so. endlich. den Nachmittag daran durchgeschrieben
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BOND – MARATHON / DETAILLIERTE FILMANALYSE 21.
CASINO ROYALE
Die Story:
Ich pflege stets gerne zu behaupten: „ Goldeneye wäre der Goldfinger der 90iger und Casino Royal der Dr. No des neuen Jahrtausends“. Tatsächlich handelt es sich bei beiden Filmen quasi um Eckpfeiler der Reihe zumal sie wichtige Schnittstellen im Kosmos des Bond Universums repräsentieren. Eine weitere Gemeinsamkeit wohnt beiden Filmen inne: Der Mann auf dem Regiestuhl- Martin Campbell . Doch dazu später.
Was die Stärken einer jeden langlebigen Filmreihe und im Besonderen jene der Bond – Reihe ausmacht ist der Mut zu Neuem, der Mut zu Unerwartetem. Der Mut dazu sich selbst stets neu zu definieren.
Im Laufe eines knapp halben Jahrhunderts hat sich die langlebigste aller Filmreihen mehrmals erfolgreich neu definiert und das nicht immer zum akuten Wohlwollen der Fans.
Ändert man ein etabliertes Prinzip plötzlich so geht man natürlich immer das Risiko ein, treue Fans eben dieses Prinzips zu verschrecken um nicht fast zu sagen - zu vergraulen. So passiert als Connery einst die Krone weiter gab, andere mochten Moore nicht, wieder andere empfanden Dalton als Zumutung und die Brosnan Ära löste bei vielen einen bitteren Beigeschmack aus weil sie zu glatt poliert schien. Hiermit wären wir auch schon beim Thema.
Es waren nie bloß die Wechselnden Hauptdarsteller über welche sich die Re – Definition des Grundthemas äußerte, es war die Machart der Filme als Ganzes. LALD, TLD und Goldeneye waren besonders mutige Stilbrüche innerhalb der Reihe. Jeder dieser Filme definierte sowohl die Figur James Bond als auch das Thema James Bond neu. Der bis Dato anhaltende Erfolg der Serie ist Beweis genug dafür dass sich eben der Mut zu neuen Ufern auf zu brechen trotz der bei Fans oftmals ausgelösten Kontroverse bezahlt gemacht hat und dies auch weiter tun wird. CR nimmt in diesem Prinzip jedoch wahrlich eine Sonderstellung ein da man das Thema und der Figur einem kompletten Re-boot unterzogen hat. Der neue James Bond könnte von seinem Vorgänger nicht weiter entfernt sein, wie auch der Film selbst eine völlig andere Gangart einschlägt als jene Werke der Brosnan Ära. Kein Film zuvor hatte einen derart krassen Schritt weg aus etablierter Richtung gewagt wie CR. Und doch wirkt alles vertraut. Und damit wären wir bei der generellen Stärke dieses Films.
Alles neu und doch so heimelig. Warum? Weil man alles worüber sich die Figur James Bond definiert, alles worüber sich ein Film der Bond reihe definiert konsequent, mit viel Liebe zum Detail und zum Thema selbst heraus gearbeitet hat. Als hätte man sich genau überlegt: „Was macht James Bond eigentlich aus?“ ...und dann einen Film darüber gedreht hätte. Dieses Grundprinzip schließt zunächst den Umstand mit ein dass man mit der Charakterzeichnung beginnt und nicht mit der Aktion.
Schon die knackige PTS dient rein der Darstellung der Figur selbst. Man macht kurz und bündig klar dass wir wieder bei 0 anfangen (bzw.bei Doppel Null ) und Bond am Beginn seiner eigenen Entwicklung erleben. Der ganze Film ist von Beginn an, ein Film über den Mann James Bond. Bzw. ein Film der zeigt wie aus der Titelfigur das Gesamtbild „James Bond“ wird. Nicht umsonst verdient sich unser Held seinen Doppelnull Status zunächst durch kaltblütiges Morden, durchlebt eine Emotionale Achterbahnfahrt im Verlauf des Films um am Ende erstmals seinen Satz zu bringen“ Bond. James Bond“…womit deutlich gemacht wird dass dessen Entwicklung abgeschlossen ist.
