Meine Kritik zu „Spectre“
Nun ja, „Spectre“. Großer Titel, Fazit: Siehe die ersten beiden Wörter der Kritik.
Insgesamt ist „Spectre“ für mich ein solider Bond-Film und gut unterhaltend. Insgesamt bewerte ich den Film mit 6 von 10 möglichen Punkten. Das mag manchem als hartes Urteil erscheinen.
Dabei messe ich insbesondere an den bisherigen Bond-Filmen seit dem Reboot „Casino Royale“ – „Spectre“ ist für mich leider knapp der schwächste der dieser Reihe… Die Rangfolge hängt natürlich vor Allem mit meinen eigenen Erwartungen zusammen.
Und diese Bewertung des Films ist mir als eingefleischter „Bondianer“ und Craig-Fan keineswegs leicht gefallen. Entgegen der gefühlten Mehrheitsmeinung und des Einspielergebnisses, worüber mich nach wie vor sehr freue, ist für mich nicht „Skyfall“ die Messlatte, sondern „Casino Royale“.
„Spectre“ ist zwar langatmig, aber nie langweilig. Oft fehlt es ihm aber für mich ganz allgemein an Überzeugungskraft und Drive. In „Spectre“ gibt es für mich – bis auf eine einzige Ausnahme – keinen „Wow“-Effekt. Zu diesem komme ich später. Und es gibt ein paar schöne und vollkommen genießbare Dinge. Im Folgenden konzentriere ich mich daher, und bewusst mit einigen Monaten Abstand und nur einmaligem Anschauen, insbesondere auf die Momente, während derer ich im Kino dachte: „Uah, dümmlich…“ Logiklöcher noch und nöcher…
Es mangelt bei „Spectre“ insgesamt an einem einheitlichen Guss.
War meine Einleitung bewusst eher sachlich (und Freunde, dies wird eine Kritik, die ist IMMER subjektiv), werde ich im Folgenden - auch wieder - BEWUSST mit Ironie arbeiten. Also: Nicht empören
Und, an alle, die es irgendwie geschafft haben, den Film immer noch nicht zu sehen, aber sich hier tummeln, ja, diese Kritik enthält Spoiler, und zwar massenhaft!
Also… (in zufälliger Reihenfolge)
Geheimes Hauptquartier:
Ah! Das geheime Hauptquartier des Oberschurken, der alle Fäden in der Hand hält, alles weiß und alles kontrolliert… Entgegen klassischer Bondfilme (derer vor dem Reboot), ist es diesmal vollkommen ausreichend, irgendwo in der Wüste sein Lager aufzubauen, mit Anlagen, die oberirdisch von jedem schnöden Satteliten, selbst derer der älteren Bondfilme, sichtbar sein dürfte. Aber: Immerhin – da ist ja nichts in Karten verzeichnet!!! Scheiß doch auf Tarnung, wir sind doch in der Wüste, und, es ist doch Nichts in KARTEN verzeichnet!!! Das war vielleicht in der Prä-Satteliten-Zeit vor dem Sputnik und insbesondere außerhalb des auch in der Craig-Ära existierenden Bond-Universums noch denkbar. Gähn! Das war schon mal origineller. Selbst schon 1967 in „Man lebt nur zweimal“. Dem Krater sei dank.
Dann: Ein paar gezielte Schüsse und: Kahwuuum!!!! Alles explodiert natürlich! Aber erst, nachdem man sich im Vorbeigehen seiner Wächter entledigt hat. Gähn, Gähn, Doppel-Gähn! Tausendmal gesehen: langweilig, langweilig, langweilig! Dumm, dümmer, am Dümmsten.
Achja, Bond wird gefoltert:
Mit fiesen Bohrern direkt ins Gehirn!!! Und? Macht ja nix! Blofeld sitzt an seinem Rechner und bastelt daran rum, welche neuralgische Stelle er als nächstes penetrieren könnte. Effekt: Null. Waaaasss?!?!? Ist das Euer Ernst?! Und ich meine nicht Stavro! Bond ist zwar hart im nehmen. Aber anatomisch totaaaaal anders gebaut als alle andere Menschen, und deshalb schlägt die gezeigte Foltermethode des Genies Blofeld nicht nennenswert bei ihm an?! C’mooon! Unlogik in sich selbst.
