurde ihm der ››C. M. G. « verliehen, ein Orden,
den die Geheimagenten fast nie vor ihrer Pensionierung
bekommen« (›From Russia with Love <) ; ››Nur zwei- oder
dreimal im Jahr kam ein Fall, der seine Geschicklichkeit
erforderte. Für den Rest oblag er den Pflichten eines nor-
malen Zivilbeamten: ziemlich elastische Dienststımden
von ıo bis 18 Uhr; Mittagessen gewöhnlich in der Kan-
tine ; Abende bei Kartenspiel in Gesellschaft ein paar en-
ger Freunde oder bei Crockford, oder Liebesspiele bei
geringem Enthusiasmus mit einer der drei verheirateten
Frauen, mit denen er Umgang pflegte. Am Wochenende
gewöhnlich Golf mit ziemlich hohen Einsätzen in einem
der Clubs in der Nähe von London. Urlaub hatte er kei-
nen, aber normalerweise wurden ihm nach Beendigung
jeden Auftrags zwei Wochen Ferien zugestanden, zusätz-
lich zu einem eventuell benötigten Krankenurlaub. Er
verdiente ıooo Pfund im Jahr; darüber hinaus hatte er
eine steuerfreie Rente in Höhe von tausend Pfund. Wem
er im Außendienst zu tun hatte, konnte er soviel ausge
ben, wie er wollte, so daß er den Rest des Jahres von der
zweitausend Pfund netto, die ihm blieben, leidlich guı
leben konnte. Er gab fast alles aus, weil er so wenig wie
möglich auf der Bank haben wollte an dem Tage, an den
sie ihn fertiggemacht haben Würden« (›Moonraker <). Deı
Tod seines Autors hat ihn vor solch deprimierendeı
Möglichkeit gerettet, wie er ihn auch vor dem demüti-
genden Schicksal bewahrt hat, pensioniert zu werden,
wenn er die Altersgrenze von 45 Jahren erreicht hätte.
James Bond kann auch deshalb gut von seinen zweitau-
send Pfiınd leben, weil er für niemanden zu sorgen hat.
Er ist Waise und auch Witwer. Ein einziges Mal hat eı
sich verheiratet, am ı.]anuar 1962, auf dem englischen
Konsulat von München, mit der korsischen Gräfin Te-
resa di Vincenzo, genannt Tracy, Tochter des Chefs der
Union Corse, Marc-Ange Draco; seine Frau ist zwei
Stunden nach der Hochzeit von seinen Gegnern auf grau-
same Weise umgebracht worden (›On Her Majesty's Se-
cret Service <). Bei anderer Gelegenheit hatte er beschlos-
sen, eine gewisse Vesper Lynd zu heiraten, aber just die-
ses Mädchen nahm sich das Leben, weil sie ihn liebte, als
sowjetische Spionin ihn aber nicht lieben durfte (›Casino
Royale <). Normalerweise ist sein Verhalten den Frauen
gegenüber ››eine Mischung aus Wonkargheit und Leiden-
schaft. Langwierige Annäherungsversuche langweilten
ihn fast ebensosehr Wie die Zankereien, die unweigerlich
einem Bruch vorausgehen« (›Casino Royale <). _
Hierin, wie übrigens in vielen anderen Dingen, unter-
scheidet sich Bond nicht von der Mehrheit der Männer.
Die Wahl seiner Gebrauchsgegenstände zum Beispiel ist
reichlich konformistisch; er nimmt immer gute Marken-
artikel, aber solche von solidem und risikolosem Ruf.
Nichts Exzentrisches, nichts, das über eirı allgemein ho-
hes Niveau hinausginge. Sein Feuerzeug ist ein Ronson,
sein Rasierapparat ein Gillette, seine Pistole eine Beretta,
seine Golfbälle Penfolds, seine Uhr eine Rolex Oyster
Perpetual mit elastischem Metallarmband, die Golfstöcke
sind bei Cotton gekauft, die Golfschuhe sind Saxone;
seine Freundin Tiflany Case besitzt eine Armbanduhr, die
natürlich von Carrier ist. Die einzige Ausnahme bilden
die Zigaretten. Bond raucht sehr stark, 60 bis 70 Stück
am Tage; es sind eigens für ihn hergestellte Zigaretten
von Morland auf der Grosvenor Street in London, eine
Mischung sehr starker türkischer und griechischer Ta-
baksorten. Nach seiner Entziehungskur muß er tatsäch-
lich aufhören, sie zu rauchen und dafür zu den Duke of
Durham King Size mit Filter übergehen (›Moonraker<,
›Thunderbal1<). Wenn er diese Marken nicht zur Hand
hat, raucht er Senior Service (›The Spy Who Loved
Me<) oder Chesterfield King Size (›Goldfinger<). Aus be-
ruflichen Gründen reist Bond sehr viel; meistens bewegt
er sich dabei auf den traditionellen Wegen des Touris-
mus von Qualität: die Côte d'Azur, Florida, New York,
die Bermudas, Jamaika, das Engadin, Venedig. Auch in
der Wahl der Hotels und Night Clubs ist er ziemlich kon-
formistiseh: in New York wohnt er im Plaza oder im
St. Regis; er geht zu Sardi oder ins zı ; und folgender-
maßen gestaltet er einen Aufenthalt in Paris: zweites
Frühstück im Café de la Paix, in der Rotonde oder im
Dôme, Apéritif bei Fouquet; nachmittags einen Whisky
in Harry's Bar, Abendessen bei Véfour, im Caneton oder
im Cochon d'Or; nach dem Abendessen ein paar Schritt
auf die Place Pigalle; und nicht ohne Grund benutzt er
häufig den Guide Michelin (›For Your Eyes Only <). Das
Reisen ist für ihn keine echte Leidenschaft, im Gegensatz
zum Spiel: »Ihn amüsierte die Unparteilichkeit der Rou-
lettekugel oder der Karten, ihre ewige Launenhaftigkeit.
Es gefiel ihm, gleichzeitig Darsteller und Zuschauer zu
sein. Vor allem gefiel es ihm, allein verantwortlich für das
Endresultat zu sein« (›Casino Royale <). Das einzige Hob-
by des Geheimagentne ist sein Auto