Seite 191 von 719
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 9. Mai 2013 17:53
von danielcc
hier kann man die filmischen Innovation von Citizen Kane nachlesen
http://en.wikipedia.org/wiki/Citizen_Ka ... nnovations
Dazu empfehle ich diverse Ausschnitte auf youtube, die verdeutlichen, dass Citizen Kane vor allem visuell vollkommen neue Wege ging. Dinge die es damals wohl nicht gab und auch heute noch sehr stark wirken, wenn man sich drauf konzentriert. Da hat Welles toll mit der Kamera gespielt...
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 9. Mai 2013 20:20
von Maibaum
GoldenProjectile hat geschrieben:Im Kino - Citizen Kane (1941)
Drehbuch: Orson Welles & Herman J. Mankiewicz
Regie: Orson Welles
Darsteller: William Alland, Orson Welles, Joseph Cotten, Everett Sloane, Dorothy Comingore, Ray Collins, Paul Stewart
Bei den Kritikern und selbsternannten Fachleuten gilt Citizen Kane als einer der besten Filme aller Zeiten und ist auch immer auf den Top-Plätzen der Bewertungslisten wie der jahrzehntlich erscheinenden Sight & Sound Liste vertreten. Eigentlich habe ich mit diesem Klientel von Leuten, die sämtliche nach 1970 gedrehten Filme bei ihrer Auswahl gar nicht zu beachten scheinen, nicht viel am Hut - aufgrund seines Klassikerstatus wollte ich den Film aber sehen.
Zumal sich auch die Möglichkeit bot, Citizen Kane im Kino anzuschauen. Es gibt hier in Bern eine feine Kinemathek mit dem Namen Lichtspiel, in der regelmässig ältere Filme in originaler Qualität und mit originaler Technik gezeigt werden. Ein Patient meines Vaters und auch sein Cousin (der meines Vaters) arbeiten dort und haben uns begrüsst und durch die Archive mit 20.000 erhaltenen Filmrollen, originalen Filmplakaten und alten Kameras geführt, uns die Restaurierungs- und Visualisierungsräume gezeigt und einen Film im Mutoskop (800 Bilder) anschauen lassen. Dann gabs noch einen kleinen Vortrag zu Citizen Kane und schliesslich den Hauptfilm.
Ich weiss nicht recht, wie man einen Film beurteilt der von, ich sage mal altmodischen Cineasten, dermassen gefeiert wird, wenn man selber gar nicht jedes Detail begriffen hat. Durch die Wiedergabe auf altem Film war das Bild sehr dunkel, was es manchmal ernstlich erschwert hat, der Handlung zu folgen weil einige der Akteure schwierig zu unterscheiden waren. Gut war das Spiel von Orson Welles und Joseph Cotten aber allemal, ebenso der Score vom brillanten Komponisten Bernard Herrmann, der unter anderem auch Immer Ärger mit Harry, Der Unsichtbare Dritte, Psycho und Taxi Driver musikalisch toll untermalt hat. Das besondere Merkmal von Citizen Kane ist aber die verschachtelte Struktur der Erzählung, welche quasi die Handlung - das Lösen eines Puzzles - verdeutlicht. Wie auch bei einigen Nolan-Filmen wird das Motiv des Films also gewissermassen visuell verarbeitet, was mir grundsätzlich gut gefällt.
Citizen Kane ist ein guter aber schwieriger Film, der vielleicht auch einen Zacken zu weit von meiner Generation entfernt ist - im Gegensatz zum neuen S&S Spitzenreiter Vertigo den ich immer besser finde.
7,5 / 10
Ach GP, jetzt enttäuschst du mich aber ...
Du würdest also behaupten daß man um CK brillant zu finden irgendwie von gestern sein muß?
Und daß die Fachleute eigentlich nur selbsternannte sind? Gibt es auch richtige? Und woran erkennt man die?
Hmmm ...
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 9. Mai 2013 23:07
von danielcc
Unabhängig von der wahren Qualität von CK ist es mit Sicherheit so, dass es irgendwann zu einer Eigendynamik kommt was so ein Ranking der besten Filme aller Zeiten angeht, wo viele Leute einfach nur etwas nachplappern, was ihnen Jahre und Jahrzente eingetrichtert wird. Das Phänomen gibt es ja häufig.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 9. Mai 2013 23:35
von Maibaum
Ja teils schon. Ein Film der schon so berühmt ist wird dann vielleicht etwas besser beurteilt als wenn derselbe Film eher unbekannt wäre. Einfach weil man ihn mögen möchte.