Was eine wirkliche Folterszene ist, konnte man vorzüglich, und auch noch mit einigem bitter-süßen, in jenem Film oft als fälschlicherweise als abwesend beklagtem Humor in „Casino Royale“ bei der Eiermassage - zumindest als Mann in Gänze - miterleben. Und dann ab ins Sanatorium. Zu Recht. Fazit dieser Szene in „Spectre“: Ziemlich lahm!
Ah, der eine Böse hat einen Ring,
den ich, James, an mich nehmen soll, denn M hat es mir aus dem Jenseits per Video-Botschaft aufgetragen. Und das leider mit der falschen Synchronstimme in der deutschen Fassung, was man dem Film als solchen natürlich nicht anlasten darf.
Schönes Ding, die alte Grande Dame noch einmal in einer Video-Botschaft zu sehen !
Aber, warum verdammt, hat sie damit so lange auf sich warten lassen?! – Entschuldbar, wir reden über Judi Dench. Dame Judi Dench.
Und ich, Bond, kriege diesen verfickten Ring! Die „Ich-kriege-dich-Schurke-Sequenz!“ ist der mit deutlichem Abstand bester Teil des Films, ein echter “Wow“-Effekt! Hinleitung, Kamara, Dramatik, Explosion – und alles sehr gekonnt! Alles stimmt. Grandios! Selbst, wenn die Hinleitung zumindest merkwürdig erscheint. Einfach geil! Das lässt auf einen grandiosen Film hoffen!
Aber gleich wieder etwas verdorben! Der sehr sympathische neue Q analysiert den Ring und findet zahlreiche und sachdienliche Informationen in dem Ring selbst!
Im Ernst, Stavro?!
Du bist Kopf DER geheimen Geheim-Organisation und du stattest mindestens eines deiner Organisationsmitglieder (vermutlich aber alle) mit einem Ring aus mit „Spectre“ (Gespenst) drauf – das ist ja ziemlich cool und stylisch für mich – ABER außerdem sind alle wichtigen Informationen darauf enthalten, die man als Geheimdienst so finden muss?!? Alter ey… Mir fehlen die Worte…
Warum nicht gleich Landkarten produzieren und dem MI6 dicke Hinweisschilder in die Wüste stellen mit der Aufschrift: „Hier geht’s zum geheimen Hauptquartier der geheimsten Geheimorganisation aller Zeiten, die jemals auf der Erde existiert hat, namens SPECTRE“?? …Natürlich nur nach den Illuminati“. Waaaas?!? Ob ihr behindert seid? Voll Kacke!
Verfolgungsjagd mit Autos mit dem bösen Handlanger :
Netter Raketen-Effekt, der an alte Bonds erinnert, aber ansonsten völlig verpufft. Echt nett. Aber auch nicht mehr. Ansonsten: Schnarch! Langweilig! Alles schon mal und deutlich besser gesehen!
Die Alte:
Echt? Ich meine, die spielt echt ganz gut, aber konntet ihr keine hübschere Französin verpflichten? Sieht ja ganz süß aus. Aber muss denn gleich wieder von: „Ich liebe Dich!“ rumgesäuselt werden? Naja, okay. Ihre Rolle spielt sie ziemlich gut. Aber, liebes Drehbuch, warum sagt sie Bond denn an einer entscheidenden Stelle sinngemäß: „Nee, ich mag nicht mehr. Mach du mal alleine. Ich geh weg.“ Und Bond denkt sich: „Naja, okay…“ Öde. Booah. Nerv…
Craig’s Bond liebt nur eine: Vesper Lynd!!! Mensch, denn die ist, was ihn zu ihm gemacht hat! Das war ganz groß. Das ist unendlich! Da wird niemand anderes ein paar Jahre später geliebt!!! Was soll DAS denn???!!!
Sehr angenehm und belustigend zu sehen aber ist die Widerspenstigkeit von Whites Tochter gegenüber Bond! Sehr gut. Sehr schön.
Die Maus-Sequenz:
Super!!! Genau die richtig dosierte Dosis Humor an der richtigen Stelle! Echt lustig . Und gut gemachte Hinleitung zu einem geheimen Zimmer…
Mr. White:
Super. Schön, Jesper, dass du deine Meinung noch einmal geändert hattest und zurückgekehrt bist!
