Welches sind eure zwei Lieblingsfilme von Sam Peckinpah?

The Deadly Companions (Keine Stimmen)
Ride the High Country (Keine Stimmen)
Major Dundee (Keine Stimmen)
The Wild Bunch
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (33%)
The Ballad of Cable Hogue (Keine Stimmen)
Straw Dogs (Keine Stimmen)
Junior Bonner (Keine Stimmen)
The Getaway (Ein Mann Explodiert) (Keine Stimmen)
Pat Garrett & Billy the Kid
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (22%)
Bring me the Head of Alfredo Garcia
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (22%)
The Killer Elite (Keine Stimmen)
Cross of Iron
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (11%)
Convoy
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (11%)
The Osterman Weekend (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 9

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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The Getaway (1972) – Sam Peckinpah

The Getaway könnte man auf den ersten Blick fast als eine Art Leichtgewicht innerhalb Peckinpahs Oeuvre einstufen, da er hier einen erstaunlich massenkompatiblen Film abgeliefert hat. Aber das stimmt eben höchstens in Teilen, denn bei allem Unterhaltungsfaktor bietet der Film unter der Haube dann doch einiges mehr, als man zunächst vermuten würde.

The Getaway packt mit Steve McQueen und Ali McGraw zwei der seinerzeit grössten Filmstars zusammen und kann sich dabei ganz auf das Charisma seiner beiden Hauptdarsteller verlassen. Nicht, dass die beiden von ihnen verkörperten Charaktere Doc und Carol McCoy Peckinpah-typisch nicht auch figürlich einiges zu bieten hätten (wir vertiefen dies gleich noch), aber The Getaway profitiert wie kein zweiter Film von „Bloody Sam“ von der Leinwandpräsenz seiner zentralen Darsteller.

Entsprechend konzentriert sich der Film auch weitgehend auf das Kriminellenpärchen, welches nach einem nicht ganz nach Wunsch verlaufenen Überfall sich mitsamt der Beute auf der Flucht vor ihren ehemaligen Komplizen und der Polizei befindet. Diese Grundprämisse verarbeitet der Film weitgehend Genre-konform mit einer Reihe an wahlweise action- und/oder spannungsgeladenen Situationen, in welchen dem Publikum jede Menge Gelegenheit gegeben wird, mit den Titelfiguren mitzufiebern.

Bemerkenswert ist hierbei vor allen Dingen, mit welch hohem Unterhaltungswert und wie schwungvoll Peckinpah seinen Film vorantreibt, wodurch die gleichermaßen wendungsreiche wie im Kern einfache Geschichte effektiv und ohne jeglichen Hänger auf den finalen Klimax hinarbeitet. Und eben jener wird bereits früh etabliert: die Verfolger der McCoys wissen bzw. haben zumindest ein starke Ahnung, wo das Pärchen ihren Grenzübertritt nach Mexiko vorhaben (und sich damit endgültig ihren Häschern entziehen wollen), wodurch das ausstehende Zusammentreffen der Parteien etabliert und der Weg dorthin zum Ziel wird. Trotz dieser eigentlich simplen Handlungsprämisse leidet der Film aber nie an einer dramaturgischen Unterversorgung, da die einzelnen Sequenzen sich vollkommen logisch aus der Handlung entwickeln.

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, warum der Film gar keinen komplexeren Handlungsverlauf benötigt und der liegt in den zentralen Figuren begründet, welche sich eben im Verlauf des Films doch als deutlich tiefgängiger als auf den ersten Blick herausstellen. Hierbei sind es erneut Sams Schlüsselthemen Vertrauen und Verrat, die auch in The Getway den roten Faden des Films bilden und in erster Linie an Doc und Carol behandelt werden. In erster Linie, da der Film auch darüber hinaus immer wieder diese Themen anreisst (z.B. wenn Rudy beim anfänglichen Überfall selbst abstauben will und seine Partner tötet oder es zumindest versucht, wenn Benyons Komplott mit Karen schief geht, wenn Fran bei ihrem erzwungenen Roadtrip mit Rudy Harold verrät oder wenn Laughlin seinen alten Freund Doc gleich zweimal (wenn auch unter Zwang) verrät).

