So wer es nun schafft meine Review unter der Spielzeit der Films zu lesen, verdient einen Preis
Nachdem mein gestriger Beitrag ja wie erwähnt im Äther verschwunden ist, hier nun der zweite Versuch. Auch ich war unmittelbar nach dem Film völlig geflasht und wusste gar nicht wo ich etwas einordnen sollte. Erst 2 bis 3 Stunden danach konnte ich wirklich fassen was ich gesehen hatte: Einen der besten Bondfilme aller Zeiten.
Auch 24 Stunden nach dem sehen habe ich diese Meinung und ich vermute das wird sich auch nicht so schnell ändern.
Mendes sagte im Vorfeld, dass das Publikum sich wie auf einer Reise fühlen sollte. Dazu müsste man das ganze Genre einreißen müsste, um es anschließend wieder aufzubauen. Genau das ist Skyfall: Ein düsteres Meisterwerk, das den diesjährigen „Düstere-Epos“-Liebling The Dark Knight Rises locker in die Tasche steckt.
Ein Kritiker meinte mal „Craig oozes Bond“ übersetzt heißt es etwa „Craig trieft vor lauter Bond (sein)“ ... dies stimmt uneingeschränkt.
Gehen wir den Film mal durch....
Die PTS in Istanbul war im Vorfeld bekannt, jedoch nun im fertigen Film wirklich genial. Einzig bedauere ich, dass ich im Vorfeld vielleicht schon zu viel davon wusste. Man konnte halt allem widerstehen außer der Spoilerversuchung. ^^
Allerdings hat sich mein Verdacht bestätigt: Die Gunbarrel hätte hier gepasst und sicherlich keinem weh getan. Szenerisch ist die PTS eine Offenbarung in Sachen Bildaufbau in Kameraarbeit, wobei sie aber im weiteren Filmverlauf mehr als einmal noch übertroffen wird. Schnitt, Kameraeinstellungen und –fahrten: Alles sehr nahe an der Perfektion. Allein wie Patrice hier aussteigt schießt, neben ihm stürzt der Motorradfahrer, er sieht das Bike und entschließt sich es zu nehmen. Alles in der Totalen gefilmt und in einem Stück gedreht, ohne langweilig zu wirken!
Negativ fallen hier einzig die per CGI eingefügten Gesichter von Craig und Rapace bei den Motorradszenen auf den Dächern von Istanbul auf. Es wird der übliche Fehler gemacht diese Partien zu gut zu beleuchten (am Computer, nach Einfügen der Gesichter) – eben um diese besser erkennbar zu machen. Aber dies ist auch bei weitem die einzige negativ zu bezeichnende CGI-Arbeit im Film. Der Rest reiht sich super ins Gesamtbild ein. Bonds vermeintlicher Tod ist super realisiert und im Saal ein echter Downer gewesen. Mendes hat es hier geschafft den Moment wirklich episch zu gestalten mit Eves Entsetzen und im Grunde nur den einzigen Satz „Agent getroffen.“ Der Rest ist tolles Spiel der Schauspieler mit grandiosem Einsatz von Geräuschen (lauter werdender Regen). Und dann setzt Adele ein...
Die Titelsequenz ist ungewohnt und erinnert in ihren Grafiken öfters an LALD. Daniel Kleinman hat aber wirklich starke Arbeit geleistet. Das Spiel verschiedener Silouetten im zweiten Teil der Sequenz erinnert an diverse Binder-Vorspänne, vor allem aber an OHMSS. Adeles Song passt grandios zu der vorangegangenen PTS. Herrlich Melancholisch, aber ein paar Auftritte der Frauensilouetten hätte ich mir schon gewünscht. Die Titelsequenz ist aber auch eine solche Bilderflut, dass man sie beim allerersten sehen nur schwer erfasst. Bei sehr vielen Bonds habe ich erst bei wiederholtem Sichten viele Details und Kniffe entdeckt, die die jeweilige Sequenz zu einen kleinem Juwel im Film machen. SF dürfte hier wohl keine Ausnahme sein.
Danach geht es auch stark weiter, wenn der Film auch Tempo rausnimmt um die Handlung voranzutreiben. Der Konflikt zwischen Alt und Neu wird sehr schön aufgezeigt. Wie sehr M unter Zugzwang gerät wird hier gut und absolut rund erzählt. Weder verplempert der Film sich selbst in der Story, noch kommt sie zu kurz. Dies zieht sich durch den ganzen Film: Absolute Balance zwischen Story und Action. Skyfall ist ebenso Drama wie auch Action-Agentenepos. Die Explosion des MI6 ist dabei besser gelungen als in den Trailern, zumindest wirkt sie auf der Leinwand nicht künstlich.
