Ich war nun am Wochenende auch in Spielberg's lange erwartetem neuen Werk. Das ich noch nie eins der Comic-Bücher gelesen habe, scheint sich in diesem Falle ausgezahlt zu haben, denn ein enger Freund von mir, der quasi jedes einzelne Bild der
Tim und Struppi-Bände auswendig im Kopf hat, ließ kein gutes Haar an dem Film als er das Kino verließ. Hier sein kurzes Statement:
"Ich rate jedem, der wie ich Liebhaber der Comics ist, dringend vom Konsum der Verfilmung ab. Spielberg und Jackson bemühen sich derart krampfhaft darum, möglichst alle bekannten Figuren und Motive in den Film zu klatschen, dass sie nicht die Comic-Vorlage "Das Geheimnis der Einhorn" verfilmen, sondern einen sinnentleerten Mix aus mehreren Alben servieren, der weder stimmig noch erquicklich, lustig oder spannend ist. Würde das Ding zumindest als Abenteuerfilm funktionieren, könnte ich vielleicht über die Vergewaltigung der Vorlage hinwegsehen – aber "Tim und Struppi" wirkt trotz interessanter visueller Einfälle unglaublich träge und konstruiert, selbst die Verfolgungsjagden (eigentlich eine echte Spielberg-Domäne) haben kein Tempo und keine Power. Überflüssig, langweilig, ärgerlich."
Ich, als 'Unbelesener' hingegen, verließ den Lichtspielsaal wesentlich befriedigter. Unvoreingenommen fiel es mir leicht mich mit diesen Charakteren, die ich bisher nur vom Namen und Aussehen her kannte anzufreunden.
Nachdem mir bis dato sämtliche 'Motion-Capture-Animationsfilme', ala
Polar-Express oder
Beowulf ein großer bild-ästhetischer Dorn im Auge waren, ist dies nun der erste Film dieser Art, der mich weitestgehend positiv bei der Stange hielt.
Die meisten Figuren wirken lebendig, die computer-animierte Welt wirkt so reich-haltig und detail-intensiv, das es mir zum ersten Mal leicht fiel, diese Optik als eigene Art von Film-Ästhetik zu akzeptieren.
Sehr stilvoll schon allein die Einführung in dieses Werk, das mit einem herrlich altmodisch und dennoch durchaus einnehmend arrangierten Vorspann, aufwartet, der an Spielberg's
'Catch me if you can' anknüpft.
"Da huschen die schwarze und die kleinere weiße Silhouette der beiden Helden über die Leinwand, wird die Flächigkeit des Comics zunehmend in eine Raumtiefe überführt", wie die
taz treffend schrieb. Eine zeitlose Nostalgie wird hier spürbar, die vermutlich den Comic so legendär werden ließ.
Die darauf folgende erste Szene auf dem Flohmarkt strotzt bereits schon mit dermaßen vielen liebevollen Details, das der Zuschauer auf Anhieb die Möglichkeit bekommt, sich in diese Film-Dimension fallen zu lassen.
Das ich hier dennoch nicht unbedingt von einem 'Meisterwerk' sprechen will, liegt an anderen Aspekten. Auch wenn der Film sich am Anfang recht viel Zeit nimmt, steigert sich das Timing und die Physis der immer aberwitziger werdenden Action-Szenen während des Film-Verlaufs auf dermaßen heftige Weise, das mein Auge irgendwann überfordert war. Grotesker Weise schafft Spielberg hier ein neues Konsum-Problem für Zuschauer älteren Semesters. Werden nun schon seit Jahren die Schnell-Schnitt-Gewitter ala
'Quantum of Solace' von diversen Zuschauerfraktionen an den Pranger gestellt, haben wir es nun in diesem Film am Ende mit Action-Szenen zu tun. die surrealer Weise recht wenig Schnitte aufweisen, die aber dermaßen überladen und perspektivisch für das Zuschauer-Auge so anstrengend und fordernd sind, das deren Wirkung teilweise eher kontraproduktiv als mitreißend ist.
Im Kino ging es offensichtlich nicht nur mir so, da während den letzten beiden großen Action-Szenen einige Zuschauer hinter mir zu tuscheln begannen. Etwas was erfahrungsgemäß ja eher bei ruhigen Filmpassagen geschieht und nicht während gigantischen Actiongewittern. Spätestens bei der letzten Action-Szene verabschiedete sich mein Gehirn aus dem Filmgeschehen und ich wartete eigentlich nur noch darauf das es wieder ruhiger und übersichtlicher in dieser dreidimensionalen Welt zugeht.
Weitere kleine Kritik-Punkte sind die Momente, in denen dieser eigentlich im Gesamtbild verhältnismäßig realistisch gestaltete Animationsfilm passagenweise - und meines Erachtens völlig unnötig - die Grenzen der Physik oder Glaubwürdigkeit sprengt. Dieser Aspekt ist zwar nicht neu innerhalb von Spielberg's Ouvré, aber es sind eben jene Momente, in denen er seiner visuellen Phantasie völlig freien Lauf zu lassen scheint, und die jedes Kinderauge erfreuen dürften, die er aber mit dem Preis bezahlt, das er in diesen Augenblicken vorübergehend einen Teil seines Publikums verliert.
Insgesamt also sicher kein 'Meisterwerk', aber dennoch ein echtes spielberg'sches Großevent, das ansatzweise neue Wahrnehmungs-Grenzen überschreitet und über weite Strecken auf visuell einfallsreiche Weise prächtig unterhält. Auch wenn ich zugeben muß, mit recht gemischten Gefühlen den Lichtspielsaal verlassen zu haben.
Die Meinung der deutschen Feuilleton-Kritiker über den Film ist ja sehr gespalten. Einen guten Eindruck bezüglich der unterschiedlichen Wertungen bietet die
Wikipedia-Seite zum Film.
danielcc hat geschrieben:
Ein Hoch auf Steven Spielberg!
Dem schließe ich mich trotz meiner aufgeführten Kritikpunkte jederzeit an !