Aber die zunehmende Ehe-Krise der McCoys, ausgelöst dadurch, dass Carol ohne das Wissen ihres Gatten mit Docs Auftraggeber Benyon schläft, um ihn aus dem Gefängnis zu holen, steht ganz klar im Zentrum des Themas Verrat. Beide fühlen sich voneinander hintergangen und im Verlauf ihrer Flucht werden die Brüche in der anfänglich so romantisch geschilderten Ehe immer grösser. Bezeichnenderweise schickt Peckinpah das vielleicht attraktivste Paar der Leinwandgeschichte erst in den Dreck einer Müllhalde, bevor sie sich wieder zusammenraufen können.

Als Gegengewicht zu den McCoys etabliert der Film die merkwürdige Zweckgemeinschaft des die McCoys verfolgenden Killers Rudy, der das Tierarzt-Pärchen Harold und Fran als Geiseln mit sich führt. Dabei entpuppt sich Fran sehr früh als äusserst opportunistisch, indem sie sich Rudy an den Hals wirft. Diese merkwürdige Dreiecksbeziehung wird vom Film als überzeichnetes Spiegelbild der McCoys in Szene gesetzt. Frans geradezu grotesker Verrat an Harold (welcher ultimativ gedemütigt wird, indem er gefesselt seinem Kidnapper und seiner Frau bei ihrem Treiben im Bett zuschauen darf) relativiert zudem auch den von Doc so schmerzhaft wahrgenommenen „Verrat“ seiner Frau. Gleichzeitig ist der Subplot um Rudy und seine Geiseln (wie auch einige weitere Szenen) ein schön-bitterer Kommentar, wie leicht in diesem Fall Fran (stellvertretend für die amerikanische Gesellschaft) sich mit eigentlich inakzeptabler Gewalt arrangiert und dabei jegliche Moral über Bord wirft.

Spätestens wenn der Film nicht - wie man es genreüblich erwarten würde - mit dem erfolgreich bewältigten finalen Shoot-out endet, sondern mit einer wunderbaren ruhigen Sequenz mit dem grossartigen Slim Pickens rund um das Thema Vertrauen, dann ist endgültig klar, dass The Getaway eben doch weit mehr ist, als nur ein spannungs- und actiongeladenes Star-Vehikel. Der Film mag vielleicht nicht den Tiefgang von vielen anderen Peckinpah-Filmen erreichen, allerdings macht ihn das noch lange nicht zum diesbezüglichen Leichtgewicht. Im Gegenteil gelingt Sam hier eine nahezu perfekte Kombination aus effektiv-massentauglicher Inszenierung und dem Peckinpah-typischen genauen Blick auf Figuren und ihre Hintergründe.

Wertung: 9 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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GoldenProjectile hat geschrieben: 26. Dezember 2022 19:16 Auszusetzen gibt es wenig, am ehesten noch den Score von Quincy Jones, der an manchen Stellen wirklich nicht geglückt ist und irritierend zwischen atonalen Klangexperimenten und wehmütigen Country-Mundharmonikas herumspringt.
Ja und nein. Zunächst fällt auf, dass The Getaway mit vergleichsweise wenig Musik auskommt, gerade verglichen mit den Fielding-Scores der anderen Peckinpahs. A propos Jerry Fielding: dessen abgelehnten Score kann man mittlerweile in Gänze vergleichen und dabei fallen zwei Dinge auf: er bietet VIEL mehr musikalische Szenenuntermalung und er klingt nach einem typischen Peckinpah-Film. Beides würde ich in keinem Fall negativ sehen, allerdings sehe ich Jones Score insofern auch positiv, dass er The Getaway durchaus auch hilft einen eigenständigen Charakter zu entwickeln. Stelle ich mir den Film mit dem Fielding-Score vor, dann würde der viel besser in die Reihe eines Wild Bunch oder Alfredo passen, was natürlich auch seinen Reiz hätte, aber dem Film auch etwas Eigenständigkeit nehmen würde. Grundsätzlich finde ich den Jones Score ok bis effektiv, allerdings ist das Titelthema absolut brillant.


