craigistheman hat geschrieben: Gestern 11:51
Der Schock hat sich über Nacht bei mir etwas gesetzt. So sehr sich der Deal für mich als Fan wie ein Verrat anfühlt und so sehr ich um die Integrität Bonds unter Amazon bange, muss ich rückblickend dann doch hervorheben, dass ich mit dem von EON seit SF eingeschlagenen Kurs eher unglücklich war.
Der halbgare und höchst süffisante SP hat sich für mich wie Monumentalversagen angefühlt, NTTD trotz einiger hübscher Einfälle wie eine künstlerische Bankrotterklärung.
Letztlich hat EON Bond getötet und überreicht MGM/Amazon ein Relikt. Entgleist ist die Reihe meiner Ansicht nach aber schon länger, da täuscht auch kein Familienunternehmen-Romantismus drüber hinweg.
Jetzt kann natürlich alles noch schlimmer werden - wie oft haben wir in letzter Zeit geschäkert, uns alternative Spin Of-Formate ausgedacht... All das ist jetzt bedrohlich nah gerückt.
So sehr ich mit Broccolis/Wilsons Vorstellungen der letzten Jahre fremdelte, so ließ sich am Ende des Tages immer wieder erkennen, wie sehr sie ihre Marke, ihr Baby schützten. Entsprachen die Filme nicht unbedingt meinen Erwartungen, so empfand ich im Gegenzug immer tröstende Sympathie für das Familienunternehmen und dessen Philosophie. Nun ist auch das weggebrochen und es fühlt sich wie ein Verlust an.
Zugleich tun sich mit MGM/Amazon als neue kreative Instanz hinter dem Franchise auch Chancen auf. Lässt man die (leider nicht unwahrscheinliche) Horrorvision eines kompletten Ausverkaufs für einen Augenblick beiseite, so wären jetzt Dinge möglich, die in den letzten Jahren eher unrealistisch erschienen. Ein Nolan-Bond, den einige hier begrüßen würden, ist zum Beispiel nun im Bereich des Möglichen.
Es würde mich auch nicht wundern, wenn vorerst versucht wird, die Fanbase mit einem harmlosen Bonbon à la The Force Awakens zu beruhigen.
Man kann das natürlich kolossal vergurken, z.B. in Form von Remakes alter Klassiker, auch hier lässt TFA schön grüßen. Möglicherweise hat man aber aus den eigenen Fehlern und den Fehlern anderer gelernt, holt Bondveteranen ins Boot, die wissen, wie das Format funktioniert. Über eine Rückkehr David Arnolds würde ich mich zum Beispiel sehr freuen! Auch das scheint nun wieder eine realistischere Option als noch zuletzt zu sein.
Es wird - davon gehe ich derzeit aus - erstmal zu einer vorsichtigen Abtastungsphase kommen.
Nach einem eher polarisierenden letzten Ableger und schlechter Presse hinsichtlich der Akquise wird man - so schätze ich - versuchen veröhnlich auf die Fanbase zuzugehen, was auch immer das heißen mag. Letztlich liegt die entscheidende Veränderung vor allem am Druck Box Office-technisch überdurchschnittlich performen zu müssen, um den Fortbestand der Reihe zu gewährleisten. Mit diesem Kapital hinter Bond stellen Kassenflops kein ökonomisches Bedrohungsszenario mehr für die Marke dar. Das Positive daran liegt in den neuen Experimentiermöglichkeiten. Zugleich stellen diese aber natürlich auch die Kehrseite der Medaille dar. Es ist und wird ein sehr schmaler Grat.
Cubby dürfte sich jedenfalls ordentlich im Grabe umdrehen - die Katastrophe, die Harry Saltzman mit dem Verkauf seiner Anteile einst lostritt und über Jahrzehnte hinweg vor sich hin brodelte, kulminiert nun in einer endgültigen Kontrollabgabe. Ob er das gewollt hätte? Andererseits stand er nie vor einem Deal dieser Größenordnung. Und ganz wichtig - anders als seine Tochter hatte er ein Leben vor Bond.
Es ist ein Abschied und Abschiede tun weh.