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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2
Auf einen erfolgreichen Blockbuster-Hit folgt nach Hollywood-Gesetz immer eine Fortsetzung, egal, wie nötig diese erscheint. Doch wie es die "Matrix"-Trilogie bereits vormachte, wollte Produzent Jerry Bruckheimer es bei seinem Piratenspaß "Fluch der Karibik" wiederholen: Aus 1 mach 3. Und so wurden der zweite und dritte Teil der Karibik-Sause direkt am Stück gedreht. Das Script musste also vor allem eines werden: komplexer, denn die beiden Sequels teilen sich eine große Story, die im zweiten Teil hauptsächlich daraus besteht, dass sämtliche (altbekannte oder neu eingeführte) Charaktere für ein großes Finale in Stellung gebracht werden. Doch schon daran erkennt man das wahre Problem des neuen "Pirates"-Ablegers: Ihn zu bewerten, scheint schlicht und ergreifend nicht möglich zu sein.
Einiges gäbe es an "Fluch der Karibik 2" zu kritisieren. Denn ziemlich früh fällt einem auf, dass es dieses Mal zu viele Charaktere zu werden drohen und das die Komplexität der Story vor allem damit vorgegaukelt werden soll, dass mehrere Handlungsstränge parallel zueinander laufen. Das ist lange auch nett und es ist sicher auch unterhaltsam und fesselnd, es verwässert aber den angenehmen Abenteuerfokus des Vorgängers. Viel Zeit verschwendet Regisseur Gore Verbinski damit, sich mit Sidekicks oder kleineren Episoden zu beschäftigen, die für das große Ganze irrelevant sind. Besonders in der ersten Stunde beschäftigt er sich lange mit Lord Beckett, gespielt von Tom Hollander, und einem Kannibalenstamm, obwohl beide nur wenig mit dem späteren Film zu tun haben werden. Noch unverzeihlicher ist aber, dass Johnny Depps unverwechselbarer Jack Sparrow hier inhaltlich so oft das arrogante Arschloch geben muss, dass man irgendwann jede Sympathie für ihn verliert. Trotz Depps erneut großartiger Darbietung bleibt von Sparrow im Sequel wenig übrig. Was sich beim ersten Teil nur andeutete, wird dieses Mal eindeutig: Orlando Bloom ist als Will Turner der wahre Held des Franchises und der, mit dem man wirklich mitfiebert und um den der Zuschauer bangt. Besonders sein Ausflug auf die Flying Dutchman gehört zu den interessantesten Sequenzen und hat im Zusammenhang mit Stellan Skarsgard ein paar ganz starke Momente zu verbuchen.
Interessanterweise ist der zweite "Pirates of the Caribbean" tatsächlich genau das Gegenteil von dem, was man von der Fortsetzung eigentlich erwartet hätte. Die Leichtigkeit und Lockerheit versucht man nämlich gar nicht zu steigern, stattdessen geht Verbinski eine ganz andere Richtung und versucht sich an einem großen Heldenepos. Der tragische (CGI-)Bösewicht, der toll in Szene gesetzt wird, die schicksalshafte Bedeutung vieler Ereignisse, der durchweg düstere Stil der Bilder, die große Bedrohung im Hinteren. Hier ist alles um einiges düsterer, schwerfälliger, auch regnet es oft, spielt bei Nacht oder werden die Landschaften grau eingefangen. Von Sparrows beinahe schon unpassenden Humoreinlagen abgesehen, ist "Fluch der Karibik 2" der inhaltlich deutlich erwachsenere und weniger verspielte Film. Und das funktioniert überraschend gut: Der Plot selbst ist zwar simpel, aber wird stark erzählt und nicht zuletzt durch Hans Zimmers brachialem Soundtrack ordentlich voran getrieben. Das Tempo ist sowieso hoch und ausgerechnet der dunkle Ton des Filmes verleiht ihm eine gewisse innere Dramatik. Zwar handelt es sich hier klar um einen Blockbuster und man weiß, worauf es hinauslaufen wird, doch die fremde und depressive Atmosphäre lässt einem Zweifel aufkommen. Passend dazu ist die Actioninszenierung wieder ein Genuss und man kann sich kaum satt sehen an den fantastischen Degenkämpfen (besonders ein Trio-Kampf ist umwerfendes Kino!) und Seeschlachten, die so brillant getrickst wurden, dass man mehr als einmal in den Sitz gedrückt wird.
Stimmig zur düsteren Inszenierung ist auch der neue Gruseltouch durch die Schurken ein angenehmer Pluspunkt des Filmes. Und das Finale ist eine wahre Augenweide, mit der optisch nur die im höchsten Maße attraktive Keira Knightley mithalten kann. Doch leider ist das Ende in der Form, wie es angeboten wird, sehr offen und ziemlich abrubt, wie "Matrix Reloaded" zeigt Verbinski einen Cliffhanger, der zum Trilogie-Abschluss überleiten soll. So wartet man leider vergeblich auf einen krönenden Höhepunkt und ist trotz einer Länge von 150 Minuten etwas überrascht, dass die unterhaltsame Geschichte, die eigentlich abgeschlossen schien, nun noch einmal in die Verlängerung gehen wird. Trüben tut dies den Spaß zwar nicht, doch es lässt einen unschlüssig darüber zurück, ob man gerade eigentlich einen ganzen Film oder nur einen halben gesehen hat. Eine etwas weniger plötzliche Ausleitung wäre daher vielleicht etwas freundlicher und wohltuender gewesen, so bleibt aber immerhin Vorfreude und Optimismus für den Schlussakkord.
Fazit: Dass eine Rückkehr in die Karibik weniger eine spritzig selbstironische Angelegenheit, als mehr eine recht ernste und spannende Reise bedeuten würde, hätte nach "Fluch der Karibik" wohl niemand erwartet. Leider bricht diese neue Herangehensweise oft den Komödienelementen, allen voran dem für sich genommen wundervollen Johnny Depp, das Genick und man wünscht sich, die meisten Humorszenen wären zu Gunsten einer strafferen Laufzeit der Schere zum Opfer gefallen und der Film würde sich deutlich konsequenter den wesentlichen Handlungssträngen widmen, statt sich andauernd ausufernd im belanglosen aufzuhalten. Dennoch ist auch die Fortsetzung der Disney-Themenfahrt-Verfilmung ein großer und spaßiger Blockbuster mit üppigen Actionszenen, die beeindrucken können und vielen aufregenden Passagen, der besonders in jüngeren Zuschauern Sehnsüchte, Pirat zu werden, wecken wird und nie in Nöte gerät, sein Publikum zu langweilen. Ob Teil 2 seine Mission allerdings wirklich erfüllt hat und einige Ausschweifungen im Nachhinein positiver zu sehen sein werden, wird man erst nach Sichtung des Nachfolgers beurteilen können. In diesem Sinne: Fortsetzung folgt!
7/10
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Let the sheep out, kid.