GoldenProjectile hat geschrieben: 26. Dezember 2022 19:16Der Subplot um Lettieris Geiselnahme eines Ehepaars und die dümmliche Blondine, die ihren gefesselten Ehemann binnen Minuten vergisst um in aller Selbstverständlichkeit mit dem walrossbärtigen Unhold zu turteln, ist etwas gar dick aufgetragen und nutzt sich irgendwann ab.
Gerade weil er so dick aufgetragen ist, vermute ich da deutlich mehr dahinter als nur die Funktion einer launigen Unterbrechung der Haupthandlung, nicht zuletzt aufgrund des heftigen Endes des armen, kleinen Harolds.
GoldenProjectile hat geschrieben: 26. Dezember 2022 19:16Bei zwei direkt aufeinanderfolgenden, relativ langen Szenen im Dunkeln (die Schiesserei mit den Polizisten beim Drive-In und die anschliessende Flucht im Kehrichtwagen) hängt der Film auch mal ein bisschen durch.
Die Szene im Müllwagen plus der anschliessenden Sequenz auf der Halde sind tatsächlich mit meine Lieblingsszenen im Film. Wenn Doc und Carol in der Enge des Müllwagens fast plattgedrückt werden, wird mir jedes mal Angst und Bange um die beiden.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Was für ein Timing! :o Da hatten wir diese Woche wohl fast zur gleichen Zeit die gleiche Idee (nämlich einen Mann explodieren sehen zu wollen :lol: )
AnatolGogol hat geschrieben: 26. Dezember 2022 19:45 Gerade weil er so dick aufgetragen ist, vermute ich da deutlich mehr dahinter als nur die Funktion einer launigen Unterbrechung der Haupthandlung, nicht zuletzt aufgrund des heftigen Endes des armen, kleinen Harolds.

Diese merkwürdige Dreiecksbeziehung wird vom Film als überzeichnetes Spiegelbild der McCoys in Szene gesetzt. Frans geradezu grotesker Verrat an Harold (welcher ultimativ gedemütigt wird, indem er gefesselt seinem Kidnapper und seiner Frau bei ihrem Treiben im Bett zuschauen darf) relativiert zudem auch den von Doc so schmerzhaft wahrgenommenen „Verrat“ seiner Frau. Gleichzeitig ist der Subplot um Rudy und seine Geiseln (wie auch einige weitere Szenen) ein schön-bitterer Kommentar, wie leicht in diesem Fall Fran (stellvertretend für die amerikanische Gesellschaft) sich mit eigentlich inakzeptabler Gewalt arrangiert und dabei jegliche Moral über Bord wirft.
Hmm, ja, auch wenn ich nicht genau weiss, wie du auf die zweite Aussage kommst (stellvertretend für die Amerikanische Gesellschaft?). Erstere Parabel "scheitert" halt insofern etwas, dass a) die Beziehung der zwei Mc's (gespielt von zwei Mc's) sie als Kontrastpunkt gar nicht unbedingt nötig hätte und b) das sie halt trotzdem noch dick aufgetragen ist. Aber es schadet auch nicht und hält zumindest die Solozzo-Figur über weite Teile des Films "am Leben" (auch wenn dessen Überleben ganz strenggenommen auch nicht nötig wäre, weil es ja noch andere Antagonisten gibt, aber erstens dadurch zur Genüge legitimiert wird, dass die McCoys damit auch einen ganz persönlichen Gegenspieler haben und zweitens, dass im Motel mehrere Fäden bzw. Antagonisten zusammenlaufen können).
AnatolGogol hat geschrieben: 26. Dezember 2022 20:09 Die Szene im Müllwagen plus der anschliessenden Sequenz auf der Halde sind tatsächlich mit meine Lieblingsszenen im Film. Wenn Doc und Carol in der Enge des Müllwagens fast plattgedrückt werden, wird mir jedes mal Angst und Bange um die beiden.
Die Anschlussszene hat eine der besten Einstellungen des gesamten Films an Bord (auch wenn es da ganz viele Schmankerl gibt, gerade auch in den vermeintlich nebensächlichen Einstellungen): Das gemeinsame Weggehen von Männchen und Weibchen in guten, aber verdreckten Sachen, das wir Bondfans nur zu gut aus TSWLM und später aus QoS kennen, nur dass die beiden hier durch die Mülldeponie gehen statt durch die Wüste, sogar mit einem weiteren vorbeituckernden Müllwagen.