Bond im „Paradies“ währenddessen ist in höchstem Maße Flemingesque. In keinem anderen Film bisher (außer vielleicht in QOS) wird Bonds Flucht in Alkohol und Medikamentenkonsum so sehr thematisiert. In den Romanen gönnte sich Bond vor dem Einsatz öfter mal Amphetamine. Es ist wirklich erstaunlich wie sehr die Düsternis von Flemings Romanen es hier in Skyfall geschafft hat, sogar noch mehr als es in CR und QOS der Fall war. Auch andere Elemente Flemings werden verstärkt aufgegriffen. Dies wird deutlich wenn Bond dann nach England zurückkehrt und man merkt wie sehr die Rolle Tanners in Skyfall ausgebaut wurde. Der Charakter war in den Romanen immer ein Freund und eine Art Mentor für Bond. Dies ist er auch in Skyfall und es tut dem Film ungemein gut. Dies wie auch andere Elemente (z.B. die Benennung der Hong Kong Division als „Station H“) lassen den Film wie ein bisher unverfilmtes Fleming-Werk wirken. Wahnsinn!
Auch der Humor kehrt zusammen mit Bond nach Landon zurück. Der Film legt in Folge einen Humor zu Tage, der aus Wortgefechten besteht. Bonds Frechheit erinnert an beste Connery-Zeiten, ein echter Lausbub ist er!
Ohne allerdings auch nie irgendwie wie eine Kopie anderer Bonds zu wirken. Angesichts der Qualität der Sprüche, bin ich mir sicher, dass auch noch in 30 Jahren die Leute über Skyfall locker genauso lachen können wie heute. Solcher Humor dürfte zeitlos sein und weit weg vom Klamauk-Humor, der für die 60er und 70er charakteristisch wäre.
Bonds Rückkehr zum MI6 offenbart mit dem Bunker auch eines der beeindruckendsten Filmsets der letzten Jahre. Ein altes Gemäuer mit modernem Innenleben, einen solchen Entwurf mit einer beeindruckenden Ästhetik und Gegensätzlichkeit hatten wir seit Ken Adam nicht mehr. Dennis Gassner zeigt auch im restlichen Film, dass er für Bond wie gemacht ist.
Der Auftritt von Ben Whishaw als Q war weitgehend bekannt, kann dennoch im Film wunderbar glänzen. Auch hier wieder ein superbes Wortgefecht und tolle schauspielerische Leistungen. Die Anspielung an GE fand ich auch toll ^^ Überhaupt erbietet SF mit seinen Anspielungen großartigen Tribut an das Franchise. Allerdings findet man wirklich immer die Balance und nie wirkt etwas lächerlich.
Wenn es nach Shanghai geht, so sehen wir eine Metropole im Neonlicht getaucht, wie sonst höchstens in Blade Runner. Die Szenen wirken so majestätisch und kunstvoll, einige Einstellungen könnte man sich wahrlich an die heimische Wand hängen. Der Kampf von Bond und Patrice im Neongegenlicht wirkt grandios und höchst kunstvoll. Leider wurde die Einstellung von Patrice’ Sturz aus den Trailern nicht verwendet, aber diese (ist ne Zeitlupe) wäre wohl schwer in den Film einzubauen gewesen. Shanghai ist ein weiteres Beispiel mit welch exorbitanten Produktionswerten der Film strotzt. Bond feiert seinen Glamour in Skyfall wie in kaum einem anderen Bondfilm. Höchstens in CR waren in jüngster Franchisevergangenheit ähnlich viele wunderschöne Einstellungen und Designs zu sehen.
Noch ein Wort zu Patrice: Der Charakter spricht in SF kein einziges Wort womit man aber etwas gutes tut: Der Charakter bleibt seiner „mystischen“ Bezeichnungen als „Geist“ (so nennt ihn M bzw Tanner) entsprechend anonym und mysteriös.
