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Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 20:12
von Casino Hille
Ich wollte gar nicht ausschließen, dass Scorsese aus kapitalistisch-wirtschaftlicher Sicht ein äußerst gutes Gespür hatte und rechtzeitig den Absprung geschafft hat, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, genauso wenig wie mir je in den Sinn käme, sein heutiges Ouevre (falls sich das so lesen sollte) einzig und allein rein auf eine veränderte Denkweise Scorseses zurückzuführen, falls das so geklongen haben sollte. Sicher spielte hierbei auch eine gewisse ausschlaggebende Notwendigkeit mit, wenn es um den Verlauf seines Schaffens geht. Für mich als Konsument seiner Werke ändert das alles in allerletzter Konsequenz leider nur erstaunlich wenig (und auch bin nicht der allergrößte Fan seiner Arbeit, einzig die von mir geliebten Taxi Driver und Color of Money (und mit Abstrichen Raging Bul)l stechen für mich unter seinen früheren Werken qualitativ besonders stark heraus, dennoch hielt ich ihn lange Zeit für einen kompetenten Regisseur, bei dem sich ein Kinobesuch stets gelohnt hat). Du hast natürlich insofern recht, dass bereits in den 90ern eine gewisse Richtungsänderung bemerkbar machte, die aber gefühlt (ich weiß nicht, wie du das empfindest) einen persönlicheren Touch innehatten, der ihm seit den 2000ern nun aber völlig abzugehen scheint (hinzu kommt für mich auch, dass die Filme in ihrer handwerklichen und dramaturgischen Qualität beginnend mit Aviator erschreckend stark abgenommen haben).

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:08
von Maibaum
Ich finde nicht daß Scorsese in den 90ern kommerzieller war als in den 80ern. Er hat aber seit Gangs of NY sein Flair fast vollkommen verloren. Macht aber seitdem beständig Filme die kommerziell gut funktionieren ohne wirklich kommerzieller zu sein als das was er vorher machte. Es ist eher die durchgehende Wertschätzung seitens der Oscar-Verschenker die belegt daß seine Filme doch jetzt durchweg glatter und polierter sind als früher.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:18
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben:Du hast natürlich insofern recht, dass bereits in den 90ern eine gewisse Richtungsänderung bemerkbar machte, die aber gefühlt (ich weiß nicht, wie du das empfindest) einen persönlicheren Touch innehatten, der ihm seit den 2000ern nun aber völlig abzugehen scheint (hinzu kommt für mich auch, dass die Filme in ihrer handwerklichen und dramaturgischen Qualität beginnend mit Aviator erschreckend stark abgenommen haben).
Ich sehe es sehr ähnlich (meine Favoriten sind ja auch Taxi Driver und Color of Money sowie sein Segment von den New York Stories), mir fehlt bei Scorsese aber bereits ab den 90ern viel von dem, was ihn für mich früher zumindest in Teilen interessant gemacht hat. Es ist halt ein zweischneidiges Schwert, der Spagat zwischen Kommerz und Kunst. Ich kann Scorseses Weg schon nachvollziehen, heisse ihn aber auch nicht wirklich gut (womit ich meinen Vorsatz eigentlich nicht werten zu wollen schon zum zweiten mal gebrochen habe).
Maibaum hat geschrieben:Ich finde nicht daß Scorsese in den 90ern kommerzieller war als in den 80ern.
Insbesondere bei seinen beiden "Remakes" finde ich das aber schon. Gerade Casino ist sehr vorhersehbar und "by the numbers" und oft geradezu schamlos ein Ripoff von GoodFellas. Außerdem ist der in meinen Augen praktisch die Blaupause für Wolf of Wall Street.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:24
von GoldenProjectile
Ich finde es schade, wie abschätzend hier oft über Scorsese, bzw. über seinen Output nach dem New-Hollywood-Frühwerk gesprochen wird (und geradezu erschreckend dass grosse künstlerische Meisterwerke wie Goodfellas und Casino durch die Blume als Hinwendung zu belangloser Mainstream-Kost gewertet werden). Auch Maibaums Argument kann ich beim besten Willen nicht wirklich verstehen. Seine Filme sind nicht wirklich anders, aber weil er jetzt häufiger Oscar-nominiert ist sind sie doch schwächer, bzw. "ohne Flair"?