https://goodbyelikeabullet.files.wordpr ... away42.jpg
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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GoldenProjectile hat geschrieben: 26. Dezember 2022 21:36 Hmm, ja, auch wenn ich nicht genau weiss, wie du auf die zweite Aussage kommst (stellvertretend für die Amerikanische Gesellschaft?).
Vielleicht deute ich da auch etwas zu viel rein. Aber gerade in den späten 60ern/frühen 70ern gab es ja innerhalb der Staaten rund um Rassentrennung, Vietnam & Co. ordentlich Gewalt - auch vom Staat ausgehend, die von einem nicht kleinen Teil der Gesellschaft bereitwillig akzeptiert wurde. Fran & Harold als anfänglich (scheinbare?) Spiesser-Prototypen taugen schon ganz gut als Stellvertreter. Die Frage wäre ja auch, warum Peckinpah Harold so drastisch enden lässt und im Anschluss Fran anscheinend ungerührt munter weiter mit Rudy turteln lässt. Wenn es hier nur um humoristische Auflockerung ging, dann wäre das eine sehr schwarzhumorige Pointe. Kann natürlich so sein, könnte aber auch sinnbildlich dafür stehen, dass ein Teil der amerikanischen Gesellschaft Gewalt als Mittel zum Zweck akzeptiert, auch wenn sie moralisch falsch ist und Opfer (aus den eigenen Reihen) fordert. Ich denke da z.B. an die Kent State Tragödie. Aber wie gesagt: kann auch etwas zu viel reingedeutet sein. :)
GoldenProjectile hat geschrieben: 26. Dezember 2022 21:36 Die Anschlussszene hat eine der besten Einstellungen des gesamten Films an Bord (auch wenn es da ganz viele Schmankerl gibt, gerade auch in den vermeintlich nebensächlichen Einstellungen): Das gemeinsame Weggehen von Männchen und Weibchen in guten, aber verdreckten Sachen, das wir Bondfans nur zu gut aus TSWLM und später aus QoS kennen, nur dass die beiden hier durch die Mülldeponie gehen statt durch die Wüste, sogar mit einem weiteren vorbeituckernden Müllwagen.

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Ich finde die Getaway-Szene schlägt die Bond-Verwandtschaft da aber ganz klar. Der gemeinschaftliche Gang von der Deponie profitiert auch ungemein von Quincy Jones Hauptthema, welches hier die Szene so schön untermalt. Ein toller Moment!
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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AnatolGogol hat geschrieben: 26. Dezember 2022 22:22 Vielleicht deute ich da auch etwas zu viel rein. Aber gerade in den späten 60ern/frühen 70ern gab es ja innerhalb der Staaten rund um Rassentrennung, Vietnam & Co. ordentlich Gewalt - auch vom Staat ausgehend, die von einem nicht kleinen Teil der Gesellschaft bereitwillig akzeptiert wurde.
Ach so, ich dachte da eher an etwas wie in der Subgenre-Verwandtschaft Natural Born Killers, wo die mediale Ausschlachtung und Sensationsgeilheit der Bevölkerung in Bezug auf das Verbrecherpärchen aufgezeigt wird.
AnatolGogol hat geschrieben: 26. Dezember 2022 19:45 das vielleicht attraktivste Paar der Leinwandgeschichte
Das wäre ja fast schon einen Thread wert! Steve und Ali spielen sicher weit vorne mit. Das tun aber auch Warren Beatty und Faye Dunaway in den Originalrollen des Subgenres. Man könnte aber auch einen Jimbo ins Rennen schicken (z.B. den Sean und die Claudine). Oder Cary Grant mit irgendwem (Bergman? Saint?). Etc.
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SAMARATHON INOFFIZIELLE ZWISCHENRUNDE

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SAMARATHON - INOFFIZIELLE ZWISCHENRUNDE

