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Re: Sherlock

Verfasst: 9. Januar 2017 02:43
von Casino Hille
Sherlock hat sich wohl leider überlebt. Auch "The Lying Detective" ist wieder sehr zwiespaltig zu sehen und will wie schon "His Last Vow" oder "The Abominable Bride" alle 5 Minuten mit einem neuen Twist aufwarten und verzettelt sich dabei völlig in einem Handlungswirrwarr, in dem nicht nur der Stil die Substanz verdrängt, sondern auch jede Dramaturgie vollkommen auf der Strecke bleibt. Toby Jones' neuer Villain macht Andrew Scotts flapsiger Moriarty-Interpretation ernsthafte Konkurrenz und overacted sich um Mark und Bein, was mich oft doch sehr zum Fremdschämen eingeladen hat (mal ehrlich: kann Moffat eigentlich überhaupt subtile Villains schreiben?). Was mir gefiel war dafür Holmes Bemerkung über das heikle Thema Suizid. Das war sehr gefühlvoll und einer von Cumberbatchs besten Momenten bislang in der Show. In den letzten 5 Minuten wurde es dann aber noch mal leider so richtig dämlich-absurd und die Serie will den ganz großen Twist erzeugen, der so konstruiert wirkt, dass ich etwas auflachen musste (auch wenn sicher bald in Interviews bekannt gegeben wird, wie lange lange man das alles im Voraus geplant hatte: was die ganze Sache dann natürlich (wäre es denn wahr) nur noch schlimmer machen würde). Es bleibt dabei, dass "The Reichenbachfall" am Ende der zweiten Staffel die Autoren Moffat & Gatiss mehr als offensichtlich so sehr in eine Sackgasse manövriert hat, dass sie kaum noch wissen, wo sie mit ihren Plots und Charakteren eigentlich hinwollen. Zudem scheinen sie nach dem extremen Hype, den die Serie durch ihre vorzügliche zweite Staffel erfuhr, zu sehr dem Drang erliegen zu sein, immer selbstreferenzieller auszuarten (was man einmal sicherlich machen kann (die Nicht-Auflösung des Reichenbachfall-Cliffhangers), aber mittlerweile fast zu DEM Hauptelement der Serie geworden ist - man erinnere sich nur an die Abominable Bride, die aber als Special natürlich durchaus gesondert betrachtet werden darf!). Ein gutes Script sucht man in der vierten Staffel bislang vergeblich und auch die ambitionierten Regieeinfälle können (wie schon bei den drei Vorgängern) nicht verbergen, dass hier ein 40 minütiger Plot künstlich auf Spielfilmlänge aufgeblasen werden musste. Wie ich schon einmal im Hinblick auf Staffel 3 schrieb, ist der Kontrast erschreckend dazwischen, wie klug und intelligent die Drehbücher der ersten beiden Staffeln waren (vom mir zu dick aufgetragenen Moriarty-Charakter mal abgesehen) und wie konstruiert und unglaubwürdig, weil inkonsistent die Scripte seit der dritten Staffel sind. Vieles wirkt nur hineingeschrieben für eine Reaktion beim Publikum und nicht durch die Geschichten oder Charaktere motiviert: ein Urteil, dass leider die gesamte Folge "Lying Detective" zusammenfasst. Wenn die Gerüchte wahr sein sollten, könnte nächste Woche mit "The Last Problem" die BBC-Serie ihr Ende finden - angesichts der doch enorm schwachen Qualität seit Holmes' Auferstehung eventuell nicht die schlechteste Alternative. Von mir 4/10 Punkte dafür.

PS: Unfassbar, dass Moffat und Gatiss ernsthaft immer wieder für Bond vorgeschlagen werden. Wie schrieb letzte Woche ein Sherlock-Fan so wunderbar zu "The Six Thatchers" und dem schwachen Script: "When you have a character say "you know how I know the game is on? Because I love it", the writing is absolutely a huge problem." Dem kann ich nicht viel hinzufügen.

Re: Sherlock

Verfasst: 9. Januar 2017 08:54
von BlofeldsKatze
Bin vor ein paar Tagen auf Netflix auch zufällig auf "Sherlock" gestoßen und war sehr positiv überrascht von der ersten Folge. Die Länge der Folgen ist ehrlich gesagt etwas anstrengend für mich, wenngleich es der Serie gut tut und auch passt. Anders könnte man die komplizierten Zusammenhänge auch nicht gut darstellen und ausführlich zeigen.
Auf jeden Fall wurden die Protagonisten super in das heutige Zeitalter integriert und Cumberbatch und Freeman überzeugen auf ganzer Linie. Tolle Leistungen.
Folge 2 kam mir gleich nach der ersten halben Stunde als Lückenfüller vor. Nach wie vor alles sehr interessant, aber etwas hat mir gefehlt. Die Spannung? Ich weiß nicht. Bin mal auf die letzte Folge und die nächsten Staffeln gespannt.

Re: Sherlock

Verfasst: 9. Januar 2017 22:01
von Casino Hille
BlofeldsKatze hat geschrieben:Folge 2 kam mir gleich nach der ersten halben Stunde als Lückenfüller vor.
Das ist ja eigentlich schon eine Frechheit für sich: Ein Lückenfüller bei einer Staffel, die aus 3 Episoden besteht? Das sollte man sich nicht erlauben, erst recht nicht bei den Ambitionen, die die Serie zweifellos hat. Schade nur, dass die dritte Staffel eigentlich nur aus Lückenfüllern besteht und die vierte Staffel bis dato irgendwie auch. :D

Aber da du ja noch nicht soweit bist: Die nächsten 4 Folgen kannst du ganz entspannt genießen. The Great Game ist eine atemlose Hetzjagd und sehr schnell und temporeich erzählt, aber auch mit einigen tollen Charaktermomenten und die drei Folgen der zweiten Staffel sind alle ganz großes TV-Kino (leider in dieser tristen, sterilen BBC-TV-Optik, die ich schon bei Luther störend fand, was Sherlock aber nicht davon abhält, in der Bakersville-Adaption sehr atmosphärisch zu sein).

00T, schau "The Lying Detective", ich bin sehr auf deine Ansichten gespannt! :D

Re: Sherlock

Verfasst: 9. Januar 2017 22:31
von Martin007
Im Gegensatz zu "The Six Thatchers", welche auf imdb derzeit eine Note von 8.0 hat (und damit die am schlechtesten bewertete Folge ist) kommt "The Lying Detective" allgemein wohl ziemlich gut an (derzeit sogar eine
9.7 auf imdb).
Also in etwa so, wie von mir prophezeit. ;) Mal gucken, wo Folge 3 eingestuft wird, wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
Jetzr ist meine Vorfreude zumindest wieder grösser. Ich sehe die meisten der Staffel 3 Folgen zwar kritisch, aber nicht ganz so sehr wie Hille. Am schwächsten fand ich 3.1 (aufgrund der holprigen Regie) und die letzten 30 Minuten des Specials (zuviel hin- und her in der Geschichte).

Re: Sherlock

Verfasst: 9. Januar 2017 23:26
von danielcc
Ach was! Jede einzelne Szene der ganzen Serie ist ein hochgenuss!!! Und das liegt daran das außergewöhnliche gute Schauspieler stark geschriebene Charakter in clever geschriebenen stories spielen. In den allerbesten Folgen kommt noch eine inspirierte Regie hinzu. Sherlock ist für mich das nonplusultra in Sachen intelligente Unterhaltung.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 10:00
von DonRedhorse
danielcc hat geschrieben:Ach was! Jede einzelne Szene der ganzen Serie ist ein hochgenuss!!! Und das liegt daran das außergewöhnliche gute Schauspieler stark geschriebene Charakter in clever geschriebenen stories spielen. In den allerbesten Folgen kommt noch eine inspirierte Regie hinzu. Sherlock ist für mich das nonplusultra in Sachen intelligente Unterhaltung.
Sehe das ähnlich. Hatte nun endlich die Gelegenheit, alle drei Staffeln am Stück zu schauen. Gerade Staffel 3, die hier weniger gut wegkommt, hat mir am Besten gefallen, namentlich 3.2 und 3.3.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 13:56
von Casino Hille
Clever geschriebene Storys? Ausgerechnet Sherlock, dass in der dritten Staffel nur von Handlungsschwäche zu Handlungsschwäche hächelte? :lol:

