Genialer Artikel über DC's Werke, natürlich mit einem grossen Bezug auf Bond.
Film Dienst hat geschrieben:110 Prozent Bond
...und ein versierter Charakterdarsteller: Daniel Craig
Dass Daniel Craig für die Neubelebung des 007-Franchise genau der richtige Mann war, haben dem 1968 in Chester geborenen Briten nach „Casino Royale“ (2006) Kritiker und Publikum in seltener Eintracht attestiert. Die Darstellung der Entwicklungen und der inneren Spannungen, die aus Bond hier wieder eine Figur mit Substanz machen, nachdem sie am Ende der Brosnan-Ära zur Personifizierung eleganter Coolness und einem menschlichen Anhängsel raffinierter Q-Gimmicks reduziert worden war, meisterte Craig bravourös: In den Nah- und Großaufnahmen, die sich immer wieder neugierig auf Bonds Gesicht heften, wenn er gerade einen Menschen vom Leben zum Tode befördert oder einen Tod indirekt verschuldet hat, knistert es vor Energie und Widersprüchlichkeiten. Ist Bond zu hitzköpfig, wie die wutentstellte Visage andeutet, mit der er in der Exposition auf seinen ersten Gegner hinabsieht, den er in grober Handarbeit in einer öffentlichen Toilette erledigt hat? Ist er ein kaltherziges Schwein, wie die zynische Ruhe, mit der er seinen zweiten Mord registriert, vermuten lässt – schon eine Spur jenes boshaften Lächelns im Mundwinkel, mit dem er in der Mitte des Films einen Terroristen in die Luft fliegen sieht, dem er gerade ein tödliches Schnäppchen geschlagen hat? Oder ist da eine verhaltene Andeutung von etwas anderem als cooler Professionalität, wenn sich sein sonst unerbittlich gerader Blick für eine Millisekunde senkt, nachdem er gerade dem Mann, mit dessen Frau er kurz zuvor noch intim wurde, einen Dolch in den Leib gestoßen hat? Ist sein Gesicht wirklich ungerührt, als diese Frau am Tag danach gefoltert und ermordet in einer Hängematte aufgefunden wird, oder sind seine Kiefer eine Nuance zu fest aufeinander gedrückt? „When you take a life/do you know what it is you give?“ – In den insistierenden Aufnahmen, die in Bonds Gesicht der im Titelsong vorgegebenen Frage nachzuspüren scheinen, deutet Craig dezent, aber mit höchster Präzision an, dass sein Bond wesentlich komplexer ist als das „mere instrument“, als das M (Judi Dench) ihn einmal rüde bezeichnet.
Diese Qualität der Ambivalenz, die spannungsvolle Fragwürdigkeit, die Craig Bond mitzugeben verstand, macht auch seinen kleinen Cameo-Auftritt im „Goldenen Kompass“, mit dem er derzeit in den Kinos präsent ist, zur perfekten Verkörperung des von Romanautor Philip Pullman erfundenen, charismatischen Lord Asriel: Ein Mann, dessen selbstsicheres Auftreten als kühner Forscher-Abenteurer und dessen Ruhe angesichts der Tatsache, dass gerade ein Mordanschlag auf ihn verübt wurde, es durchaus verständlich erscheinen lassen, dass sein zwöfjähriges Mündel schwärmerisch zu ihm aufsieht; und doch zeichnet sich in seinem etwas zu schnellen, bestimmten Gang und an der Brüskheit, mit der er die Äußerungen des Mädchens abtut, bereits eine Ungeduld und Rücksichtslosigkeit beim Verfolgen seiner Ziele ab, von der man wohl noch mehr und vor allem Schlimmeres zu sehen bekommen wird, sollte die Romantrilogie fertig verfilmt werden.