Für mich ist Departed ein inszenatorisch und dramaturgisch absolut eigensinniger und stilistisch konsequent gehaltener Film, der sein Ding und vor allem seine Stärken durchzieht, ungeachtet sämtlicher Oscars die er bekommen hat. Und Scorseses Gesamtwerk über fast 50 Jahre beachtlich vielfältig und experimentierfreudig, ohne dass er seine eigene Handschrift je vernachlässigt. Und das sage ich als jemand, der selber noch viele Lücken im Werk des Meisters (ja, steinigt mich) aufzuweisen hat.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:27
von AnatolGogol
Ja, aber was soll man machen wenns einem nicht gefällt? :wink: Ich halte mich ja gerade hier und bei Kollege Nolan schon beinahe aufs Äusserste zurück. :)

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:29
von Casino Hille
Maibaum hat geschrieben:die durchgehende Wertschätzung seitens der Oscar-Verschenker die belegt daß seine Filme doch jetzt durchweg glatter und polierter sind als früher
Tun sie das?
GoldenProjectile hat geschrieben:Ich finde es schade, wie abschätzend hier oft über Scorsese, bzw. über seinen Output nach dem New-Hollywood-Frühwerk gesprochen wird
Na ja, was heißt abschätzend? Seine DiCaprio Zusammenarbeiten finde ich oft einfach zäh, träge und langweilig und kann mit seiner neuen künstlerischen Ausrichtung seit Aviator (vielleicht in Teilen schon seit des Vorgängers) nichts mehr mit ihm anfangen. Wenn das für dich abschätzend ist, okay. Aber ich versichere dir, wir hassen uns nicht, wir haben uns einfach auseinandergelebt. :wink:
AnatolGogol hat geschrieben:Ich halte mich ja gerade hier und bei Kollege Nolan schon beinahe aufs Äusserste zurück. :)
Bloß: Warum? Ein bisschen Pfeffer tut den Threads hier immer gut.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:44
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben:Bloß: Warum? Ein bisschen Pfeffer tut den Threads hier immer gut.
Ich hab doch eh schon alles relevante vom Stapel gelassen und ich versuche eigentlich schon, nicht permanent im gleichen Thread mich auszukotzen was ich alles an den Werken von Regisseur xy nicht mag. Das ist doch dann auch nur reine Provokation. Bei Marty hab ich mich eigentlich auch nur zu Wort gemeldet, weil ich es spannend finde, dass er als einziger namhafter New Hollywood-Regisseur noch am großen Filmgeschäft teilnimmt bzw. teilnehmen darf. Irgendeinen Grund muss das ja haben und ich bezweifle, dass es nur an seiner Genialität liegt (die verhinderte in den 80ern schliesslich auch nicht seine Entwicklung zum Kassengift).

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 21:47
von GoldenProjectile
Casino Hille hat geschrieben:und kann mit seiner neuen künstlerischen Ausrichtung seit Aviator (vielleicht in Teilen schon seit des Vorgängers) nichts mehr mit ihm anfangen.
Wo siehst du gerade ab Aviator eine künstlerische Neuausrichtung wenn ich fragen darf? Ist es nicht so dass sich Scorsese seit Anbeginn der Zeiten immer wieder künstlerisch auf anderes Terrain wagt und sich in gewisser Weise aktuellen Stilen anpasst (was man schon über seine New-Hollywood-Zeiten sagen könnte, also durchaus nicht negativ gemeint ist), seine Handschrift aber doch irgendwie immer beibehält?

