Nach zweimaliger Sichtung des Filmes (in der OV) pünktlich vor dem deutschen Kinostart eine spoilerfreie Filmkritik zum 24. James-Bond-Abenteuer SPECTRE.
Nach den ersten, fast schon überschwenglich positiven Pressereviews, liest man mittlerweile auf Websites diverser Filmportale auch zahlreiche negative, teilweise sogar extrem negative Meinungen über den Film. Natürlich werden die Macher mit SPECTRE nicht jeden Bondfan oder Kinobesucher überzeugen (das konnten sie auch mit CASINO ROYALE, SKYFALL oder X nicht [für X bitte den Titel deines Lieblingsbondfilmes einsetzen]), für mich jedenfalls funktioniert SPECTRE aber wunderbar, sowohl als Bondfilm als auch als Action-Blockbuster. Die Messlatte haben sich die Macher mit SKYFALL natürlich ziemlich hoch gelegt. Vieles macht SPECTRE sogar besser als die Vorgänger, auch wenn es nicht auf allen Ebenen bzw. über die gesamte Filmdauer gelingt.
Aber nun der Reihe nach. Die Pre-Title-Sequenz (PTS) gehört jedenfalls zu den besten der gesamten Bondserie (möglicherweise ist es sogar die beste… wäre da nicht mein geliebtes GOLDENEYE…
), denn nicht nur die im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Action- und Stuntsequenz auch die kunstvolle Inszinierung lassen das Herz eines jeden Kinofans höher schlagen. Die darauffolgende, erneut von DANIEL KLEINMAN inszinierte Titelsequenz ist durchaus gewagt und enthält Elemente, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Vor allem oder gerade wegen des Bezugs zur Story und mit der musikalisch erstklassigen Untermalung (sic!) des vieldiskutierten Titelsongs von SAM SMITH, der auch später im Film passend eingesetzt wird, hat mich Kleinmans Titelsequenz wieder einmal voll überzeugt. Generell haben sich Regisseur SAM MENDES und Komponist THOMAS NEWMAN für eine sehr klassische musikalische Unterstützung entschieden – immer wieder erklingen Zitate aus vorherigen Filmen und es gibt eine starke Verwendung des Bond-Themas.
Abgesehen von der grandiosen PTS entspricht die filmische Umsetzung genau dem, was man von Regisseur SAM MENDES’ hochkarätig besetzter Crew – die großteils bereits an SKYFALL gemeinsam gearbeitet hat – auch erwarten kann. Allen voran natürlich die überwätigenden Bilder von Kameramann HOYTE VAN HOYTEMA. Egal ob es das lebendige und farbprächtige Rom, die einsamen und verschneiten österreichischen Alpen oder die Wüstenlandschaft in Nordafrika sind, HOYTEMA steht seinem Vorgänger ROGER DEAKINS, der für seine 007-Leistung auch mit einer erneuten Oscarnominierung belohnt wurde, in nichts nach. Natürlich wird auch für reichlich Action gesorgt, wie gewohnt auf hohem Niveau – aber auch das darf man von 007 schon erwarten. Und wie der Hauptplot selbst orientiert sich auch die Action des Filmes wieder mehr an der “klassischen Bondformel” – wenn auch mit ein paar wohldosierten Abweichungen. Dennoch überzeugt hier nicht alles, so ist die Autoverfolgungsjagd durchs nächtliche Rom zwar stilvoll aufgenommen (inklusive witziger Bond-Gags), der große Wow-Effekt bliebt zumindest bei mir aber doch irgendwie aus. Dafür überrascht der kurze aber hartgeführte Zugkampf mit Mr. Hinx (DAVE BAUTISTA) als eines der heimlichen Actionhiglights des Filmes. Apropos Mr. Hinx, zwar wird sich mit dieser Figur wohl keine Bewerbung für das nächste Shakespeare-Stück ausgehen, trotzdem ist er vielleicht der beste Henchman seit Beißer… oder zumindest seit Necros. Da hätte man eigentlich noch gerne mehr von ihm gesehen.
