The Getaway (1972) – Sam Peckinpah
The Getaway könnte man auf den ersten Blick fast als eine Art Leichtgewicht innerhalb Peckinpahs Oeuvre einstufen, da er hier einen erstaunlich massenkompatiblen Film abgeliefert hat. Aber das stimmt eben höchstens in Teilen, denn bei allem Unterhaltungsfaktor bietet der Film unter der Haube dann doch einiges mehr, als man zunächst vermuten würde.
The Getaway packt mit Steve McQueen und Ali McGraw zwei der seinerzeit grössten Filmstars zusammen und kann sich dabei ganz auf das Charisma seiner beiden Hauptdarsteller verlassen. Nicht, dass die beiden von ihnen verkörperten Charaktere Doc und Carol McCoy Peckinpah-typisch nicht auch figürlich einiges zu bieten hätten (wir vertiefen dies gleich noch), aber The Getaway profitiert wie kein zweiter Film von „Bloody Sam“ von der Leinwandpräsenz seiner zentralen Darsteller.
Entsprechend konzentriert sich der Film auch weitgehend auf das Kriminellenpärchen, welches nach einem nicht ganz nach Wunsch verlaufenen Überfall sich mitsamt der Beute auf der Flucht vor ihren ehemaligen Komplizen und der Polizei befindet. Diese Grundprämisse verarbeitet der Film weitgehend Genre-konform mit einer Reihe an wahlweise action- und/oder spannungsgeladenen Situationen, in welchen dem Publikum jede Menge Gelegenheit gegeben wird, mit den Titelfiguren mitzufiebern.
Bemerkenswert ist hierbei vor allen Dingen, mit welch hohem Unterhaltungswert und wie schwungvoll Peckinpah seinen Film vorantreibt, wodurch die gleichermaßen wendungsreiche wie im Kern einfache Geschichte effektiv und ohne jeglichen Hänger auf den finalen Klimax hinarbeitet. Und eben jener wird bereits früh etabliert: die Verfolger der McCoys wissen bzw. haben zumindest ein starke Ahnung, wo das Pärchen ihren Grenzübertritt nach Mexiko vorhaben (und sich damit endgültig ihren Häschern entziehen wollen), wodurch das ausstehende Zusammentreffen der Parteien etabliert und der Weg dorthin zum Ziel wird. Trotz dieser eigentlich simplen Handlungsprämisse leidet der Film aber nie an einer dramaturgischen Unterversorgung, da die einzelnen Sequenzen sich vollkommen logisch aus der Handlung entwickeln.
Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, warum der Film gar keinen komplexeren Handlungsverlauf benötigt und der liegt in den zentralen Figuren begründet, welche sich eben im Verlauf des Films doch als deutlich tiefgängiger als auf den ersten Blick herausstellen. Hierbei sind es erneut Sams Schlüsselthemen Vertrauen und Verrat, die auch in The Getway den roten Faden des Films bilden und in erster Linie an Doc und Carol behandelt werden. In erster Linie, da der Film auch darüber hinaus immer wieder diese Themen anreisst (z.B. wenn Rudy beim anfänglichen Überfall selbst abstauben will und seine Partner tötet oder es zumindest versucht, wenn Benyons Komplott mit Karen schief geht, wenn Fran bei ihrem erzwungenen Roadtrip mit Rudy Harold verrät oder wenn Laughlin seinen alten Freund Doc gleich zweimal (wenn auch unter Zwang) verrät).
Aber die zunehmende Ehe-Krise der McCoys, ausgelöst dadurch, dass Carol ohne das Wissen ihres Gatten mit Docs Auftraggeber Benyon schläft, um ihn aus dem Gefängnis zu holen, steht ganz klar im Zentrum des Themas Verrat. Beide fühlen sich voneinander hintergangen und im Verlauf ihrer Flucht werden die Brüche in der anfänglich so romantisch geschilderten Ehe immer grösser. Bezeichnenderweise schickt Peckinpah das vielleicht attraktivste Paar der Leinwandgeschichte erst in den Dreck einer Müllhalde, bevor sie sich wieder zusammenraufen können.
Als Gegengewicht zu den McCoys etabliert der Film die merkwürdige Zweckgemeinschaft des die McCoys verfolgenden Killers Rudy, der das Tierarzt-Pärchen Harold und Fran als Geiseln mit sich führt. Dabei entpuppt sich Fran sehr früh als äusserst opportunistisch, indem sie sich Rudy an den Hals wirft. Diese merkwürdige Dreiecksbeziehung wird vom Film als überzeichnetes Spiegelbild der McCoys in Szene gesetzt. Frans geradezu grotesker Verrat an Harold (welcher ultimativ gedemütigt wird, indem er gefesselt seinem Kidnapper und seiner Frau bei ihrem Treiben im Bett zuschauen darf) relativiert zudem auch den von Doc so schmerzhaft wahrgenommenen „Verrat“ seiner Frau. Gleichzeitig ist der Subplot um Rudy und seine Geiseln (wie auch einige weitere Szenen) ein schön-bitterer Kommentar, wie leicht in diesem Fall Fran (stellvertretend für die amerikanische Gesellschaft) sich mit eigentlich inakzeptabler Gewalt arrangiert und dabei jegliche Moral über Bord wirft.
Spätestens wenn der Film nicht - wie man es genreüblich erwarten würde - mit dem erfolgreich bewältigten finalen Shoot-out endet, sondern mit einer wunderbaren ruhigen Sequenz mit dem grossartigen Slim Pickens rund um das Thema Vertrauen, dann ist endgültig klar, dass The Getaway eben doch weit mehr ist, als nur ein spannungs- und actiongeladenes Star-Vehikel. Der Film mag vielleicht nicht den Tiefgang von vielen anderen Peckinpah-Filmen erreichen, allerdings macht ihn das noch lange nicht zum diesbezüglichen Leichtgewicht. Im Gegenteil gelingt Sam hier eine nahezu perfekte Kombination aus effektiv-massentauglicher Inszenierung und dem Peckinpah-typischen genauen Blick auf Figuren und ihre Hintergründe.
Wertung: 9 / 10
Re: Passion & Poetry - Die Filme von Sam Peckinpah
196"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"