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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Star Wars Episode VII: The Force Awakens (2015, J.J. Abrams)
Das war er also, der Film welcher die Star-Wars-Saga von ihrem Beginn, der ersten Trilogie auf fortsetzen sollte, ohne auf die bei Publikum und Fangemeinde wenig geliebten Prequels von George Lucas Rücksicht zu nehmen. Die Aufschreie waren bei der Übernahme von Lucasfilms durch Disney und bei der Verkündigung von Neo-Star-Trek-Guru J.J. Abrams als Regisseur erneut gross, doch in den folgenden drei Jahren bis zum Kinostart wurden schliesslich doch immer mehr Erwartungen, Hoffnungen und Vertrauen in Abrams gesetzt: J.J. versprach Nostalgie, Charme, Fanservice und Star-Wars-Feeling vom Feinsten - und er lieferte all dies auf dem Silbertablett.
Vergessen ist die durchaus akzeptable und in ihrem letzten Teil sogar beachtlich gelungene aber dennoch mit viel zu vielen Schwächen durchzogene Vorgeschichte. Vergessen sind die gekünstelt dialoglastigen, ausufernden Politdiskussionen, die mässig entwickelte Liebesgeschichte, die leblosen und verschenkten Figuren, der schwach aufgebaute Anakin Skywalker und die allgegenwärtigen, aufdringlichen, unausgereiften CGI's der Prequel-Trilogie. J.J. Abrams schafft, was die Fangemeinde von ihm erwartet und fährt dort weiter, wo Return of the Jedi vor über dreissig Jahren aufgehört hat. The Force Awakens kommt mit liebevoll und charmant gestalteten Effekten um die Ecke und entwirft mit aufwändigen Kulissen und herrlichen Originalschauplätzen eine abwechslungsreiche und pittoreske Planetenwelt die immer wieder den Geist der Originale atmet, ohne eine leichte zeitgemässe Modernisierung zu vernachlässigen. Viele kleine Anspielungen und Parallelen in der Stilistik lassen das nostalgische Fanherz jubilieren, sorgen gleichzeitig aber auch immer wieder für Überraschungen. Die farbige Umsetzung mit ihrer gekonnten Mischung aus Neu und Alt dämpft auch die vielleicht einzige wirkliche Schwäche des ansonsten rundum faszinierenden Neuentwurfes: Der von Abrams im Vorfeld streng geheim gehaltene Handlungsrahmen bietet in seinem grundlegenden Konzept nicht nur wenige Neuerungen, sondern ist auch frappierend stark an einige elementare Handlungsstränge der ersten Trilogie angelehnt. Ein Umstand, der auch deswegen zu verzeihen ist da es sich ja erst um den Auftakt einer kompletten Trilogie handelt. Und in dieser Form schlägt The Force Awakens den einfallslos aufgeblasenen Prolog Phantom Menace um Längen und ist dem Ursprung der ersten Trilogie, A New Hope, absolut ebenbürtig.
Ebenfalls ein glückliches Händchen beweist J.J. Abrams bei der Etablierung seiner neuen Heldengeneration. John Boyegas Finn ist ein desertierter Stormtrooper mit dem Herz am rechten Fleck, Daisy Ridleys Rey eine ebenso zähe wie liebenswürdige Schrottsammlerin, die unverhofft Kopf voran in ein Abenteuer geworfen wird, und Oscar Isaacs Poe hat als abgebrühter und todesmutiger X-Wing-Pilot vermutlich mit die coolsten Auftritte. Dieses neue Heldentrio wird ebenso einfallsreich wie charmant eingeführt und erarbeitet sich innert kürzester Zeit problemlos einen festen Platz im Fanherzen. Das liegt zu grossen Teilen auch daran, dass vor allem zwischen Boyega und Ridley, aber auch zwischen Boyega und Isaacs eine tolle Chemie vorhanden ist, die es Abrams und dem für diese Fortsetzung reanimierten Drehbuchautor Lawrence Kasdan erlauben, die neuen Protagonisten mit gelungenem Wortwitz und simplen aber effektvollen Charakterzügen als neue Helden der Star-Wars-Saga zu etablieren. Jetzt schon der geheime Held und Liebling ist aber BB-8, der ebenso mutige wie liebenswerte Resistance-Droide, der als unverkennbare Neuinterpretation von R2-D2 angelegt ist, rollt sich tapfer und charmant durch den Film und macht dabei lustige Geräusche. Wie einst Lucas mit dem Droidenduo der Originalfilme schafft es auch Abrams mit BB-8 eine kleine Maschine zu einem liebenswürdigen emotionalen Ankerpunkt zu machen.