Einige bemängeln die Macau-Szenen, doch ich bin nach wie vor beeindruckt. Das Casino ist eine überzeichnete Realität und steht damit in bester Tradition der Serie. Man merkt sofort: So etwas gibt es nur in der Bondwelt. Severine selbst halte ich für ein Bondgirl das besonders in Erinnerung bleibt. Obwohl der Charakter im Film nicht lange zu sehen ist, ist er überaus tiefgehend gezeichnet. Ihre tragische Vergangenheit und Situation wird in der kurzen Zeit sehr gut nahegebracht. Berenice Marlohe gibt der Figur eine Düsternis und genügend zu spürende Mysterien, dass es einem wirklich an den Kinosessel fesselt. Sowas hatte ich nicht erwartet. Selbst andere Bondgirls (die tiefer gezeichnet sein sollen) steckt sie mehr als locker in die Tasche. Das Negativbeispiel hier wäre Paris Carver aus TND -> zu flach charakterisiert und unaufregend gespielt. Marlohe wirkt in SF einfach äußerst majestätisch und elegant – und ist darüber hinaus toll gespielt. Angesichts der anderen Qualitäten des Films halte ich sie für oft übersehen.
Bonds Kampf im Casino ist eine weitere toll gelungene Szene. Das Ende des Henchmen ist äußerst Flemingesque und die kleine Referenz an LALD ebenfalls wunderbar zum schmunzeln.
Tja und dann geht’s auf die Insel... Der Schauplatz ist eine weitere Meisterleistung des Production Designs von Dennis Gassner. Die real gebauten Sets verbinden sich auch super mit den CGI-Erweiterungen, genau so wird’s gemacht. Dann kommt Silvas ganz großer Auftritt. Schon mit dem Ratten-Monolog wird sein Charisma deutlich und Javier Bardem spielt seine Figur so unfassbar gut, dass man es kaum glauben mag. Er IST Silva. Seine Darstellung mag einzelne Anleihen am Joker aus TDK nehmen, aber dies tut dem Spaß keinen Abbruch. Er spielt seinen Villian mit so viel Extrovertiertheit, Verrücktheit, Wahnsinn und Libido wie es dem Zuschauer massig Freude macht. Der Dialog bzw. das Wortgefecht zwischen Ihm und dem an den Stuhl gefesselten Bond war einer der ganz großen Momente im Kinosaal und sorgte für großartige Lacher. Wunderbar wie souverän Craigs Bond hier bleibt. Die Auflösung kurz danach wie Silva das Glas von Severins Kopf bekommt ist klassisch perfide wie bei einem Bondvillian aus dem Lehrbuch.
Nachdem Bond Silva dann „im Gepäck“ mit nach London gebracht hat ist das Zusammentreffen zwischen ihm und M etwas ganz besonderes. Silvas Schilderung hinsichtlich seines Suizidversuchs und der „Nebenwirkungen“ des Zyankalis ist verbunden mit den Bildern schon etwas.... naja mir ist schon leicht der Schauer über den Rücken gefahren. ^^
Silvas Flucht durch London wiederum ist auch stark gelungen. Hierbei ist der U-Bahn Crash eine Szene bei der die Bezeichnung „gigantisch“ am besten zutreffen dürfte. Wahnsinn wie das auf der Leinwand wirkt, wer braucht da noch 3D !?
Besonders gewagt aber auch sehr gelungen finde ich die Szene in der Ms Rezitation eines Gedichtes vor dem Ausschuss mit Szenen von Bond zwischengeschnitten ist. Natürlich ist die Bedeutung doppelbödig und eigentlich ist es Bond den die Macher meinen, doch hier hätte es sehr schnell in Schmalz oder ins lächerlichen Pathos abdriften können. Doch Mendes schafft hier den Spagat und liefert eine Szene, die in ihrer Komposition an manche QOS-Sequenzen erinnert (Sienna, Tosca) und überaus episch wirkt.
Und dann werden Brotkrümel gelegt... die Szene in der der Aston Martin DB5 enthüllt wird sorgte im Saal für die mit Abstand meiste Begeisterung. Zusammen mit dem Bond-Thema sind diese Szenen wirklich ein Highlight der ganzen Reihe. Als Fan würde man am liebsten rufen: YEEEEES !!!!!
Amüsant wie Bond M mit dem Schleudersitz droht und diese sogar noch darum bescheid weiß.
An dieser Stelle sei auch Newmans Score bewertet. Es bleibt festzustellen, dass er durchaus einige klassische Wege beschreitet. Die Bondtypischen Hörner bleiben uns erhalten und seine Musik unterstreicht den Film wahrlich sehr gut. Gleichzeitig ist sein Score sehr oft weniger auffällig / präsent als es beispielsweise Arnolds Scores waren. Wer besser ist? Müsste weiter genau verglichen werden, im Moment finde ich (noch) Arnold etwas besser in Sachen Bond-Score.
In Schottland wird es dann richtig episch. