Der Mann mit den tausend Gesichtern - Alberto de Martino
Der italienisch-deutsche Bondepigone aus dem Jahr 1966 lief diese Woche im TV und so konnte ich mir erstmals ein Bild über dessen Qualitäten (bzw. das Fehlen dieser) machen. Und was soll ich sagen: der Film hat mich tatsächlich positiv überrascht. Denn obwohl er sich natürlich in nahezu allen Bereichen frech bei den Bondfilmen bedient macht er seine Sache trotz des offensichtlichen niedrigeren Budgets eigentlich recht charmant. Paul Hubschmid erschien mir als Bond-Kopie "Supersieben" zunächst als eine sehr merkwürdige Wahl, aber ich muss sagen dass er mich echt überzeugt hat. Er verzichtet weitestgehend darauf eine Connerykopie abzuliefern sondern interpretiert seinen Part deutlich chamanter und gelassener, was seiner Rolleninterpretation eine erfreuliche Eigenständigkeit verleiht. Ihm zur Seite steht Karin Dor, die in der Rolle des (guten) Bondgirls ebenfalls eine gute Figur abgibt (im wahrsten Sinne des Wortes, so darf man Frau Dor in einer Szene sogar in Strapsen bewundern). Viele Szenen sind recht gelungen, vor allem die Kampfszenen sind schön hart und in typischer Bondmanier gehalten (leider macht ausgerechnet der Endkampf zwischen Hubschmied und seinem Erzrivalen "Kobras" Nando Gazzolo hier eine Ausnahme und bewegt sich eher auf gestelltem Wrestling-Niveau). Ebenfalls bemerkenswert sind die vielen internationalen Locations (Kopenhagen, Rom, Basel, London, Südafrika), die viel zum bunten und abwechslungsreichen Gesamtbild des Films beitragen. Hervorzuheben ist außerdem Bruno Nicolais prächtiger Score, der im schönsten 60s Flair Barrys Arbeit gekonnt aufgreift und in eigenem Stil präsentiert. Leider humpelt die Story vor sich hin und die Handlung wirkt häufig sehr episodenhaft und wenig zusammenhängend. Erst im letzten Viertel bekommt das Ganze dann etwas mehr Hand und Fuss und gipfelt in einem im Stile von DN gehaltenen Finale (allerdings ohne größere Explosion). Auffällig ist außerdem noch, dass der Film erstaunlich brutal daherkommt. So scheute man sich nicht dutzende von Handlangern der Verbrecherorganisation im Maschinengewehrfeuer niedermähen zu lassen. Auch der sonst eher als Gentleman stilisierte Hubschmid darf einer verräterischen Freundin mit der er zuvor noch das Bett teilte erst mit der Faust ins Gesicht schlagen und sie dann ungeniert vor den Lauf einer auf ihn wartenden Pistole werfen. Zwar verleiht gerade letzteres der Hauptfigur durchaus Konturen (ähnlich wie es Connerys ruppiges Handlen in DN seiner Figur verlieh), allerdings steht dies im krassen Gegensatz zu den über weiten Teilen fast schon parodistisch angelegten Szenen mit "Supersieben". Alles in allem ist der Film aber trotzdem ein netter Spass, bei dem Bondfans durchaus auf ihre Kosten kommen können.
Wertung: 6 / 10
Re: Zuletzt gesehener Film
1861
Zuletzt geändert von AnatolGogol am 21. Januar 2012 14:31, insgesamt 1-mal geändert.
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