Major Dundee (1965) – Sam Peckinpah

Ein paar Worte zu einem der Schlüsselfilme in Peckinpahs Karriere. Schlüsselfilm weniger in Bezug auf die Qualität als mehr darauf gemünzt, dass sein Konflikt mit Produzent Jerry Bresler ihn beinahe die Karriere gekostet hätte. Im Gegensatz zum Produzenten zeigte sich Peckinpah weit weniger an einem Westernepos im Fahrwasser der großen 60er Jahre Epen interessiert, sondern viel mehr an der Ambivalenz der Titelfigur. Wenig überraschend, dass gerade das Thema Freundschaft und Verrat auch hier von Peckinpah ins Zentrum gestellt wird und der von Charlton Heston gespielte Major Amos Charles Dundee in dieser Gemengelage nun so überhaupt nicht als der strahlende Held gezeigt wurde, wie es Bresler wohl gerne gesehen hätte.

So ist es vor allem seine kompromislose Kälte und Härte im Umgang mit seinem von Richard Harris gespielten vormals besten Freund Benjamin Tyreen, welches den „Verrat“ an der Freundschaft kennzeichnet und nicht zuletzt durch den egoistischen Karriereeifer von Dundee motiviert ist. Entsprechend taugt Dundee eigentlich zu keinem Zeitpunkt als echte Identifikationsfigur, da der Major im charakterlichen Spannungsfeld mit seinen konföderierten Gefangenen, seinen untergebenen Offizieren und Soldaten oder auch dem weiblichen Geschlecht (in Person von Senta Berger) praktisch immer als moralisch fragwürdig handelnde Figur hervorgeht.

Peckinpah verstärkt die durchaus gut herausgearbeiteten figürlichen Konflikte durch den Aspekt des amerikanischen Bürgerkrieges, welcher inhaltlich zwar nicht direkt adressiert wird, aber durch die Zweckgemeinschaft eines aus Unionssoldaten und ihren konföderierten Kriegsgefangenen gebildeten Indianerfeldzuges immer wieder die charakterlichen Grabenkämpfe befeuert. Bresler konnte mit Peckinpahs figürlichen Ambitionen allerdings überhaupt nichts anfangen und liess den Film ohne die Beteiligung von Peckinpah so umschneiden, dass Dundees Versäumnisse weit weniger zur Geltung kommen. Ein fataler Fehler, da er damit dem Film das Herz herausriss, da die das charakterliche Geflecht umgebende Rahmenhandlung um den Indianerfeldzug und den Konflikt mit den französischen Streitkräften im besten Falle als zweckdienlich bezeichnet werden kann.

Es ist im Nachhinein schwer einzuschätzen, wie stark die Breslerschen Änderung auch die mittlerweile vorliegende rekonstruierte Fassung (die aber auch nur als eine grobe Annäherung an Peckinpahs Wunschfassung verstanden werden kann) beeinflussen. So oder so: was auffällt ist eine enorme Zerrissenheit des Films. Funktioniert die erste Hälfte noch vergleichsweise gut, so wirkt die zweite Hälfte sehr segmentiert. Auch will das Zusammenspiel zwischen Charakterentwicklung und Rahmenhandlung nie so recht funktionieren, ja man muss leider sagen, dass sowohl der Indianer- als auch der Franzosen-Subplot regelrecht belanglos bleiben. Ganz brutal macht sich dies am Ende des Films bemerkbar, der Film hört nach der finalen Schlacht mit den Franzosen einfach auf. Alle offenen Punkte mögen zwar abgeschlossen sein, aber so unelegant wie der Film einfach aufhört, das erinnert in seiner Plumpheit schon an viele ähnlich ungeschickte Enden aus den Karl May-Verfilmungen.

Dafür funktioniert das Charaktergeflecht für sich allein genommen durchaus gut, wenngleich auch hier die dramaturgische Zerrissenheit wahrnehmbar ist. Dennoch: die durch die Bank stark agierende Darstellerriege macht einen prima Job und bei dem reichhaltigen Aufgebot an Charakterdarstellern macht das Zuschauen am gekonnten Spiel Spass.

Unterm Strich ist der Major leider weder Fisch noch Fleisch. Ein Film, dem man sein Potenzial ansieht und erahnen kann, was möglich gewesen wäre. Ein Film, der auch mit diversen starken Elementen punkten kann. Aber eben auch ein Film, der oft eher wie ein Fragment denn ein vollständiges Werk anmutet.