Lord Asriel ist die erste Aristokraten-Rolle, die Craig in seiner Filmkarriere verkörpert; Forscher bzw. Wissenschaftler hatte er allerdings auch schon in „Enduring Love“ und der britischen Serie „Archangel“ (die gerade in Deutschland unter dem Titel „Die rote Bedrohung“ als DVD erschienen ist) gespielt. Zuvor war er eher auf den Part des Proletariers oder Gangsters abonniert: Männer, die mit den Händen arbeiten und den rauen Umgang der Straße gewohnt sind. In der britischen BBC-Serie „Our Friends in the North“ verkörperte er z.B. einen Möchtegern-Pornokönig, der am Ende untergeht – und schaffte damit 1996 in seinem Heimatland den Durchbruch zum Star, nach mühevollen Jahren, in denen er sich nach der Absolvierung der renommierten Guildhall School of Music and Drama mehr schlecht als recht mit diversen Theater- und Filmengagements über Wasser gehalten hatte. Im Folgenden machte er sich allmählich auch international einen Namen: 2000 wurde er auf der „Berlinale“ als einer der „European Shooting Stars“ präsentiert; 2002 lieferte er als skrupelloser, aber feiger Gangsterboss-Sohn in „Road to Perdition“ (2002) einen beeindruckenden Hollywood-Auftritt ab. Bereits im Jahr zuvor hatte er als attraktiver männlicher Körper Angelina Jolies One-Woman-Show in „Lara Croft – Tomb Raider“ flankiert, was seiner Bekanntheit wohl guttat, wenn der Part auch bis heute die unambitionierteste Rolle seiner Karriere ist. Aber immerhin: Das Paar Craig/starke, selbstbewusste Frauenfigur, das hier angelegt ist, findet sich auch in Folgeprojekten wie „Casino Royale“ (mit Eva Green) und „Invasion“ (mit Nicole Kidman) wieder und verweist auf die nach wie vor bemerkenswerte Tatsache, dass Craig einer der männlichen Stars ist, die eindimensionale patriarchale Genderkonstellationen meiden. Wie sein britischer Kollege Clive Owen oder der Australier Russell Crowe kann er Action-Qualitäten als harter „Mann-Mann“ (im Gegensatz zu sexuell schillernderen Darstellern wie Johnny Depp oder Jude Law) mit dem Mut zu Schwächen und Brüchen verbinden; und noch mehr als Owen und Crowe wagt er es, maskuline Rollenmodelle und damit verbundene Konstellationen von Macht und Abhängigkeit zu unterlaufen und zu verkehren. Wenn er in „Casino Royale“ auf den Spuren von Ursula Andress dem Meer entsteigt und sich zum Objekt des „visual pleasure“ Caterina Murinos und der Kinozuschauerinnen macht, ist das noch bieder im Vergleich zu den Grenzüberschreitungen, an denen er sich in der Phase zwischen seinem Durchbruch 1996 und dem Aufstieg zum Superstar als Bond in verschiedenen britischen Filmen abgearbeitet hat.
Neben John Mayburys fieberhaftem Bacon-Porträt „Love is the Devil“ (1997), in dem er den Geliebten des Malers spielt, zeichnen sich etwa die Produktionen „Die Mutter – The Mother“ (2003) und „Enduring Love“ (2004, hierzulande nur auf DVD erschienen) durch die intensive Darstellung von Liebesbeziehungen, die die Gender-Normen sprengen, aus. In letzterem Film sieht sich sein Charakter Joe der Aufdringlichkeit eines männlichen Stalkers ausgesetzt: Dieser entwickelt während des gemeinsamen Versuchs, einen marodierenden Fesselballon zu bergen, eine obsessive Leidenschaft für ihn und steigert sich in einen Liebeswahn hinein, dessen Ansprüchen Joe sich am Ende nur erwehren kann, indem er bei drohender Todesgefahr den Stalker zu einem Kuss verführt und somit durch die vorgetäuschte Hingabe an dessen Liebesbedürfnis im letzten Moment die Kontrolle zurückgewinnt – einer der faszinierendsten, abgründigsten „Judasküsse“, die das Kino zu bieten hat. Eine besondere Spannung bekommt diese fatale Beziehung durch die Besetzung, die gängige Klischees von Täter und Opfer auf den Kopf stellt: Der kräftige, maskuline Craig wird von dem schmächtigen, weicheren Rhys Ifans perfide aus dem männlichen Gleichgewicht gebracht; und bis Joe endlich seine („weibliche“) Rolle als Opfer offensiven Begehrens voll zu realisieren bereit ist, ist es fast schon zu spät. In „Die Mutter – The Mother“ verkörpert Craig einen Handwerker, der sich auf ein Verhältnis mit der Mutter seiner Freundin einlässt. Der Film spürt u.a. in sehr expliziten Sexszenen der Dynamik dieser Beziehung nach, in der der jüngere Liebhaber zunächst ein Rückhalt für die gerade verwitwete Pensionärin zu sein scheint, der ihr, mutig die Konventionen in den Wind schlagend, eine Schulter zum Anlehnen, einen nicht mehr erwarteten, späten sexuellen Frühling und neue Lebensfreude beschert. Allerdings wird die Souveränität der Figur im Laufe des Films immer mehr demontiert, bis seine Motive für die skandalöse Affäre schließlich seine charakterliche Schwäche statt seiner Stärke bezeugen.