Das geheime Zimmer im Hotel:
Dein Ernst, Mr. White? Wie bist Du denn da regelmäßig reingekommen, wenn Du dich in dem Hotel aufgehalten hast? Jedes Mal die eine Hollywood-Wand eingeschlagen und dann jeweils wieder fachmännisch herbereitet, so dass auch normale Gäste nichts merken von Deinem geheimen Versteck? Von Deinem geheimen Versteck, in dem auch noch Verhör-Videos von Vesper Lynd einfach mal so rumliegen? Öde… Dumm… Blöd…
Ah, ja, die Sequenz im ehemaligem MI6-Hauptquartier:
Echt jetzt?!? „Ich habe deine Liebe in einer Ruine gefesselt, und da ist ´ne riesen Bombe drin. Entweder du fängst mich und bringst mich zur Strecke oder du rettest ihr Leben.“
Uahh! Kotz-würg! Und dann muss Bond, denn er will ja seine neue Flamme retten, durch einen Nintendo-gerechten Parcours rennen, um die (nicht-ganz-so) Schöne zu retten; und: Überraschung: er schafft es!!! – Gähn, kotz,…. Mir fehlen erneut die Worte…. Sowas sollte man, auch bei stetig abnehmender Qualität, lieber den „Saw“-Schreibern überlassen.
Mmjaaa, die Überraschung, wer ich eigentlich bin.
So, fast fertig der Comic, wäre da nicht die Auflösung: „Nein, ICH bin Dein Vater!“ war geniaaal in „Das Imperium schlägt zurück“. Aber: „Ich bin‘s, dein Adoptiv-Bruder!“ ist dann doch ungefähr so schal wie ein Astra, das man am übernächsten Morgen nach einem ausgiebigen Kiezbesuch zum Katerfrühstück austrinkt.
Hier holt definitiv das Original die Persiflage á la „Austin Powers“ ein!!! Scheußlich! Und warum ist unser Ernst so ernst geworden? Weil Papa James immer viel lieber gehabt hat?
Ähäm. Freud, geliebter Siggi, Du, ich weiß es, würdest Dich im Grabe umdrehen!!!!! Gähn-schnarch-kotz-würg…
Jo, ich mach mal wieder mein Ding!:
Bond mal wieder auf eigene Faust unterwegs… Nach dem gefühlt 30. Mal sehnt meine Bond-Seele sich mal wieder nach einem klaren Statement von M: „So, 007, öffnen Sie den Umschlag, darin ist ihr neuer Auftrag. Alles Gute! Ich weiß, Sie werden mich auch dieses Mal nicht enttäuschen!“
Ausreizen um jeden Preis… Müde, ich bin müde. Ich muss schlafen. Sofort.
Ja, die Prügelei im Zug…
Hat man nicht versucht, Bond wieder etwas mehr zu erden, insbesondere nach dem völlig verunglückten „Tomorrow never dies“?
Bond durfte die ersten Male danach noch richtig bis etwas bluten, wenn er aufs Maul gekriegt hatte. Und man sah, insbesondere in „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“, dass es keine schöne Sache ist, jemanden um die Ecke zu bringen!
Und nun? Es wird sich durch den ganzen, merkwürdigerweise vollkommen passagier- und personallosen Zug geprügelt, man kriegt ordentlich auf die Omme, der Böse wird mehr oder weniger elegant und originell aus dem fahrenden Zug befördert, man richtet sich die Krawatte, hat nicht einmal IRGENDEINE sichtbare Verletzung davon getragen und fährt fröhlich weiter in dem Zug. Und, man steigt vollkommen unbehelligt irgendwo in der Wüste aus und wird zum, geheimen Hauptquartier fein abgeholt… Äh… Ja, genau….
Selbst Champagner-Bond Roger Moore war realistischer diesbezüglich.
Ach ja, der Nebenhandlungsstrang:
Ganz nett, aber auch nicht zwingend notwendig.
Blofeld strebt nach Weltherrschaft aus dem Hintergrund. Soweit, so unklar. Ebenso vorhersehbar wie herrlich arrogant-schnöselig wird dies transportiert vom neuen Vorgesetzen von M. Aber eigentlich bereitet dieser Nebenstrang im Film nur das Podium für den Kampf von „Star Wars“-ähnlichen Rebellen egen das böse galaktische Imperium. Das degradiert M, Q und Moneypenny nur zu einem netten, aber letztendlich auch entbehrlichen Neben-Esemble. Screen-Zeit, die für Blofeld fehlt.
