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Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 12:01
von danielcc
Da stelle ich einfach die Frage was denn ein "klassischer" Bond ist. Ein ernstes Spionage Abenteuer wie DN, ein kalter Krieg Thriller wie FRMW, ein GIlbert'scher Action/Sci Fi Epos, oder doch ein Moore'scher Gaga-One-Liner Bond? Oder vielleicht doch sowas wie OHMSS oder LTK?
Also, es läuft ja alles nur auf eine (mehr oder weniger mögliche) Gemeinsamkeit hinaus: Bond soll ein emotionsloser Typ sein der Action erlebtt und dazu Sprüche liefert. Wenn das ein klassischer Bond ist, möchte ich ihn nicht mehr. Es muss aber natürlich auch nicht so eine Tragödie sein wie NTTD.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 12:10
von Martin007
Nun, wie Bond am Anfang einen Auftrag von M und seine Gadgets von Q erhält wäre zumindest schon mal ein Anfang. Es muss nicht immer ein Gilbert'sches Abenteuer sein, das war ja auch vor Craig eher die Ausnahme und nicht die Regel.
Ist GE ein emotionsloser Film? Ist TLD ein emotionsloser Film? Wer definiert welcher Film emotionslos ist?
Ich für meinen Teil wäre schon mit einem Film in der Art von TWINE nicht völlig unzufrieden. Es muss ja nicht gleich MR Teil 2 werden.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 12:26
von craigistheman
Ich denke auch, dass es den einen klassischen Bond gar nicht gibt. Und die Geschmäcker sind unterschiedlich.
Aber es gibt einzelne Schlüsselelemente, die immer wieder zurückkommen und variiert werden. Eines davon ist der Sinn für das Exotische, Weltliche. Das ging in den Mendes-Bonds, die sich meiner Ansicht nach sehr nach Studiofilmen anfühlten, etwas abhanden, und kehrt in NTTD auf sehr eindrückliche Art zurück. Die Locations wurden sehr schön und auch nuanciert eingefangen, wie ich finde. London z.B. besteht nicht nur aus Whitehall und Vauxhall Bridge, sondern ist eine High End-Stadt. In NTTD sieht man auch mal ein Hochsicherheitslabor in einem Hochhaus, das hat mir persönlich sehr gefallen. Jamaika und Kuba geben dem Film eine retro-Bond typische karibische und zugleich moderne Note (die Clubszene).
Was in NTTD möglicherweise fehlt, ist die Erotik, das Mysterium der Anziehungskraft. Sie wird durch eine handlungsbedingte Bodenständigkeit ersetzt, die bei Bond etwas befremdlich wirkt. Das wird auch der Grund sein, weshalb Paloma last minute noch ins fertige Script geschrieben wurde.
Ansonsten dürfen wir uns in NTTD über viele Elemente freuen, die wir aus anderen Ablegern kennen, angefangen bei einem richtigen Villain-Hideout und einer klaren Mission - die zugegebenermaßen sehr spät erteilt wird.
Das, was NTTD von SF oder SP am ehesten abhebt, ist das Storytelling und die Art und Weise wie Action genutzt wird. Bis auf den doch recht selbstgefälligen Party-Fight auf Kuba, treiben alle Actionszenen die Handlung voran, anstatt den Handlungsfluss zu pausieren.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 12:36
von vodkamartini
Bond ist immer mit der Zeit gegangen und das ist auch gut so. Der Erfolg gibt ihm recht. An Fleming war er nie nahe dran, außer mit abnehmender Tendenz in der Connery-Ära. Mit der Zeit gehen heißt aber nicht die DNA auf den Kopf zu stellen, die die Reihe zu dem Erfolg gemacht hat, den wir heute noch sehen. Mir kommt das wie ein Kniefall Broccolis vor Craig vor, den ich persönlich befremdlich finde und der auch nicht so leicht wieder vergessen gemacht werden kann. Das ist eine Hypothek für reihe und Neu-Bond.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 12:40
von Casino Hille
Ich kann das Wort Fleming nicht mehr hören. Seit OHMSS hat die Filmreihe gar nichts, wirklich absolut nichts mit Fleming zu tun. Egal was von EON oder manchen Fans manchmal gesagt wird.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 13:40
von craigistheman
Casino Hille hat geschrieben: 5. Oktober 2021 12:40
Ich kann das Wort Fleming nicht mehr hören. Seit OHMSS hat die Filmreihe gar nichts, wirklich absolut nichts mit Fleming zu tun. Egal was von EON oder manchen Fans manchmal gesagt wird.
Sehe ich trotz meiner bescheidenen Fleming-Kenntnisse (habe nur CR, LALD, FRWL, OHMSS und TB gelesen) genauso. Im übrigen ist das meiner Auffassung nach auch gut so, denn das, was ich gelesen habe, ist teils so dermaßen aus der Zeit gefallen, oder einfach schlecht, dass ich mich darüber freue, dass Broccoli Senior die Intelligenz besaß, die Filme ihren eigenen Weg einschlagen zu lassen.
Der flemingsche Bond ist für mich noch unglaubwürdiger als Moores bewusst selbstironische Interpretation des Charakters.
Das Fleming-Argument kommt meistens von Leuten, die ihn nicht gelesen haben, und das nachplappern, was in Interviews so erzählt wird.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 13:47
von vodkamartini
Fleming wäre ohne die Bondfilme haute längst in Vergessenheit geraten.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 13:48
von Invincible1958
craigistheman hat geschrieben: 5. Oktober 2021 13:40Das Fleming-Argument kommt meistens von Leuten, die ihn nicht gelesen haben, und das nachplappern, was in Interviews so erzählt wird.