Aber ich bezweifle das Leute die sich ernsthaft mit Film beschäftigen Filme gut finden nur weil diese als gut gelten. Außerdem ist es auch immer cool Filmklassiker zu bashen.
Es gibt jedenfalls auch heute noch genügend Menschen die Filme wie CK als überragend genießen. Auch sehr junge. In anderen Foren ist es eher so daß die alles Neue schlecht finden, früher war halt alles besser, und heute geht es nur noch ums Geld, und alle trauen sich nichts, und natürlich immer gerne die "Scheiß CGI".
Citzen Kane ist jetzt auch keiner von meinen 500 oder 1000 Lieblingsfilmen (aber wer weiß nach dem nächsten Ansehen ...), aber andere von Orson Welles finde ich schon überragend.
Die legendäre Spiegelszene aus die Lady von Shanghai:
http://www.youtube.com/watch?NR=1&featu ... LLhaAivmwg
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 9. Mai 2013 23:40
von danielcc
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 08:54
von AnatolGogol
Ich persönlich sehe Citizen Kane auch nicht als das oft genannte Meisterwerk an. Ein guter, handwerklich erstklassiger und vor allem in Erzählstruktur und visueller Umsetzung enorm innovativer Film mit guten Darstellern, aber in meinen Augen eben auch unübersehbaren Hängern in der Handlungsentwicklung. Der Film gefiel mir bei Erstsichtung noch deutlich besser, im Laufe der Jahre pendelte er sich bei mir aufgrund des genannten Punktes aber dann doch „nur“ bei soliden 7,5 Punkten ein. Lady from Shanghai hat mich aber noch weniger überzeugt, genau aus den gleichen Gründen. Ebenfalls ein optisch ganz toller Film, aber die Handlung kam teilweise nach meinem Empfinden kaum vom Fleck. Das mag auch an seiner verstümmelten Form liegen, aber da ich ihn schon in dieser stark gekürzten Version als streckenweise langweilig empfand weiss ich nicht, ob eine deutlich längere Laufzeit dieses Bild wesentlich verändern würde.
Ansonsten kamen bei mir in den letzten Tagen folgende Wiederholungssichtungen zu ihrem Recht:
Das Ding aus einer anderen Welt (1982) – John Carpenter
Carpenters letzter wirklich guter Film überzeugt vor allem durch seine beklemmende Atmosphäre und die auch heute noch überzeugenden sehr expliziten Splattereffekte sowie toller, ungewöhnlicher Musik von Morricone und einem starken und sehr realistisch wirkenden Setdesign. Durch die Unklarheit wer von den Antarktisforschern bereits von dem ausserirdischen Virus befallen ist und dem daraus entstehenden Misstrauen innerhalb der Gruppe gewinnt der Film der altbekannten „10 kleine Negerlein“-Story einige neue und interessante Aspekte ab. Dennoch leidet der Film für mich etwas am oft verwendeten Storymuster, durch welches es in der Handlungsentwicklung nie zu wirklichen Überraschungen kommt. Ähnliches hat man dutzendfach schon anderswo gesehen und Carpenter glänzt hier nicht unbedingt durch eine revolutionäre Neuinterpretation. Nichtsdestotrotz ist seine Inszenierung nahezu durchgehend rund und führt den Film ohne echte Längen über seine Laufzeit. Ich war trotzdem überrascht zu sehen, dass der Film auf imdb.com auf eine so hohe Wertung von 8.2 kommt, deutlich über Carpenters in meinen Augen (vor allem in der Inszenierung) wesentlich stärkeren Vorwerken Halloween, The Fog und Die Klapperschlange. Ich erinnere mich, dass Maibaum hier vor längerer Zeit sich auch sehr positiv über Das Ding geäussert hat, vielleicht kann er ja noch etwas dazu schreiben was für ihn die besonderen Stärken des Filmes ausmachen. Für mich war es in Summe mal wieder „nur“ ein gelungener, atmosphärisch schön düsterer Splatterabend – aber das ist ja auch was feines (frei nach Helge Schneider: der Film war so gut, „dass es nur so splattaterte!“).