Auch auf der dunklen Seite gibt es einige Neuerungen. Kylo Ren, der im Vorfeld besonders durch seine unkonventionelle Waffe und die schwarze Maske für einige Diskussionen und Spekulationen gesorgt hat, füllt hier unverkennbar die Rolle des Darth Vader aus. Die ikonographische Präsenz und mächtige, gefährliche Aura des Originals kann Darsteller Adam Driver zwar nicht ganz erreichen, überzeugt aber dafür in den Momenten, in dem eben diese unerschütterliche und furchterregende Fassade von seinem rebellischen, zornigen und zerrissenen Charakter durchbrochen wird. Neben Kylo weckt Domhnall Gleeson als eisiger, verächtlicher Kommandant und Propagandaminister der imperialen Streitkräfte in Personalunion wohlige Erinnerungen an Peter Cushings Grand Moff Tarkin. Andy Serkis zeigt sich in einige Szenen als "Supreme Leader", eine geheimnisvolle und wie es scheint in seinem wahren Auftreten nur angedeutete Gestalt, die genau wie Kylo Ren einige Fragen und damit Material für die kommenden Filme offenlässt. Lediglich von Captain Phasma, der verchromten Stormtrooper-Kommandantin, hätte ich mir deutlich mehr denkwürdige Präsenz erhofft.
Auch die mittlerweile in die Jahre gekommene Heldengeneration der ersten Filme kommt in The Force Awakens in cleverer Konstellation zu den Neuzugängen zum Zuge, wobei gerade in Bezug auf Luke Skywalker nicht allzu viel verraten werden soll. Zwei Charaktere müssen aber unbedingt Erwähnung finden, und zwar der zynische Weltraumpilot und sein haariger Freund, Han Solo und Chewbacca. Jeder Zweifel an Harrison Ford ist wie weggefegt, wenn er sich erneut ins Cockpit des Millenium Falcon setzt. Ford spielt hier nicht, er ist Han Solo mit all seinem Charme, seinen Sprüchen, seinen liebenswerten Interaktionen mit Chewbacca, seinen Schiessereien und seinen Schulden und Problemen bei diversen interplanetaren Schmugglerbanden. Eine absolut grandiose Vorstellung des rebellischen Haudegen, der auch wunderbar mit den jüngeren Helden des Films interagiert.
Seine beeindruckenden und unterhaltsamen Höhepunkte erreicht J.J.'s spektakuläre und gekonnte Nostalgia-Neuinterpretation in den grandiosen Actionsequenzen. Die X-Wings und Tie Fighters treffen endlich wieder in fulminanten Luftschlachten aufeinander, die Stormtroopers und die Solo-Bande liefern sich hitzige Blaster-Schiesserien und zu guter Letzt folgt ein epochaler Schwertkampf in eisiger Winterlandschaft, der sich vor keinem der in die Geschichte eingegangenen Duelle der Vorgängerfilme zu verstecken braucht, Tricktechnik, Choreographie und Schnitt tun ihr bestes, um auch in diesem Bereich den Geist von Star Wars in ebenso modernem wie klassischem Gewand aufleben zu lassen. Erneut pulsiert das Fanherz nahe an einem Kreislaufkollaps.
J.J. Abrams hat abgeliefert. The Force Awakens mag nicht der mutigste Beitrag zu dieser ikonographischen Fantasiewelt sein, aber es ist ein Beitrag mit Herz und Seele, mit Gespür für die Wünsche und Erwartungen des Zielpublikums, mit lebendigen neuen Charakteren, viel Retro-Charme, ausgefeilten Effekten und rundum spassigem Fanservice. Und für mich persönlich vielleicht der beste Star-Wars-Film seit Irvin Kershners The Empire strikes back aus dem Jahre 1980, dessen emotionale Tiefe und narrative Perfektion er nicht zu erreichen vermag, wofür er den bald erscheinenden Fortsetzungen aber genügend Potential bereithält, während das eigene mehr als nur gut ausgeschöpft wird. Eine weitere Star-Wars-Trilogie kann kommen. Die Macht ist stark. Your move, Rian Johnson.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.