Ich hätte mich vor 2 Tagen über solche Sätze noch gewundert, aber habe auch nur seine LotR, Hobbit und Kong Filme gesehen, und jeweils nur einmal – und hatte da das meiste in positiver Erinnerung. Jetzt aber, einige Jahre reifer und zig Filme oben drauf gepackt, muss ich dir vermutlich zustimmen. Ich war einigermaßen schockiert, als ich "Der Herr der Ringe: Die Gefährten" gestern eingelegt habe und schon in den ersten zehn Minuten viele Aufnahmen drin sind, die merkwürdig planlos aussehen. Es gibt da ganz früh eine Szene, in der Isildur (so ein Rittersjunge, der den Ring spazieren trägt) durch den Wald reitet, und von Orks attackiert wird. Da wechselt die visuelle Ästhetik plötzlich für wenige Sekunden in eine "Videokamera"-Optik à la "Law & Order". Ganz skurril und ich habe keine Ahnung, warum Jackson an der Stelle so filmt. Ungefähr im Video bei 4:15 starten, um den Effekt zu erkennen:AnatolGogol hat geschrieben: 26. Mai 2021 07:35 Ich glaub Jackson ist tatsächlich der Regisseur, bei dem ich die allgemeine und in großen Teilen auch kritische Glorifizierung am wenigsten nachvollziehen kann. Tatsächlich halte ich ihn für ziemlich untalentiert - aber was weiss ich schon.
Hinzu kamen unzählige Szenen, die schlicht unfreiwillig komisch aussehen und in denen Jackson seine Trash-Kinowurzeln nicht verleugnen kann. Relativ mittig im Film fällt Frodo in eine Art Koma, und erwacht kurz darauf in der Elbenstadt Bruchtal. Von dem Moment an, als er ohnmächtig wird, befindet er sich allerdings plötzlich in einem der miesesten 90er Jahre Musikvideos, die je auf MTV ausgestrahlt wurden: Maximale Lacher gibt es ab 4:26 zu sehen:
Und seine Actioninszenierung fand ich gestern größtenteils so bedeutend schwach, dass ich mir sicher bin, jeder einzelne Bondfilm hat locker deutlich bessere Fights zu bieten. Wie können sich "Lord of the Rings"-Fans über QOS oder Bourne aufregen, wenn die vielen Kampfszenen mit Schwertern und Messer hier dermaßen katastrophal geschnitten sind. Kein Gefühl für Pacing, kein Gespür für Szenengeographie. Jeder haut irgendwo hin, und irgendwann zeigt dann eine Totale, dass der Kampf gewonnen wurde. Besonders peinlich: Ein Kampf der Magier zwischen Gandalf und Saruman, der damit beginnt, dass Gandalf viermal vor eine sich schließende Tür rennt, während Christopher Lee im Hintergrund seine Augen verdreht wie ein Cartoon-Schurke aus "Scooby Doo". 2:43 macht euch glücklich. Und ab 3:50 sieht man gut, was ich meine: In wenigen Sekunden wird mehrfach auf komplett neue Perspektiven geschnitten, teils dreht sich das Bild dabei um fast 180 Grad. Sehr seltsam, die Mise-en-scene so zu gestalten:
Warum ausgerechnet diese Filme teilweise in eine Ecke mit David Lean oder Akira Kurosawa gestellt werden, erschließt sich mir gar nicht. Bzw. wenn, dann im Ausmaß der Produktion, in der herauf beschworenen Epik der Bilder. Ich denke aber, genau hier scheitern die Filme enorm. Die Kinematographie ist an vielen Stellen sehr grob und roh, der Schnitt ebenfalls von bestürzender Planlosigkeit. Jede Sensibilität lässt Jackson vermissen. Der Großteil seines ersten "Der Herr der Ringe"-Films pendelt zwischen Nahaufnahmen und weiten Landschaftsaufnahmen, ohne große Variationen. Sicherlich ist das auf praktische Zwänge zurückzuführen, da man teilweise eben großzügig mit Spezialeffekten arbeitete, aber für mich sieht es letztlich unkreativ aus – und sehr repetitiv. All das erinnert mich an die handwerklich teils miserablen Superheldenfilme von Marvel (insbesondere von den Russo Brüdern), die zu 95 Prozent vor Greenscreen gedreht werden und dementsprechend fast in jeder Einstellung die austauschbaren Hintergründe unscharf verschwimmen lassen, um die Technik zu verschleiern – eine wahnsinnig nervige Vorgehensweise, die nahezu jede Szene auch noch so bestürzend langweilig aussehen lässt.
Im LotR-Making-Of erzählt Jackson übrigens auch, dass seine Vorgehensweise war, mit vielen Kameras gleichzeitig zu drehen, so viele Blickwinkel wie möglich zu bekommen und alles an Material später im Schneideraum zusammenzusetzen. Genau deshalb sind die Actionszenen wohl so chaotisch, weil in vielen Szenen von einem drastisch anderen Blickwinkel zu einem anderen geschnitten wird, ohne echte Not, um das gefilmte Material möglich vollständig zu nutzen. Ein letztes Mal, weil es irgendwie Spaß bringt: Ab 2:41 finden sich so manche Schnitte, die verboten gehören.
Jedenfalls war es so gestern ein wahnsinnig ernüchterndes Erlebnis für mich. Manche Erinnerungen sollte man wohl einfach so lassen, wie sie sind. Aber während ich vor "Die Gefährten" noch motiviert war, alle Mittelerde-Filme endlich ein zweites Mal zu sehen, ist mir jetzt eigentlich jede Lust vergangen. Erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung ändern kann.