Wertung: 7,5 / 10
Ace Ventura (1993) – Tom Shadyak
Tolle Einmanshow von Grimassenvirtuose Carrey, der in seinem großen Durchbruch schon alle Stärken zeigt für die er heute bekannt ist. Es sind vor allem die vielen kuriosen und irrsinnigen Einfälle, die den Film sehenswert und unterhaltsam machen. Carreys Ace Ventura definiert dabei das Wort „Exzentrik“ völlig neu, es ist eine Freude dem „Irren“ bei seiner „Arbeit“ zuzusehen. Die Handlung um das entführten Maskottchen der Miami Dolphins und die Rachekampagne eines gescheiterten Ex-Footballprofis („Luuuuuuuser!“) ist total gaga und bietet Carrey genügend Gelegenheit für seine Kunst. Das Tempo ist nicht immer gleich hoch, die Gagdichte wird vor allem in der zweiten Hälfte niedriger und der Fluss ist teilweise schon etwas zäh. Aber angesichts Carreys sagenhafter Performance fällt das noch nicht einmal allzu sehr ins Gewicht.
Wertung: 7 / 10
Der Schinderhannes (1958) – Helmut Käutner
Wunderbar farbenfrohe Räuberpistole mit durchaus sozialkritischen Tönen aus einer Zeit, als es in Deutschland noch echte Filmstars gab. Entsprechend lebt der Film auch in erster Linie von seinen beiden großartigen Hauptdarstellern Curd Jürgens und Maria Schell, deren Zusammenspiel einfach fabelhaft ist. Zugegeben, das „Seelchen“ trägt hin und wieder schon sehr dick auf, aber ihre Leinwandpräsenz lässt sich nicht abstreiten. Letzteres gilt mindestens genau so für Jürgens, der in rustikal-charmanter Art den „deutschen Robin Hood“ unnachahmlich mit beeindruckendem Körper- und Stimmeinsatz spielt. Regisseur Käutner gelingt es sehr gut die Wildromantik um den Räuberhauptmann im Hunsrück auf die Leinwand zu bringen, die satten Farben unterstreichen dies um so mehr – ganz im Stile von Filmen wie Cartouche oder der 1956er Version des Glöckners von Notre Dame. Ebenso bunt ist das Darstellerensemble mit bekannten Gesichtern wie Offenbach oder Lowitz, das genau wie die überzeugende Ausstattung viel zur sehenswerten cineastischen Umsetzung von Zuckmayers Bühnenstück beiträgt.
Wertung: 8 / 10
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 10:22
von danielcc
Ich weiß nicht, was mich mehr verwirrt: Dass du Ace Ventura schaust oder ihn sogar gut bewertest
Aber ich habe ihn damals sogar im Kino gesehen (oder zumindest den zweiten Teil)
Ich kenne das Werk von Welles nicht gut aber die Aussagen zu CK und das was ich vom Film kenne, ist für mich ein wunderbares Beispiel für den Unterschied zwischen visuell faszinierenden Filmen und unterhaltsamen Meisterwerken. Ein großer Teil davon liegt für mich eben im Drehbuch. Natürlich mag jemand wie Maibaum seine Faszination grade in der visuellen Umsetzung besonders finden, aber mich persönlich fasziniert ein Film nur und meistens sogar mehr, wenn Story und Dialoge fesseln. Klar, im optimalen Fall kommt beides zusammen. Aber ob CK wirklich der rundum perfekte Film ist oder ob da nicht doch viele Kritiker Form über Inhalt stellen, bzw. Innovation über Unterhaltungswert...
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 10:43
von GoldenProjectile
@ Maibaum
Oh, das wollte ich natürlich nicht.
Ich bezog mich dabei mehr auf die S&S-Liste, die im Zusammenhang mit CK nie unerwähnt bleibt. Ich finde es schon interessant, dass auf ihr praktisch kaum Filme vertreten sind, die nach 1970 gedreht worden sind.
Ob der Film visuell "innovativ" ist kann ich nicht beurteilen. Aber er ist handwerklich und visuell sehr gut, das steht ausser Frage. Das, und die clevere Erzählstruktur, habe ich ja schon erwähnt.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 12:00
von Casino Hille
Agent 009 hat geschrieben:In Time BD
In Time ist ein spannender, futuristischer Thriller mit tollen Darstellern, einer guten Story und 1, 2 Logiklöchern, die man aber gerne vergisst. Die Unterhaltung steht hier deutlich im Vordergrund und die Geschichte ist so interessant, sodass ohnehin kaum Luft bleibt um hier und da auf alles logische zu achten.