Agiert Bond in diesen ersten Minuten äußerst kaltblütig (für viele der Fans zu kaltblütig) so erleben wir ihn auch in den darauf folgenden 45 Minuten des Films als äußerst gefährlichen, eiskalten Killer. Wie eine Maschine, wie ein terminator stürmt er eine Botschaft, hinterlässt Chaos und Verwüstung ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Diese gewaltige und sehr wuchtige Darstellung wird in deren Intensität durch knallharte, erdige Action noch verstärkt was ein sehr extremistisches Gesamtbild beim Zuseher hinterlässt.
Nach diesem wuchtigen Auftakt folgt ein geruhsamer Wechsel zur Bond typischen Exotik die unseren Helden dann von seiner smarten und gewohnt charmant zynischen Seite zeigt. Er flirtet mit der Empfangsdame im Hotel, fährt auf Grund einer unpassenden Geste spitzbübisch das Auto anderer Leute zu Schrott, besiegt den Bösewicht mit ungeheurer Coolness und Gelassenheit beim Kartenspiel um sich nicht bloß dessen Auto sondern im Anschluss auch dessen Frau zu krallen. Was gäbe es wohl demütigenderes für einen Mann? Hier wird deutlich dass James Bond seinen Mitstreitern nicht bloß Körperlich sondern auch in Sachen Scharfsinn und Lässigkeit überlegen ist. Eben der Mann der jeder im innersten gerne wäre. In dieser Phase des Films werden wir sehr stark an Sean Connery und dessen Darstellung erinnert.
Auch der klassische Aston Martin und die Umgebung erinnern uns stark an diese Ära und vor allem stark an Dr.No!
Vor Allem das Flair gibt dem Film etwas Zeitloses und katapultiert beinahe zurück in die 60er. In dieser ersten Hälfte des Films erlebten wir klassisches Bond Flair, erdige knallharte Action und die charakterlich Bond typischen Schlüsselelemente. Die Flughafen Action dient schließlich als Bindeglied zur zweiten Hälfte des Films und besticht erneut durch realistische sehr bodenständige Action. Es folgt Bonds Aufbruch nach Montenegro.
Mit der Zug Szene kommt dann der Film in dessen Komplexität erst in Fahrt. Ich erlaube es mir hiermit jene Szene nicht bloß als, die beste der Gesamten Bond Reihe, seit Connerys Einstand, sondern auch als eine der besten Szenen der Gesamten Filmgeschichte zu bezeichnen. Vom edlen Flair, dem wohl besten Bond Girl aller Zeiten und einem ungemein gut geschriebenen Dialog mal abgesehen passiert hier etwas dass es zuvor nicht gab
Wir sind Bond tatsächlich nahe.
Wir werden zeugen seiner menschlichen Schwächen was ihn komplexer und mitunter auch symphatischer erscheinen lässt.
Plötzlich entwickeln wir als Zuseher ein dreidimensionales Bild der zuvor als bloß kaltblütig und kokett dargestellten Figur. Von diesem Moment an beginnen wir Bond sehr nahe zu sein, was in bisher keinem Film der Serie auch nur an nährend eine derartige Intensität zu Tage gefördert hat.
Die Chemie zwischen Vesper und Bond erreicht wie auch deren Charakterzeichnung derart an Tiefe dass man Casino Royal als eigenständiges Liebesabenteuer ebenso ernst nehmen könnte wie als James Bond Film. Doch gerade der Umstand dass all dies eben in einem Bond Film passiert bereichert den Charakter selbst um jenen Facettenreichtum der bisher einfach gefehlt hat um der Figur wirklich nahe zu sein.