Wertung: irgendwo zwischen 6,5 und 7 Punkten.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Ich habe nie verstanden wo die Probleme mit Major Dundee liegen, denn trotz all dieser schmerzlichen Kürzungen bleibt die Grundsubstanz des Films erhalten. für mich hat der Film schon in der 122 min Fassung gut genug funktioniert (und eigentlich war die VHS Fassung mit der ich MD schätzen gelernt habe noch etwas kürzer, und in uhh Vollbild). Unterschiede zwischen 1. und 2. Hälfte sehe ich weder inszenatorisch noch dramaturgisch, und die längere Fassung, die ein Producer's Cut ist, gibt dem Film ein paar seiner abhanden gekommenen Komplexitäten zurück, schließt auch ein paar offene Enden, hat ihn aber trotzdem nicht spürbar toller gemacht.

Und ich finde schon daß Dundee als Identifikationsfigur taugt, nämlich gerade dann wenn man sich auch mit Leuten identifizieren kann die scheitern bzw Fehler machen bzw auch negative Eigenschaften haben. Mit glatten Helden wie Bond, Old Shatterhand oder aktuell unserem TG Cruise habe ich nie mitgefiebert, da fehlen mir die Bezugspunkte. Den zerrissenen Dundee dagegen, der am Ende zwar überlebt, aber wie viele Peckinpah Helden trotzdem verloren hat, dessen Überleben nicht sicher war, den mochte ich, da konnte ich auch mitfiebern.

Und das Ende ist doch gerade in dieser Hinsicht absolut in Ordnung, es ist alles da, und das hätte tatsächlich auch in einem DC an diesem Punkt geendet mit der Kran-Kameraschwenk nach oben, außer daß vorher noch ein kleiner pessimistischer Dreh gekommen werden. Die Truppe findet einen weiteren dieser Markierungen der Apachen, soll heißen Chariba ist zwar tot, aber der Kampf geht weiter, es sind noch genug andere da. Ein Pyrrhus Sieg war es so oder so.

Im Übrigen war der Film kein kompletter Flop, in Deutschland etwa hatte er deutlich mehr Zuschauer als TWB, also kam das Publikum auch mit dem Torso ganz gut klar, und auch ohne Zeitlupe und mehr Blut war anscheinend genug Spektakelwert vorhanden.

Und da es für alle fehlenden Szenen genaue Beschreibungen gibt, kann ich mir die von Peckinpah geplante 3 Stunden Fassung bestens vorstellen. Das hätte ein absolut toller Film werden können, aber er ist auch so schon sehr gut.

Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Maibaum hat geschrieben: 29. Dezember 2022 15:34 Und das Ende ist doch gerade in dieser Hinsicht absolut in Ordnung, es ist alles da, und das hätte tatsächlich auch in einem DC an diesem Punkt geendet mit der Kran-Kameraschwenk nach oben, außer daß vorher noch ein kleiner pessimistischer Dreh gekommen werden. Die Truppe findet einen weiteren dieser Markierungen der Apachen, soll heißen Chariba ist zwar tot, aber der Kampf geht weiter, es sind noch genug andere da. Ein Pyrrhus Sieg war es so oder so.
hätte, hätte, Fahrradkette. :) Das existiert in der bestehenden Fassung ja alles nicht und das da enthaltene finale Abrücken nach der verlorenen Schlacht gegen die Franzosen ist halt schon sehr unelegant, vor allem in Kombination mit dem ebenfalls sehr hoppladihopp abgehandelten Tod Charribas sowie dem ebenfalls sehr hoppladihopp abgehandelten Heldentod von Tyreen (und dem damit ebenfalls sehr hoppladihopp gelösten figürlichen Dilemma zwischen ihm und Dundee). Überhaupt ist die Doppelschlacht am Ende (nach den Indys noch die Frenchies) dramaturgisch wenig überzeugend und fühlt sich sehr "gescripted" an nach dem Motto: wir brauchen ja etwas, damit sich Heston und Harris nicht an die Gurgel gehen. Der ganze Franzosen-Subplot ist schwach entwickelt und vieles davon muss noch vom Erzähler erklärt werden (der eh viel zu häufig bemüht wird und dazu beiträgt, dass sich der Film inhaltlich zerissen anfühlt).