In Interviews wird erzählt, dass man Fleming als Inspiration nimmt, aber zeitgleich wird dort auch erzählt, dass man natürlich nicht 1:1 Fleming verfilmt - sondern ihn für die heutige Zeit adaptiert.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 13:56
von vodkamartini
Außer Namen, Beruf und Alkoholproblem ist da rein gar nichts mehr adaptiert, schon ewig nicht mehr.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:01
von craigistheman
Invincible1958 hat geschrieben: 5. Oktober 2021 13:48
craigistheman hat geschrieben: 5. Oktober 2021 13:40Das Fleming-Argument kommt meistens von Leuten, die ihn nicht gelesen haben, und das nachplappern, was in Interviews so erzählt wird.
In Interviews wird erzählt, dass man Fleming als Inspiration nimmt, aber zeitgleich wird dort auch erzählt, dass man natürlich nicht 1:1 Fleming verfilmt - sondern ihn für die heutige Zeit adaptiert.
Ich weiß Invicible1958. Aber es heißt ja immer wieder: „Go back to Fleming, it's all there“, und das ist aus meiner Sicht eine große Lüge. Es sollte erlicherweise eher heißen: „Go back to Terrence Young.“ Der hat für das Film-Franchise die Weichen gelegt und auf sämtlichen Ebenen am meisten getan.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:03
von Casino Hille
vodkamartini hat geschrieben: 5. Oktober 2021 13:47
Fleming wäre ohne die Bondfilme haute längst in Vergessenheit geraten.
Zurecht, denn genau wie craigistheman halte ich den bestenfalls für einen zweitklassigen Autoren. Gar nicht mal, weil er inhaltlich veraltet ist (klar, das ist er, volle Kanne), sondern hinsichtlich seiner handwerklichen Qualität als Schriftsteller.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:04
von vodkamartini
Absolute Zustimmung. Er ist halt kein Raymond Chandler. Sein Stil ist irgendwie spröde und auch ein klein wenig öde.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:20
von craigistheman
Am stärksten finde ich ihn immer dann, wenn er ins Deskriptive geht. Räumlichkeiten, Zustände, Lifestyle-Kram oder Essen beschreibt er so, dass ich Bilder vor Augen habe. Da verspüre ich seine Sehnsucht nach Luxus, die ich total nachvollziehen kann, da mich Luxus auch schon immer fasziniert hat, auch wenn ich ihn mir (hoffentlich noch) nicht oder nur sehr bedingt leisten kann
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.
Dieser Lebensstil ist ja auch ein Element, das sich durch alle Filme zieht. Dass der Roman-Bond überhaupt aufrecht gehen kann, ist bei seinem Alkohol und Nikotin-Konsum schon fragwürdig. Mir kommt Fleming dann eher so vor, als würde ein in die Jahre gekommener Mann, all seine Wünsche und Fantasien äußern.
Ich schäme mich immer fremd, wenn die Beteiligten von Fleming sprechen, als sei es Weltliteratur.
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:28
von danielcc
Habe dieser Tage völlig zufällig im Radio (ich glaube es war Deutschlandfunk Kultur) eine Reportage über die Bond Romane gehört. Es begann mit Fleming ging dann aber auch um die Nachfolger die jeweils beauftragt wurden.
Da kam (ich glaube es war) Anthony Horrowitz am Ende zu einem etwas anderen Urteil.
Vielleicht mal reinhören. War ganz interessant, zumindest für mich, da ich mit mit den Romanen nie so sehr beschäftigt habe (außer dass ich alle von Fleming und die letzten ~4 gelesen habe)
Re: Filmbesprechung: "No Time To Die (NTTD)"
Verfasst: 5. Oktober 2021 14:36
von GoldenProjectile
vodkamartini hat geschrieben: 5. Oktober 2021 14:04
Sein Stil ist irgendwie spröde und auch ein klein wenig öde.
Ein hübscher Reim.
Flemings Bond ist als Persönlichkeit so vage, schlicht und oft auch dem jeweiligen Roman oder Autoren entsprechend im Fluss, dass vieles erst durch die Filme dazu kam. Eine coole Sau hat erst Connery aus der Figur gemacht, einen galanten Sympathieträger erst Moore. Die Lektüre profitiert in meinen Augen auch stark von dem Vorwissen durch die Filme. Ich lese sehr, sehr gerne Fleming und Bond allgemein, aber nicht weil Fleming hier die beste Version der Figur geschaffen hat, er hat vielmehr einen Grundstein gelegt. Ich würde aber sagen dass sich der Filmbond dennoch manchmal an Fleming orientiert, selbst wenn es schwer zu sagen ist, wie. LTK sehe ich Teilen durchaus Flemingesque, aber das liegt auch an einzelnen Szenen und an der Geschichte an sich.
Neben dem von CITM genannten sehe ich eine weitere Stärke Flemings im Schaffen ikonographischer und wunderschöner Titel sowie einem guten Gespür für fantasievolle Schurken. Die Namen, Konzepte und Prämissen von Figuren wie Mr. Big, Goldfinger, Dr. No, Blofeld sind ikonographisch, schillernd und zeugen von viel Fantasie.
craigistheman hat geschrieben: 5. Oktober 2021 14:20
Ich schäme mich immer fremd, wenn die Beteiligten von Fleming sprechen, als sei es Weltliteratur.
Dann liess mal ein bisschen im Literaturbereich der MI6-Community mit, wenn du leiden willst...