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 22:57
von Maibaum
AnatolGogol hat geschrieben:
Insbesondere bei seinen beiden "Remakes" finde ich das aber schon. Gerade Casino ist sehr vorhersehbar und "by the numbers" und oft geradezu schamlos ein Ripoff von GoodFellas.
Casino ist eine Variation der Themen von Goodfellas, aber auf dem gleichen Niveau. Und The Age of Innocence ist einer seiner originellsten und besten Filme.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 22. August 2016 23:03
von Maibaum
GoldenProjectile hat geschrieben:Auch Maibaums Argument kann ich beim besten Willen nicht wirklich verstehen. Seine Filme sind nicht wirklich anders, aber weil er jetzt häufiger Oscar-nominiert ist sind sie doch schwächer, bzw. "ohne Flair"?
Doch sie sind anders, die permanenten Oscar Nominierungen sind nur ein guter Indikator, sicher nicht der Grund. Aber sie sind auf den ersten Blick nicht so extrem anders in Bezug auf ihr kommerzielles Potential.

Trotz des spaßigen Wolf of Wall street ist Scorsese mittlerweile für mich ein "toter" Regisseur. Und zwar im Nachhinein seit Gangs of NY. Im Gegensatz zu früher werden seine 'Filme nun auch nicht mehr besser beim wiederholten Ansehen. Shutter Island und Departed brachten bei der Zweitsichtung nichts Neues.

Stilistisch geben sie mir nicht mehr viel, während sie da früher oft sehr aufregend waren. Und sind.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 23. August 2016 00:06
von danielcc
Ui da habe ich ja eine Diskussion entfacht... und ich dachte ich werde ob meines hingerotzten, frechen Kommentars zu Avatiator gleich hier von der versammelten Künsterl Gewerkschaft zuerfleischt. Aber ohne dass ich es auch nur im Geringsten verstehe, scheint der Gute hier keinen besonders guten Ruf zu haben.

Sein Erfolg ist ziemlich simpel auf einen Faktor zu reduzieren und der heißt Leo DiCaprio.
Was mit Gangs of New York losging hat sich danach immer wieder bei den DiCaprio FIlmen noch weiter hochgeschaukelt: Aviator, Departed, Shutter Island, WOlf of Wall Street.
Da hat sich inzwischen eine ganz eigene Fanschaft gegründet: Diese Kombination aus den alten DiCaprio Verehrerinnen ("süß") mischt sich langsam mit Leuten die auf diese Art des "Oscar-Fastfoods" steht - und das alles vor dem jetzt wieder mehr ziehenden "Gütensiegel" Scorsese.
Ergibt alle paar Jahre garantierte Oscar Nominierungen - und so wird das Interesse immer wieder/weiter entfacht

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 23. August 2016 00:29
von Casino Hille
Na ja, Scorseses Ruhm und Erfolg fußt nicht auf Aviator und Co, sondern maßgeblich auf seinen Filmen davor, für die ihm auch Ruhm und Erfolg und Anerkennung mehr als zu gönnen sind. Er ist in der Hinsicht eben so einzuschätzen, wie von vielen heute auch Spielberg eingeschätzt wird: ein gefallener Engel, ein ehemals großer Regisseur, der heute aber niemanden mehr so recht hinterm Sofa hervorlockt und im Schatten seiner einstigen Glanztaten als eigene Marke immer mehr verwässert und ausgeleiert scheint.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 23. August 2016 07:37
von AnatolGogol
Maibaum hat geschrieben: The Age of Innocence ist einer seiner originellsten und besten Filme.
Age of Innocence meinte ich in Bezug auf Martys 90er Jahre Output auch nicht, genauso wenig Kundun und Bringing out the Dead. Das sind allesamt thematisch nicht gerade ein Massenpublikum ansprechende Filme – im Gegensatz zu Good Fellas, Cape Fear und Casino. Ungeachtet der Qualität letztgenannter Filme ist auffällig, dass Scorsese hier – bewusst oder unbewusst – Stoffe verarbeitete, die ein deutlich breiteres Publikum ansprachen als z.B. ein Film über einen talentfreien Standup-Comedian, ein kleines Filmchen über eine durchgemachte Nacht oder einen nüchtern-religionskritischen Jesus-Film. Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass Scoreseses Ruf als „Meister des Gangsterfilms“ in den 90ern begründet wurde, Mean Streets hin oder her, denn erst die Doublette Good Fellas/Casino brachte ihm diesen Ruf wirklich ein.