Ich sehe da auch sehr wenig richtig gute Inszenierung muss ich gestehen, gerade gemessen am Kernwerk Peckinpahs. Besonders die Actionszenen finde ich bemerkenswert unoriginell und beliebig in Szene gesetzt, da fehlt mir die Rhythmik und eine Actiondramaturgie, wie sie Peckinpahs Actionszenen ansonsten eigentlich immer aufweisen. Oft kommt mir das nur wie abgefilmtes Wildwest-Piffpaff-Säbelrasseln-auf-Pferderücken vor. Vielleicht eine Folge davon, dass Peck hier den Endschnitt nicht überwachen durfte, vielleicht auch nicht. Abseits der wie gesagt eigentlich guten charakterlichen Entwicklung ist da handlungstechnisch vieles, was mir nicht wirklich gefällt. Viele der Szenen der 2. Hälfte fühlen sich merkwürdig abgetrennt vom Rest an, etwa Dundees Rekonvaleszenz oder Oates Hinrichtung. Klar, figürlich ist das stimmig, aber hinsichtlich einer Gesamtdramaturgie wirkt das sprunghaft. Wie gesagt: ausser den Charakteren bietet der Film inhaltlich kaum überzeugendes.
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Also für mich passt das Ende so wie es ist, auch mit Fahrradkette. Diese zusätzliche Szene hätte ihm dann wieder etwas mehr Komplexität gegeben, aber das hätte das Ende trotzdem nicht groß verändert.

Die Action ist durchweg gut gefilmt und geschnitten, aber klar, die hat ein alter Hollywood Cutter geschnitten, sehr professionell zwar wie der ganze Film, aber Peckinpah hatte da viele andere Vorstellungen. Trotzdem funktioniert es auch so ziemlich gut. Als unoriginell sehe ich die Action nicht im Geringsten an, aber sicher typischer 60er Jahre als in anderen seiner Filme. Und gleichzeitig auch immer noch besser als in den meisten 60er Jahre Action Filmen, aber natürlich weit von dem WB Level entfernt. Logisch.

Ansonsten scheint mir auch die Inszenierung der beiden finalen Kämpfe sehr vernünftig. Das Ende der Indianer ist bemerkenswert unspektakulär gefilmt, eher ein banales Massaker als ein Kampf, während dagegen die Schlacht mit den Franzosen großes Spektakel bietet. Das ist für mich guter Peckinpah, der Triumph über die Indianer findet fast beiläufig statt, wird nicht als Triumph gezeigt, ist eindeutig anti-klimaktisch gefilmt, der Tod Charribas ist fast schon unwürdig, aber der Kampf gegen die Franzosen, der das endgültige Scheitern von Dundees Ambitionen verkörpert, wird als Spektakel inszniert. Das Untergehen wird gefeiert, und Tyreens Tod überhöht. Auch hier wieder stirbt bei Peckinpah der Individualist, während der Angepasste überlebt, auch wenn das etwas komplizierter in der Gegenüberstellung der beiden Protagonisten ist, da jeder auch Züge des anderen trägt.
Aber Dundee hatte ja eigentlich schon nach dem Hinterhalt am Fluß verloren, und auch diese Niederlage ist ganz anders anders inszeniert, als der Sieg über Charriba.

Ich finde das mit den Franzosen alles sehr überzeugend, auch wenn die ursprüngliche Idee kräftig abgeschwächt wurde. Denn dann wären die Apachen im Laufe des Film immer mehr aus der Handlung verschwunden, und Dundees Trupp hätte sich in den Gefechten mit den Franzosen aufgerieben. Sie wären dann zu den Wilden geworden (und so sehen sie ja auch in der jetzigen Fassung am Ende aus), und die zivilisiert wirkenden Franzosen der Kontrast dazu. Aber ok, das wäre wohl damals wirklich nicht mit viel Hollywood Geld finanzierbar gewesen.

Ehrlich, ich wünschte Peckinpah hätte MD nach TWB, wie von Columbia angeboten, nach seinen Vorstellungen neu geschnitten, dafür hätte ich sogar einen seiner Filme zwischen TWB und Pat Garrett geopfert.