Wobei lobend die Dialoge zwischen M und seinem neuen Vorgesetzten, dessen Bezeichnung bei mir als zu unwichtig auch schon wieder entfallen ist, hervorzuheben sind!
Aber kann es aber nicht einfach mal wieder ein „normaler“ Auftrag sein, ohne dass ständig die komplizierte Weltlage eingewoben werden muss? Mal ganz ehrlich, auch schon während des Kalten Kriegs war die Welt nicht nur Schwarz und Weiß. Aber soll das in einen Bond gehören? Ich meine: Nein. Jedenfalls nicht dauernd.
Ja, wir fahren mal wieder einen alten Aston Martin DB5:
Ein bisschen Nostalgie in allen Ehren. Aber, ich habe es langsam satt…
Das älteste „Bond-Girl“:
Tada! Ich bin’s Bond. Zack-zack, knick-knack, flachgelegt! Infos bekommen, nachdem der Venushügel beklommen… Oder so ähnlich. Mister Kiss-kiss bang-bang und die Häscher sind zerflenst!
„Tschüss, ne?! Ich muss weiter!“
Alles ist miteinander verbunden…
Tja, wer hätte das gedacht? Auch der Skyfall-Nerd gehört zu Blofeld’s Bande?! Aber warum? Es gab nicht einen EINZIGEN subtilen oder direkten Verweis in Skyfall darauf. Und Spectre liefert auch keine überzeugenden Hinweise, geschweige denn Hinweise. Hm. Doof. War ich bei „CR“ und „EQT“ noch Feuer und Flamme, dass hinter Allem DIE eine Organisation steckt, so sehr blieb mit der lahmen Erklärung auch „Spectre“ in der Kehle stecken. Die Verbindung von Javier Bardem genial Bösem wirkt konstruiert, und auch die Frage, warum es zwei Filme zuvor noch um „Quantum“ ging bleibt unbeantwortet. Und was zur Hölle ist mit den in EQT angedeuteten Verbindungen von hohen britischen Regierungsbeamten, wie Guy Haynes, oder, was hat es mit der Piepeline in Russland auf sich??? Insgesamt eine vertane Chance. Schade. Sehr schade.
Das Finale:
Ich schieß dich in deinen Helikopter von meinem Boot aus ab Jaaa. So, Narbengesicht, jetzt hab ich Dich abgeschossen, und Du kriechst auf dem Boden rum. Aber, nein, ich knall dich jetzt nicht ab, denn ich, Bond, habe nun meine ENDGÜLTIGE Liebe gefunden! Hm. Tja…
Fazit: Nun, ja.
Was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack im Munde eines verwöhnten Craig-Bond-Fans. Der Film wollte viel zu viel, und hat leider dahingehend versagt. Schade. Drei Jahre Warten und dann das. Viel zu wenig.
Aber dennoch ist es kein schlechter Film an sich. Nur das, was er wollte und sollte, und natürlich, hätte sollen können, war er für mich zu wenig. Für mich, ein kleiner Rückschritt.
Als „Brückenfilm“ wie „Das Imperium schlägt zurück“ taugt er meiner Meinung nach nicht. Als „Stand Alone“ schon gar nicht. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Blofeld kam viel zu kurz. Meiner Meinung nach auch nur gut verkörpert, und nicht genial.
War Craig in CR bis Skyfall noch grandios bis sehr gut, und auch in Spectre noch gut, kann und will ich nur hoffen, dass er im nächsten Bond-Film, und dieser auf jeden Fall auch, mal wieder ein Brikett zulegt.
Ich hoffe, der nächste Film, hoffentlich mit Daniel, macht einiges anders und vieles besser.
In drei Jahren schreibe ich möglicherweise die nächste Kritik. Und ich kann nur hoffen, es gibt kein Reboot mit einem anderen Darsteller. Noch ist Hopfen und Mais nicht verloren!
Agent K.
PS: Noch einmal – Der Film hat auch Einiges Positives, aber ich habe mich in meiner Kritik hauptsächlich auf die „Downsides“ konzentriert. Diese waren einfach in einer Vielzahl vorhanden, deshalb auch nur 6 von 10 Punkten. Gehabt euch wohl!