8,5/10
Es ist gar nicht so lange her, dass auch ich "In Time" gesehen habe und es ist krass, wie unterschiedlich man einen Film sehen kann. Für mich steht er auf einer Stufe mit Vollgurken wie "Ich bin Nummer Vier", der ebenso nur darauf ausgelegt ist, Teenies zu unterhalten und dabei unglaublich viel Potenzial verschenkt. Auch hier könnte man sagen, dass der Film eine tolle Grundidee hat, allerdings wohl meint, dass das völlig ausreicht, aber interessanter wird er deshalb noch lange nicht! Der Film ist eine (offensichtliche) Bonnie und Clyde - Neuverfilmung mit Robin Hood-Anleihen. Und dabei geht er leider viel zu selten wirklich auf das Zeit-als-Währung-Thema ein und erinnert in seinem eher mangelnden Interesse für das Komplexe der Geschichte an Michael Bays Die Insel. Nebenbei erscheint mir auch dieser Wechsel von Zeit und Geld als simpler Spannungskatalysator, denn nehmen wir ihn weg, was bleibt? Genau, es wäre immer noch exakt der selbe Film! Sowas passiert nicht, wenn man die Strukturen besser ausarbeitet (was aufgrund zahlreicher logischer Fehler wohl nicht getan wurde.) Würde den mit
3/10 Punkten oder so bewerten, war stark enttäuscht nach den wirklich guten Trailern.
Ein Film, der so tut als wäre er anspruchsvoll und intelligent, ist es deshalb noch lange nicht...
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:22
von Maibaum
GoldenProjectile hat geschrieben:
Ich bezog mich dabei mehr auf die S&S-Liste, die im Zusammenhang mit CK nie unerwähnt bleibt. Ich finde es schon interessant, dass auf ihr praktisch kaum Filme vertreten sind, die nach 1970 gedreht worden sind.
Nach 1970 stimmt nicht, die 70ger sind schon ganz gut vertreten, aber es sind relativ wenige aus den letzten 30 Jahren. Daraus würde ich schließen das Filmkenner (nicht vergessen das auch die Filmregisseure gefragt wurden) in ihrem Geschmack etwas konservativ sind. Ich glaube das hat aber auch einfach damit zu tun daß man stärker an den Filmen hängt die einen zuerst beeindruckt haben, das man zu diesen prägenden Filmen eine engere "Beziehung" hat als zu Filmen die einen in späteren Lebensphasen faszinieren. Und dann müssen auch moderne Filme immer etwas "abhängen" bevor sich herauskristallisiert was besser überdauert.
Wenn ich es auf 10 filme einengen soll dann wären dort auch die 60ger/70ger sehr stark vertreten. Obwohl die nächsten 100 Filme genauso begeisternd sind.
Das war eine sehr aufregende Periode, und damals auch logischerweise das gerade Angesagte, die Moderne.
Ob der Film visuell "innovativ" ist kann ich nicht beurteilen.
Das musst du auch nicht. Ich würde bei diesem, wie auch bei jedem anderen, rein nach deinem Unterhaltungswert beurteilen.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:27
von Maibaum
danielcc hat geschrieben:
Ich kenne das Werk von Welles nicht gut aber die Aussagen zu CK und das was ich vom Film kenne, ist für mich ein wunderbares Beispiel für den Unterschied zwischen visuell faszinierenden Filmen und unterhaltsamen Meisterwerken. Ein großer Teil davon liegt für mich eben im Drehbuch. Natürlich mag jemand wie Maibaum seine Faszination grade in der visuellen Umsetzung besonders finden, aber mich persönlich fasziniert ein Film nur und meistens sogar mehr, wenn Story und Dialoge fesseln. Klar, im optimalen Fall kommt beides zusammen. Aber ob CK wirklich der rundum perfekte Film ist oder ob da nicht doch viele Kritiker Form über Inhalt stellen, bzw. Innovation über Unterhaltungswert...
Ob er das ist oder nicht ist muß jeder für sich selber entscheiden. Das ist eine rein subjektive Entscheidung, also auch im wesentlichen eine Geschmacksfrage.
Ich behaupte CK ist für nicht wenige ein unterhaltsames Meisterwerk.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:29
von GoldenProjectile
Ok, aus den 70ern hat es sicher noch ein paar, aber wie du gesagt hast sind die 80er, die 90er und das neue Jahrtausend absolut gering vertreten.
In der Kinemathek, über die ich geschrieben habe läuft übrigens demnächst mal ein Lubitsch-Film, denke dass ich dabei sein werde.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:34
von Maibaum
Welcher denn?
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:45
von GoldenProjectile
The Shop around the Corner mit good old Jimmy Stewart.
Re: Zuletzt gesehener Film
Verfasst: 10. Mai 2013 13:48
von Maibaum
Kein typischer Lubitsch. Eher etwas sentimental.
Keine von seinen beißenden Gesellschaftskomödien, die für damalige Zeiten auch sehr frivol, bzw. vulgär waren.
Ich schätzte der könnte dir nicht so gut gefallen ...