Re: SAMARATHON INOFFIZIELLE ZWISCHENRUNDE

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AnatolGogol hat geschrieben: 29. Dezember 2022 11:57 Major Dundee (1965) – Sam Peckinpah

hätte, hätte, Fahrradkette.

Wertung: irgendwo zwischen 6,5 und 7 Punkten.
Habe ich auch sehr ähnlich in Erinnerung, vor allem die beiden überstürzten Enden, die noch so in die letzten zehn Minuten gequetscht werden, und den zunehmend repetitiven Tagebuch-Erzähler. Dafür triumphiert Richard Harris und stiehlt Charlton "Mäjer Mexico" Heston schamlos die Show, und Senta Berger planscht überzeugend im Tümpel. :)

Als inoffizielle Zwischenrunde könnte ich mir hier eher etwas anderes vorstellen. Nur: Wo kriege ich auf die Schnelle die Ballade eines Kabels her?
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Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah

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Ich weiß echt nicht was an diesen Enden überstürzt sein soll? Für mich passen die vom erzählerischen Rhythmus her.

Immerhin, auch das wäre in einer 3 Stunden Fassung nicht anders gewesen. Die Sequenz mit dem abgestürzten Dundee in Durango wäre ausführlicher gewesen, aber für danach gibt es keine zusätzlichen Szenen mehr. Das hat für mich auch in der KF ohne die Riago Szene schon funktioniert, aber mit dieser ist es noch mal deutlich besser.

Was fehlende Filme betrifft, man könnte natürlich einfach eine Fassung in vernünftiger Auflösung über WeTransfer oder ähnliches hochladen, und den Interessierten zur Verfügung stellen.

Re: SAMARATHON INOFFIZIELLE ZWISCHENRUNDE

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GoldenProjectile hat geschrieben: 29. Dezember 2022 23:26 Dafür triumphiert Richard Harris und stiehlt Charlton "Mäjer Mexico" Heston schamlos die Show, und Senta Berger planscht überzeugend im Tümpel. :)
Bzgl. Triumph des Mannes, den sie Harris nannten: es ist aber nicht Old Richard, der mit Senta im Tümpel planscht :wink:
Darüber hinaus bin ich aber bei dir: Heston bleibt in MD erkennbar hinter seiner üblichen eindrucksvollen Wirkung zurück, was ich aber eher seiner in meinen Augen zu eindimensional geschriebenen Figur als seinem souveränen Spiel zuschreiben würde. Bei all den zahlreichen Facetten des Dundeeschen charakterlichen Scheiterns fehlt mir hier der Gegenpol, also warum man überhaupt Interesse an der Dundee-Figur haben sollte. Der Fling mit der Senta ist hierfür ein gutes Beispiel: warum sollte sie eigentlich Dundee dem so charmanten und offensichtlich starken Eindruck auf sie hinterlassenden Tyreen vorziehen? Der Film gibt da wie ich finde keine schlüssige Erklärung. So sieht es halt irgendwie danach aus, dass man das Liebesding brauchte, um Dundee auch auf diesem Gebiet scheitern zu lassen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 29. Dezember 2022 23:26Als inoffizielle Zwischenrunde könnte ich mir hier eher etwas anderes vorstellen. Nur: Wo kriege ich auf die Schnelle die Ballade eines Kabels her?
Wäre ich dabei! An den kommt man auch schnell und unkompliziert ran (quasi als Ballade des Glasfaserkabels :lol: ):
https://www.amazon.de/Abgerechnet-wird- ... B017USGEUY

Edit: ich sehe gerade, dass amazon hier wohl nur die deutsche Tonspur anbietet, was soll den der Quatsch wieder!?
>> ein weiterer Grund, warum physische Medien vorzuziehen sind, aber das bringt dir natürlich auf die Schnelle auch nix :(

Edit 2: wenn du itunes über dein Equipment streamen kannst, wäre das noch eine Alternative. Da gibt es den Film auch mit O-Ton für den gleichen Kurs wie bei den Amazonen:
https://itunes.apple.com/de/movie/abger ... d619281267
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