AnatolGogol hat geschrieben:Bond soll ja ein Bonvivant, eben ein Genießer sein, der dem süssen Leben nicht abgeneigt ist.
Ex-Akt, Anatol, wunderbar ausgeführt. Das ist in der Tat auch für mich ein weiteres Problem am Craig-Bond, allerdings nicht nur ein optisches, sondern leider auch ein inhaltliches. Denn wie du selber andeutest, hat man sich ab CR maßgeblich von diesen Eigenschaften Bonds distanziert und einen neuen, anderen Weg eingeschlagen, der für mich (und das muss ich mal so hart sagen) einen Teil des Spaßes an der Figur eingebüßt hat. Bond ist in der Tat ein Genießer, ein Verfechter eines luxuriösen Lebensstils, er lässt es sich bei seinen Einsätzen wahrlich gut gehen. Exzessiver Frauen- und Alkoholkonsum, Glücksspiel, modisch stets auf der Höhe etc, das alles ist für ihn eben nicht nur Tarnung, sondern neben seinem Patriotismus wohl der Hauptgrund für seine Berufswahl.
Auch, wenn er natürlich den Ernst seiner Missionen dabei nicht völlig verkennt und das Genießerdasein nie als oberste Priorität einstufen würde (siehe etwa DN, wenn er eine exquisite Flasche als Waffe zu benutzen gedenkt oder in LALD, wenn er auf einen Toast-Spruch Kanangas lediglich abfällig reagiert). Aber dieser Lebensstil Bonds ist immer ein ganz großer Teil des Spaßes an ihm gewesen, mir fallen da gleich unzählige tolle Szenen ein, die daraus resultierten, sei da etwa die sehr gelungene Auflösung der Schlussszene in DAF ("Mouton Rothschild, in fact, is a claret"), seine schnippische Antwort auf den Hotel Manager in MR, sein überzogener Auftritt bei Colonel Smithers in GF oder die legendäre Weintraube im Vorbeigehen aus TB, ich bin mir sicher, jedem hier im Forum würden noch unzählige Szenen einfallen. Diese Gourmet-Expertise des Charakters ist seit DN schlicht ein Stückweit definierend gewesen (und mündet fundamental darin, dass der Charakter im kollektiven Gedächtnis seit jeher an eine ganz bestimmte Getränk-Bestellung gekoppelt ist). Mit Craig hat man sich in dieser Hinsicht in CR im Sinne des Reboot-Charakters entfernt: sein Kleidungsstil entpuppt sich als Fassade im Gespräch mit Vesper, als Tarnung, aber eben als etwas, dass Bond mit Verachtung spazieren trägt. Seine legendäre Martini-Bestellung für einen Foreshadowing-Kalauer geopfert (ja, der Spruch ist witzig, ja, ich verstehe den Sinn darin). Und Mendes treibt diese Umformung der Bond-Rolle genüsslich auf die Spitze. SF zeigt etwa einen Bond im Ruhestand einem runter gekommenen Strandlokal in der Türkei, wo er sich den schlichtesten Fusel einverleibt, SP zeigt die Wohnung Bonds als spärlich eingerichtete Bude und so weiter... Beispiele gibt es da wirklich genug. Das mag zu einem Bruce Wayne beispielsweise passen, für den der Reichtum wirklich nur Fassade ist und der an Luxusorientierungen gar kein Interesse hat, sondern sie der Öffentlichkeit vorspielt, um möglichst von einer möglichen Batman-Connection abzulenken. Zu einem James Bond passt es aber nicht, jedenfalls nicht zu dem Bond, der uns 20/21 Filme lang präsentiert wurde. Der wäre dann, um in der Comic-Schiene zu bleiben, einem Iron Man / Tony Stark deutlich ähnlicher, der das Luxusleben genießt und auskostet, solange es nicht von seiner Mission ablenkt.
Es mag jetzt etwas provokant klingen, aber einzig Forster scheint mir da den Kern der 007-Figur näher getroffen zu haben. Wenn dieser etwa die billige Motelabsteige in QOS gegen die Präsidentensuite im teuersten Hotel der Gegend nach verkürzter Inspektion tauscht, dann blitzt da der alte 007-Feinschmecker-Geist auf. Den spürt man in meinen Augen oder nach meinem Empfinden in den momentanen Bond-Filmen aber zu wenig, weil man es vielleicht als nicht mehr zeitgemäß erachtet, eine durchaus mögliche Perspektive. Dazu passt dann natürlich auch das veränderte Körperbild, welches Craig in die Rolle gebracht hat, das muskulöse, das körperlich vermeintlich realistischere Erscheinungsbild (SAS-Elitesoldat trifft es erschreckend gut, Anatol). Und die Filme, und da kann mir keiner was anderes erzählen, die spielen ja auch mit Craigs Look, CR stellt diesen öffentlich zur Schau, SF kann aber noch sinnbildlicher verstanden werden. Als Bond zum MI6 zurückkehrt, gibt es eine längere Passage, in der dieser sich zur alten Höchstform heran trainieren soll, Klimmzüge und Laufband-Rennerei inklusive. Man vergleiche das etwa mit Brosnan und seiner MI6-Rückkehr in DAD, wo dieser nach mehrmonatiger Gefangenschaft ohne groß über seine Form grübeln zu müssen wieder im Einsatz ist. Klar, der "neue" Weg ist der realistischere, aber hieran sieht man eben, dass auf der Ebene der Kreativen bei EON ein Umdenken stattgefunden haben muss, welches auch die äußere Form Bonds maßgeblich beeinflusst und neu geprägt hat.