Eine widersprüchliche Mischung aus Kraft und Schwäche, Dominanz und Ohmacht, ausagiert in einem fatalen emotionalen Irrgarten aus sexuellen, sozialen und geistigen Beziehungen, prägte auch sein Verhältnis als George Dyer zu Francis Bacon (Derek Jacobi) in „Love is the Devil“ (1997). Zwar oft in der inszenatorischen Unschärfezone hinter Jacobis packendem Künstler-Porträt im Vordergrund, schaffte es Craig doch, mit seiner Figur in einigen starken Szenen bleibenden Eindruck zu hinterlassen: So etwa in einer Sequenz, in der er sich, aus einiger Distanz in einer langen Einstellung im Profil gefilmt, an einem Waschbecken mit Bürste und Seife die Hände wäscht – und wäscht und bürstet und nicht aufhören kann, bis sein Partner von hinten die Arme um ihn schlingt: Ein von inneren Dämonen gequälter Mensch, der im Gegensatz zu seinem Liebhaber weder in der Kunst noch in Worten seine Ängste formulieren kann und nur in der Zerstörung des eigenen Körpers einen Ausdruck dafür findet. Ein Merkmal, das einige andere Craig-Charaktere teilen: Schmerz und Gewalt scheinen für sie, die oft wenig reden, eine besser beherrschte Sprache als Worte zu sein – etwa für den Jesuiten-Agenten, der in „Elizabeth“ (1998) die Königin ermorden will: eine Art düsterer Anti-Bond, der wie 007 zunächst umstandslos einen Gegner ertränkt und professionell tötet, bis er selbst in der Folterkammer seiner Gegner landet. Umso schöner ist in „Casino Royale“ die Szene, in der Bond bei der Begegnung mit Vesper Lynd (Eva Green) im Zug auf einmal richtig eloquent wird und im Folgenden eine Kommunikation jenseits der Gewalt entdeckt – die am Ende jedoch, wenn Vesper ihrem Liebhaber mit einem stummen Schrei unter Wasser für immer entgleitet, radikal unterbunden wird. Die Logik von Austeilen und Einstecken behält das letzte Wort: Verbal gegenüber M keine Trauer zugebend, übersetzt Bond seinen Schmerz in einen gezielten Schuss auf einen der Männer, die dafür verantwortlich zu machen sind.
Dank des guten Drehbuchs und Craigs darstellerischen Talents wurde die 007-Initiationsgeschichte von „Casino Royale“, an deren Ende das affirmative „Mein Name ist Bond. James Bond“ steht, im Grunde zur Tragödie eines 007, der an Stärke und Kaltblütigkeit, aber auch an Versehrtheit sämtliche Vorgänger-Bonds hinter sich ließ. Ob hier oder in „Layer Cake“, ob in „Elizabeth“, in „Love is the Devil“, „Road to Perdition“ oder „Sylvia“: Mit heiler Haut und ohne innere Narben kommen Daniel Craigs Figuren selten davon. Glatte Charaktere, die man nur bewundert, nur liebt oder nur hasst, sind seine Sache nicht; vielmehr versteht er es, die Verletzlichkeit der Körper und Seelen und mit ihr den menschlichen Kern in Feiglingen und in Helden, in Liebhabern wie in Killern bloßzulegen.
Felictas Kleiner
Hatten wir nicht einmal die Diskussion, warum Bond auf White schoss? Hier eine ganz neue Interpretation, es als Bond's Übersetzung seines Schmerzes auf Grund der kommunikativen Unfähigkeit zu deuten.