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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 24. November 2015 15:36
von AnatolGogol
Wie gesagt sehe ich das deutlich entspannter, ich für meinen Teil möchte dem Film nicht vorwerfen etwas nicht zu sein, was er gar nicht sein möchte (versteht man das?). Was ich meine: in vodkas wie immer sehr schöner Kritik geht er z.B. auch kurz darauf ein, dass die Antagonisten eindimensional abgehandelt werden. Da der Film strikt aus Sicht des „American Snipers“ ist, wäre alles andere aber auch wenig stimmig. Kyle ist ein moralisch in schwarz-weißen Kategorien denkender Charakter, jemand der von seinem eigenen Tun absolut überzeugt ist. So überzeugt, dass er sein eigenes Leben und das Glück seiner Familie mehrfach aufs Spiel setzt. Zweifel hat er allenfalls am Ende seiner Dienstzeit (die kurze Szene am Flughafen mit seinem Bruder). Aus seiner Sicht, also der Sicht des einfachen, im Krisengebiet seinen Dienst verrichtenden Soldaten, bleiben die „Bad Guys“ natürlich eindimensional schwarz und böse. Blieben sie das nicht, würde er vermutlich nicht mehr „wie gewünscht“ funktionieren (als Beispiel taugt erneut sein Bruder). Dass die Soldaten es während ihres Einsatzes in erster Linie mit feindseligen Irakis zu tun bekommen halt ich auch für stimmig, da ja mehrfach betont wird, da sie ihre Einsätze in bereits geräumte und evakuierte Viertel führen (wird in der Szene, in der sie den „Scheich“ sehr rüde angehen ja angeführt). Natürlich hätte man auch noch Szenen einbauen können, in denen die „guten“ Irakis gezeigt werden, aber besonders sinnig wäre dies abseits von politisch korrekten Überlegungen eigentlich nicht gewesen. American Sniper ist weitgehend einseitig und eindimensional da er die Welt eines einseitig und eindimensional denkenden und handelnden Menschen darstellt, in dieser Hinsicht ist der Film zumindest konsequent, auch wenn man eine solche Darstellung natürlich nicht mögen muss.

Der Vergleich mit Platoon hinkt übrigens insofern, da Stones Film in überwiegender Mehrheit von Kriegsdienstleistern handelt, die unfreiwilligerweise für Vietnam rekrutiert wurden. American Sniper schildert dagegen den Alltag eines von seinem Handeln zutiefst überzeugten Berufssoldaten, der sich nicht nur freiwillig entschieden hat sondern dies sogar mehrfach durch neue Einsätze bestätigt. So gesehen zeigen die beiden Filme komplett unterschiedliche Charaktere und Motivationen.

Aber irgendwie schon merkwürdig: jetzt verteidige ich den Film, obwohl ich ihn ja auch nur so la la fand.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 00:02
von vodkamartini
Ganz so einfach ist es nicht, Anatol. :wink: Kyle ist kein fiktiver Charakter und seine eindimensionale Darstellung hier durchaus problematisch. In seinem Buch und diversen Interviews hat er sich z.B. dahingehend geäußert, dass ihm das Snipertum/Töten sehr viel Spaß gemacht hat. Im Film ist davon nichts zu hören/sehen. Zudem spricht er sehr häufig von "Savages", aber natürlich nicht im Film. Sein Tod auf dem Schießstand durch eine anderen Veteranen zeigt Eastwood nicht einmal, geschweige denn, dass er diesen brisanten Umstand in irgendeiner Weise aufarbeiten würde. Stattdessen endet er mit echten Bildern vom Begräbnis und unterlegt das Ganze mit pathetischer Musik.

Hier schimmert dann doch die tendenziöse Herangehensweise durch für die Märchenonkel Steven so bekannt ist. Ein Schelm, der vermutet, dies könnte daran liegen, dass Spielberg das Projekt schon sehr weit entwickelt hatte und Eastwood sehr spät für ihn einsprang.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 09:58
von AnatolGogol
Du hast ja recht, vodka. Auch ich sehe in American Sniper eine ähnliche Inszenierung wie in Spielbergs von uns beiden heiß und innig geliebtem Weltkriegsmärchen, allerdings möchte ich Eastwoods Film hier zu Gute halten, dass dies nicht so durchgängig und tendenziös geschieht. Gerade die Szene, in denen die Seals bei der irakischen Familie zum Essen eingeladen werden und sich die Wohnung dann als Waffenversteck herausstellt erinnert durchaus an ähnliche Szenen in Saving Private Ryan, bei Spielberg hätten die Amis aber vermutlich zuvor noch das Kind des Familienvaters gerettet und einer der Seals wäre von der Mutter hinterrücks erschossen worden. :wink:

AS hat zudem im Gegensatz zu SPR dann immerhin noch einige wenige Momente an Bord, in denen das ansonsten recht eindimensionale Feindbild etwas gebrochen wird. Bemerkenswert fand ich in diesem Zusammenhang die Szene, in welcher der zum großen Gegenspieler aufgebaute syrische Olympiaschütze zum finalen Duell mit Kyle aufbricht. Die Szene zeigt ihn inmitten seiner Familie als liebevollen Vater und Ehemann (er küsst sie zum Abschied), hier gesteht die Inszenierung dem Antagonisten zumindest ansatzweise ein Leben abseits seines Status als Bösewicht zu. Bemerkenswert fand ich diesen kurzen Moment vor allem auch dadurch, da die Szene massiv an ähnliche von Kyle mit seiner Familie erinnert, hier wird praktisch ein Spiegelbild zum Protagonisten gezeichnet, denn nüchtern betrachtet macht der Syrer ja genau das gleiche wie Kyle, er erschiesst aus idealistischen Beweggründen als Scharfschütze Gegner.