Nein, die Drehbücher sind die größte Schwäche der Serie und seit die guten Regisseure (McGuigan) fehlen, ist die Serie nur noch Krimi-Dutzendware in Überlänge mit einem angeblich hochintelligenten Protagonisten, der selbst die simpelsten Zusammenhänge nicht durchschaut (man denke an die unfassbar dämliche Auflösung der Magnussen-Handlung rund um dessen "Datenspeicher"...), eigentlich Privatdetektiv ist, aber scheinbar keine Lust mehr auf Ermittlungen hat, zahlreiche hohle Phrasen von sich gibt (jeder Schurke, ob Moriarty, Magnussen oder jetzt Toby Jones' Villain ist gleich der "böseste Gegner", den er je zu bekämpfen hatte) und ständig ewig lange Deduktionen mit erschütternder Richtigkeit anwendet, nur um dann in entscheidenden Situationen wieder der letzte Doofkopf zu sein (zugegeben, das kam nicht erst mit Staffel 3, das war vorher schon ein Problem). Dazu kommt die vollkommene "Style over substance"-Haltung der Serie, wenn Holmes in 3x03 angeschossen minutenlang eine Quasi-Sterbeszene durchläuft (ohne jede Funktion für die Handlung!) voll zahlreicher Klischee-Symbolik, die Handlung von 3x02 minutenlang auf der Stelle tritt, um einen besoffenen Fremdschäm-Holmes zu offerieren und so weiter und so fort. Und all das ist tendenziell in der vierten Staffel noch schlimmer geworden, weil nun jedwede Leichtigkeit zusätzlich völlig abhanden gekommen ist und alles düster und hochdramatisch sein will (oder muss?), aufgrund der unüberlegten und schwachen Dialoge aber kaum zu überzeugen weiß. Bei der bereits auf der Vorseite zitierten Phrase konnte ich mir nur mit der Hand gegen die Stirn klatschen: wer sowas schreibt, hat es halt auch nicht anders verdient.

Don, hast du das Special schon gesehen? Imo ein ganz peinlicher Versuch, einen klassischen Holmes-Gruselfall in peinlichster Symbolik mit der Moderne zu verknüpfen, während die Auflösung des eigentlichen Mordfalls eine doch sehr gruselige Moral der Macher offenbart, von der man hoffen kann, dass sie einfach nur nicht sonderlich ernstgemeint war.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 14:17
von DonRedhorse
Casino Hille hat geschrieben: Don, hast du das Special schon gesehen? Imo ein ganz peinlicher Versuch, einen klassischen Holmes-Gruselfall in peinlichster Symbolik mit der Moderne zu verknüpfen, während die Auflösung des eigentlichen Mordfalls eine doch sehr gruselige Moral der Macher offenbart, von der man hoffen kann, dass sie einfach nur nicht sonderlich ernstgemeint war.
Das Special habe ich schon länger vor der eigentlichen Serie gesehen, was etwas verwirrend war. Die Auflösung fand ich auch enttäuschend, insgesamt ist das Special deutlich schwächer als die Serie.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:29
von vodkamartini
Casino Hille hat geschrieben:Clever geschriebene Storys? Ausgerechnet Sherlock, dass in der dritten Staffel nur von Handlungsschwäche zu Handlungsschwäche hächelte? :lol:
Allerdings.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:41
von Casino Hille
Wie war das jetzt gemeint? Pro oder Kontra die Qualtität der Drehbücher von Staffel 3? :D

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:42
von vodkamartini
Kontra natürlich.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:42
von DonRedhorse
vodkamartini hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Clever geschriebene Storys? Ausgerechnet Sherlock, dass in der dritten Staffel nur von Handlungsschwäche zu Handlungsschwäche hächelte? :lol:
Allerdings.
Ich möchte bei Filmen gut unterhalten werden, und das schafft Sherlock außerordentlich gut. Etwaige Handlungsschwächen sehe ich nicht oder sind mir wurscht, manchmal habe ich das Gefühl, ihr "Kritiker" könnt die Filme gar nicht mehr richtig genießen, weil Ihr sie zu sehr auseinander nehmt und seziert. Das soll jetzt keine Kritik an Euch oder an Euren Kritiken sein, die ich sehr schätze! Ich habe wohl nur eine anderen Herangehensweise an Filme.

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:44
von Maibaum
Was denn jetzt, Vodka?

Kontra die Drehbücher, oder Kontra Hilles Meinung dazu?

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:45
von vodkamartini
Mann oh Mann :), kontra die Drehbücher. Don hatte es verstanden. :wink:

Re: Sherlock

Verfasst: 10. Januar 2017 15:46
von Maibaum
DonRedhorse hat geschrieben:
vodkamartini hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Clever geschriebene Storys? Ausgerechnet Sherlock, dass in der dritten Staffel nur von Handlungsschwäche zu Handlungsschwäche hächelte? :lol:
Allerdings.
Ich möchte bei Filmen gut unterhalten werden, und das schafft Sherlock außerordentlich gut. Etwaige Handlungsschwächen sehe ich nicht oder sind mir wurscht, manchmal habe ich das Gefühl, ihr "Kritiker" könnt die Filme gar nicht mehr richtig genießen, weil Ihr sie zu sehr auseinander nehmt und seziert. Das soll jetzt keine Kritik an Euch oder an Euren Kritiken sein, die ich sehr schätze! Ich habe wohl nur eine anderen Herangehensweise an Filme.
Der war gut ...

(... falls ich dich nicht mißverstanden habe)