Diese zweite Hälfte von CR kommt völlig ohne Larger then Life Action aus und konzentriert sich konsequent auf die Charaktere und deren Entwicklung. Das Pokerspiel, der Auftrag welchen Bond als Agent verfolgt kollidiert mit der sich parallel entwickelnden Liebesgeschichte wodurch beide Thematiken sich gegenseitig intensivieren. Das ganze wird mit kleinen Spannungsbögen gewürzt bzw. noch ein wenig aufgepeppt um dem Film welcher sich notwendiger weise genügend Zeit für die Charakterzeichnung nimmt den nötigen Drive zu geben. Bezeichnend für diese Bögen wären da die Szene mit dem Gift und dem Defibrilator und die äußerst brutal anmaßende Schlägerei im Treppenhaus. Nebenbei zu erwähnen wäre hinsichtlich dieser Phase des Films auch dass nicht bloß Bond sondern auch dessen Gegenspieler Le Chifre dreidimensionaler dargestellt wird als dies für einen klassischen Bond Schurken bisher der Fall war. Auch Le Chifre ist nicht bloß der Allmächtige Superschurke.
Auch er gerät in Schwierigkeiten, trägt die Konsequenzen seiner Handlungen und macht deutlich dass die fiesesten Schurken ebenso bloß Menschen sind wie Bond selbst. Als es im Anschluss zur Treppenhaus Schlägerei schließlich zum emotionalen Ausbruch zwischen Vesper und Bond kommt, fällt es schwer nicht mit zu fühlen. Auch die Szene in der Dusche gehört meiner Ansicht nach zu einer der besten der Filmgeschichte generell. Das ist großes Kino.
Die darauf bald folgende Folterszene gehört zu den Highlights hinsichtlich der Bond VS Schurke Momenten und wurde liebevoll fast 1 zu 1 aus dem original Roman Casino royal übernommen (worüber ich mich sehr gewundert habe). Und schließlich setzt der Film noch deftig einen drauf.
Die Liebesgeschichte endet im unvermeidlichen Drama und hinterlässt beim Zuseher tiefe Trauer. Der Ausdruck auf Bonds Gesicht als er akzeptieren muss dass er seiner Liebe nicht mehr helfen kann ist derart intensiv in dessen Darstellung von Wut bis hin zu fast kindlicher, ursprünglicher Trauer dass zumindest ich persönlich mich nur schwer halten konnte. Das glorreiche Ende setzt schließlich in Sachen Intensität noch einmal eins drauf.
Wir wurden Zeugen einer Entwicklung die nun zu ihrem Abschluss gefunden hat. Wir verstehen jetzt wer james Bond ist.
Kennen seine Stärken, seine Schwächen, haben mit ihm gelitten, gelacht, gekämpft…gemordet… „Wer ist da?“ „Bond. James Bond!“ Schließlich noch die klassische Bond Melodie und komplett wäre der wohl bondigste aller Bond Filme neben Dr. No.
Die Figuren, Darsteller
Ein derart Tiefgründiger und komplexer Film wäre natürlich nie ohne ein starkes Aufgebot an Spitzendarstellern möglich. Darstellerisch weißt CR keine Schwächen auf. An Daniel Craig scheiden sich bis heute die Geister und das ist auch gut so. Eine komplexe Darstellung wird immer für Kontroverse sorgen weil sie vielschichtiger und deshalb auch „unbequemer“ ist als die einer eindimensionalen Figur…selbst wenn viele sich jene wünschen würden. Nie war man der Figur james Bond näher als in CR, nie war man der Darstellung der Figur näher. Craig wirkt spätestens von der zweiten Hälfte des Films an so als wäre er immer schon james Bond gewesen und macht ein Re Boot des Charakters überhaupt erst möglich.
Eva Green steht dieser Komplexität in nichts nach. Alles was man bezüglich Craigs Stärken sagen kann lässt sich auch auf sie beziehen. Nie war man einem Bond Girl näher! Nie hatte man einen derart intensiven Bezug zu einer weiblichen Darstellerin in einem James Bond Film. Konzentrierte man sich von den 90er Jahren an auf eine starke durch Feminismus geprägte Darstellung des Bond Girls so kombiniert Vesper bzw. Eva Green diese mit jener Eleganz und klassisch, zeitlosen Anmut, die vielen ihrer Vorgängerinnen gefehlt hat.