Der entscheidene Unterschied zwischen AS und SPR ist für mich aber der, dass AS trotz einiger unrunder Passagen und dem enttäuschenden Charakterdrama letztlich einfach der unterhaltsamer inszenierte Film ist. Wirkliche Langeweile kam bei mir nie auf, was ich von Onkel Stevens überlanger Märchenstunde leider nicht behaupten kann. Wäre SPR zumindest ein unterhaltsames Spektakel, dann könnte ich ihm vermutlich auch die tendenziöse, teilweise geradezu bösartige Inszenierung hinsichtlich des deutschen Feindbildes verzeihen, aber ein langweiliger und tendenziöser Film ist dann selbst für mich zu viel des Guten.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 15:24
von vodkamartini
Da hast du recht, Unterhaltungswert ist vorhanden. :) Bin aber bei Kriegsfilmen, die sich realen Ereignissen/Personen verschreiben aber dann doch etwas kritischer. Berufskrankheit. :) Das Duell mit dem feindlichen Sniper ist übrigens frei erfunden und hat mich an die ähnlich plumpe Westerndramturgie von "Enemy at the Gates" erinnert. Ebenfalls imo ein ganz übles Machwerk, womit sich der Kreis wieder schließt.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 17:14
von AnatolGogol
vodkamartini hat geschrieben:Ebenfalls imo ein ganz übles Machwerk, womit sich der Kreis wieder schließt.
Ja, im Prinzip schon. Aber der Film hat halt auch einen phänomenalen Ed Harris, der alle anderen Hauptdarsteller zu Laienakteuren degradiert. Und die Ed Harris-Show ist es dann allein schon wert, den Film regelmäßig zu sichten. Zumal Austattung, Effekte und Action schon sehr stark sind.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 17:30
von vodkamartini
Mit der Schlacht von Stalingrad hat das ungefähr so viel zu tun wie unser guter James mit echter Agententätigkeit. Ein plattes Heldenepos mit plakativster Schwarz-Weiß-Malerei. Da hilft der tatsächlich stark aufspielende Ed auch nicht mehr viel.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 19:07
von AnatolGogol
vodkamartini hat geschrieben:Mit der Schlacht von Stalingrad hat das ungefähr so viel zu tun wie unser guter James mit echter Agententätigkeit. Ein plattes Heldenepos mit plakativster Schwarz-Weiß-Malerei. Da hilft der tatsächlich stark aufspielende Ed auch nicht mehr viel.
Ich bin da bekanntermaßen weit weniger kritisch solange der Film mich auf anderen Gebieten zu überzeugen weiß. Verglichen mit dem letztjährigen russischen Stalingrad ist übrigens selbst Enemy at the Gates dann die reinste Geschichtsstunde. :D

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 20:23
von vodkamartini
Wie so oft, zwie ..., ein Gedanke. :) Genau das wollte ich beim obigen Posting auch noch schreiben. :wink: "Schund" ist noch liebevoll für das russische Stalingrad-"Epos". Glücklicherweise hat sich das Machwerk hierzulande so gut wie niemand angesehen.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 21:54
von Maibaum
Habt ihr Warschau 44 gesehen?

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 25. November 2015 23:53
von vodkamartini
Nein, habe aber nichts gutes darüber gehört. Vom Trailer her würde ich etwas Ähnliches wie den russischen Stalingrad-Film erwarten. Vielleicht sichte ich den mal, wenn er in meiner Videothek um die Ecke auftaucht.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 26. November 2015 07:05
von AnatolGogol
kenne ich bislang auch noch nicht, hab ihn jetzt aber mal auf meine Liste bei lovefilm gesetzt.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 26. November 2015 11:08
von Maibaum
Der lief im ZDF, dürfte die Deutschland Premiere gewesen sein. Ich fand Warschau 44 in mehrerer Hinsicht interessant. 8/10

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 26. November 2015 15:14
von vodkamartini
8/10 ist eine starke Ansage. Da bin ich jetzt noch gespannter. Häufig sind Filme aus dem Ausland mit Hintergrund 2. WK allerdings tendenziöse Selbstüberhöhung. Mal sehen.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 26. November 2015 15:24
von Maibaum
Zu dem Thema gibt es ja schon mit Andrej Wajdas Kanal (1957) einen berühmten Film.

Warschau 44 ist ein klassischer "Anti-Kriegs-Kriegsfilm" der zunächst eine Gruppe Jugendlicher im besetzten Warschau porträtiert, die dann in den Krieg wie in ein Abenteuer ziehen, und die dann gegen einen übermächtigen Gegner untergehen, da die erwartete Hilfe der roten Armee ausblieb. Im Zentrum steht dann natürlich nicht nur die Ernüchterung und sondern auch die Tragik des Scheiterns, die aber nicht nur heroisch ausfällt. Die Deutschen werden dabei immerhin nicht nur negativ gezeichnet.

Ich mochte die Charaktere und die Inszenierung.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

Verfasst: 26. November 2015 15:25
von vodkamartini
Klingt schon mal nicht nach "Stalingrad". :wink: Was positiv ist. :)