Ohne die drei genannten massentauglicheren Filme der ersten Hälfte der 90er ist es fraglich, ob Scorsese überhaupt noch einmal die Gelegenheit zu seinem großangelegten Comeback in den 00ern beginnend mit Gangs of New York bekommen hätte, da Hollywood bekanntlich den Geldhahn sehr schnell zudreht, wenn die Einspielergebnisse permanent hinter den Erwartungen zurückbleiben – großer Name hin oder her. Denn auch das ist auffällig: wieviel Geld Scorsese für seine Filme ab Gangs of New York zur Verfügung hatte, was sicherlich auch ein Aspekt ist, warum seine Filme seitdem für ein deutlich größeres Publikum attraktiv sind, als es noch in den 80ern und Teilen der 90er der Fall war (wie auch der dadurch mögliche höhere Grad an Stars, Effekten, üppiger Ausstattung).

Ein Punkt, warum Marty nach wievor im „großen Geschäft“ mitmischt ist vermutlich auch, dass er gegenüber Studios und Produzenten ein vergleichsweise „einfacher“ Regisseur war, gerade im Vergleich zu seinen divenhaften Zeitgenossen Coppola, Cimino oder Friedkin. Auch leistete er sich mit New York, New York nur einen sündhaft teuren Flop, während seine anderen Fehlschläge an der Kinokasse zumindest vergleichweise günstig budgetiert waren.



P.S. kann mal jemand bitte die Umfrage um New York Stories erweitern? Fände ich schade, wenn der unter dem Tisch liegen bleiben müsste.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 23. August 2016 12:54
von Maibaum
Casino Hille hat geschrieben:Na ja, Scorseses Ruhm und Erfolg fußt nicht auf Aviator und Co, sondern maßgeblich auf seinen Filmen davor, für die ihm auch Ruhm und Erfolg und Anerkennung mehr als zu gönnen sind. Er ist in der Hinsicht eben so einzuschätzen, wie von vielen heute auch Spielberg eingeschätzt wird: ein gefallener Engel, ein ehemals großer Regisseur, der heute aber niemanden mehr so recht hinterm Sofa hervorlockt und im Schatten seiner einstigen Glanztaten als eigene Marke immer mehr verwässert und ausgeleiert scheint.
Vielleicht, vielleicht nicht.
Ich kenne Leute die auch die Neueren zumeist sehr schätzen. Außer Shutter Island vielleicht.

Anatol, welche 3 massentauglichen?

Ich sehe da nur Cape Fear, der sehr viel erfolgreicher war als ich dachte. Und den ich auch ganz klar einen "Sicherheitsfilm" betrachte, weitaus weniger persönlich, mit bewußtem Blick auf einen kommerziellen Erfolg hin gemacht. Denn Good Fellas lief nicht so besonders, und der Jesus Film gar nicht. Aber beide haben ihm aus unterschiedlichen Gründen viel Aufmerksamkeit beschert.

Wirklich gut lief in den 80ern eigentlich nur The Coclor of Money, ebenfalls ein oberflächlicherer "Sicherheitsfilm" für mich, wenn auch interessanter als Cape Fear. Und richtige Blockbuster Erfolge waren beide nicht, war überhaupt kein Scorsese Film. Das hat er auch nie angestrebt, auch heute nicht.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

Verfasst: 23. August 2016 13:27
von danielcc
Finde das bezeichnend und bizarr dass ausgerechnet Shutter Island so nahezu einheitlich negativ gesehen wird. Für mich von de Scorseses die ich kenne der mit dem höchsten Unterhaltungswert (oder der Einzige?)