Wie MENDES und CRAIG in diversen Interviews vor und während der Dreharbeiten angekündigt haben, kehren in SPECTRE – trotz manch harter und äußerst brutaler Szenen – auch wieder Humor und Ironie zurück. Endlich darf Bond nach oder sogar noch während des haarsträubenden Stunts wieder seine Krawatte richten, seinem Gegenüber (egal ob Vorgesetzter oder Feind) auf niveauvoll-freche Art antworten oder dem Bösewicht genau zum passenden Zeitpunkt unerwartet gestikulieren. Endlich nimmt sich auch CRAIGs Bond nicht mehr den gesamten Film bitterernst – gleichzeitig hat MENDES die richtige Balance gefunden, sodass Humor und slapstickartige Einlagen an keiner Stelle übertrieben oder gar unpassend wirken (gleichzeitig rücken auch die emotionalen und psychologischen Komponenten der letzten Filme wieder in den Hintergrund, was manche begrüßen und manche bedauern werden). Dazu kommen einige für Bondfans unverkennbare stilistische als auch in die Handlung eingebaute Zitate und Referenzen zu anderen Bondfilmen bzw. aus dem Bonduniversum. Auch wieder mit Bedacht und nicht mit dem Vorschlaghammer, wie das schon in manch früherem Film getan wurde. Bei den anderen Figuren haben die Bondmacher die in SKYFALL begonnene Entwicklung beibehalten. RALPH FIENNES (M) und NAOMIE HARRIS (Moneypenny) können erneut überzeugen und haben es fast den gesamten Film über mit einem etwas stark vereinfachten, aber grundsätzlich durchaus vernünftigen und tagesaktuellen Nebenplot zu tun. BEN WISHAWs Q hat noch mehr Arbeit als in SKYFALL und sorgt für einige Lacher und auch RORY KINNEARs Tanner gerät nicht ganz in Vergessenheit. Bleibt zu hoffen, dass alle 3 von Mendes in SKYFALL neu eingeführten Charaktere noch eine lange Bondzukunft vor sich haben. Die beiden Haupt-Bondgirls machen ihre Sache gut – MONICA BELLUCCI war in ihrer kleinen Rolle besser, als von mir erwartet und LEA SEYDOUX’ Charakter ist zwar nicht so glaubhaft beschrieben wie etwa eine Vesper Lynd, aber auch sie macht ihre Sache sehr überzeugend und hat doch einige schöne Szenen zusammen mit 007.
Und weil schon vom Nebenplot die Rede war, auch die Haupthandlung des Filmes kommt mit wenigen Logiklöchern aus, auch wenn manche Aspekte der Handlung auf dünnen Beinen stehen und wahrscheinlich für das ein oder andere (Streit-) Gespräch unter den Bondfans sorgen könnten. Generell war man sehr bemüht, mit der Geheimorganisation SPECTRE einen Bogen über die Handlung der Craig-Bondfilme zu spannen und aufgeworfene Fragen der Craig-Reihe zu beantworten, was für mich gerade noch so gelingt. JESPER CHRISTENSEN überzeugt ein weiteres Mal in seiner kleinen Rolle als Mr. White, ANDREW SCOTT macht seine Sache als Ms neuer Vorgesetzter ganz passabel und darf ein paar spannende Dialoge mit RALPH FIENNES führen. CHRISTOPH WALTZ spielt seinen kleinen Part als Handlanger gewohnt souverän – sowohl Auftreten, Körperhaltung als auch Sprache passen zu seiner Filmfigur, obwohl man gerne noch mehr von ihm gesehen hätte bzw. seinen Filmcharakter und dessen Motive durchaus noch aufschlussreicher ausarbeiten hätte können. Für das letzte Drittel des Filmes dürfte man dann doch einige Kompromisse eigegangen sein, trotz oder gerade wegen der vier am Drehbuch beteiligten Drehbuchautoren hat man hier vorhandenes Potential für einen perfekten letzten Akt doch relativ leichtfertig verschenkt.
Achja, einen hätte ich fast vergessen: Mr. 007 himself, DANIEL CRAIG. Obwohl, da gibt’s für mich nicht viel zu sagen, außer vielleicht: superb! Bitte mehr davon! Offiziell hat Craig einen Vertrag für einen weiteren Film, und ich gehe fest davon aus und hoffe, dass er diesen trotz mancher Andeutungen (die er 2 Tage nach Abschluss der anstrengenden Dreharbeiten sagte) erfüllen wird. Es wäre einfach schade, wenn man den mit SPECTRE eingeschlagenen Weg nicht noch mit weiteren Abenteuern von Daniel Craigs Bond und seinem loyalen Team fortführen würde. Da ließen sich sicherlich noch ein paar spannende Bond-Abenteuer entwerfen…
Fazit: SPECTRE bietet 148 Minuten kurzweilige Unterhaltung im Stile der klassischen Bondfilme, mit spektakulären Actioneinlagen, witzigen Dialogen, wunderschönen Bildern und einem starken Soundtrack. Der Film besticht mit einigen großartig inszinierten Sequenzen und viel Liebe zum Detail, dennoch können nicht alle Handlungsverläufe vollständig überzeugen, wodurch die Dramaturgie ein wenig leidet. Dafür bekommen die Bondfans aber endlich jenen James Bond in Verkörperung von Daniel Craig zu sehen, auf den sie schon so lange warten.
Als erste Einschätzung würde ich SPECTRE mindestens 8/10 Punkten geben. Ich bin gespannt, ob bzw. wie sich der Film mit weiteren Sichtungen in meiner persönlichen Bewertungsskala bewegen wird.
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Mit der finalen Bewertung tue ich mir schwer, ich hatte schon 8,5 stehen, habe mich jetzt auf mind. 8 geeinigt. Vielleicht werdens nach der deutschen Fassung sogar 9, vielleicht 8,5 oder es bleiben 8. keine ahnung