Le Chifre gehört ebenso auf Grund der ungemein eindringlichen Darstellung zu den unvergesslichsten Schurken der Filmgeschichte.
Sein Charakter bietet eine realistische Darstellung des Schurken Klischees. Ein Geschäftsmann wie viele andere auch. Doch mit dem Unterschied ein bösartiger, habgieriger Mörder obendrein zu sein. Schön auch dass man auf die Bond typischen optischen Merkmale eines Superschurken nicht verzichtet hat.
Die Produktionswerte:
Ein wichtiger Bestandteil des Gesamt Bildes welches CR ausmacht ist die erdige Action welche schweißtreibender und spektakulärer wohl kaum hätte in Szene gesetzt werden können.
Bewies Martin Campbell schon anno 1994 sein Gespür für reale Action und deren Schlüssigkeit hinsichtlich der Welt von james Bond so übertrifft er sich in Sachen Regie mit CR zweifelsohne selbst. Action ist hinsichtlich eines in unserer Realität angesiedelten Films der sich selbst ernst zu nehmen gedenkt meist nur dann wirklich spannend wenn sie nach vollziehbar ist. Oder hat etwa irgendjemand mit Schweiß nassen Händen mit gefiebert als Brosnan auf einer gigantischen CGI Flutwelle gesurft ist? Mit Sicherheit nicht so wie bei der Verfolgungsjagt zu Beginn von CR. Nichts geht über tatschlich schwindelerregende Höhen.
Reale Bilder = Reale Angst.
Und wieder muss ich eine weitere Szene aus CR zu einer der besten in der Geschichte des Films erheben. Die Verfolgungsjagt zu Beginn übertrifft in Sachen handwerklicher Perfektion, in deren rasanter Machart, den Stunts und der Kameraführung alles bisher in einer Action Szene da gewesene und schlägt die Action der Bourne Filme trotz der aus jenen gewonnenen Inspiration um Längen.
Die generelle Optik des Films versprüht Bond Flair wie er schlüssiger nie zusammen gefasst wurde. Die Casino Umgebung, die Insel Atmosphäre, Smokings und gedämpftes Licht geben den ohnehin edlen Zügen der Hauptdarsteller etwas noch glanzvolleres. Und vor allem ist jener Glanz zeitlos ins Bild gerückt.
Der Score von CR gehört zu den besten der Reihe generell. Imposant, anmutig, glorreich, sind jene Wörter die mir zuerst in den Sinn kommen. Der Titelsong hingegen ist bestenfalls solide doch keineswegs zu bemängeln.
Die PTS überzeugt durch Retro Flair und besticht gerade aufgrund der Tatsache dass man darin schön zusammen gefasst hat wovon der Film handelt. Ein gesichtsloser Agent tritt am Ende aus dem Schatten und bekommt ein Gesicht.
Die Rolle welche CASINO ROYAL E im Kontext der Reihe spielt:
Casino Royale stellt nicht bloß die Neu Interpretation eines Mythos dar, der Film definiert erstmals was innerhalb der langlebigsten Reihe der Filmgeschichte noch nicht interpretiert wurde. CR zeigt uns Bond in Reinkultur und durchleuchtet eben diese Kultur erstmals genauer.
CR ist ein Film über den Mann James Bond und gleichzeitig der klassischste James Bond Film seit Dr.No. Ein gesichtsloser Killer wird zum Kulthelden. Hier verschwimmen Zeiten wie auch Grenzen zu einem erdig und zugleich epischen Meisterwerk der Filmgeschichte im generellen.
Casino Royale ist nicht bloß ganz groß James Bond,
Casino Royale ist ganz großes Kino.
6 VON 6 PUNKTEN
Mein Wertesystem für folgende Kritiken bezüglich meines Marathons:
1 PUNKT – SCHLECHT
2 PUNKTE - unter dem durchschnitt
3 PUNKTE – Mittelmaß, Durchschnitt
4 PUNKTE – überdurchschnittlich
5 PUNKTE – SEHR GUT
6 PUNKTE - Perfektion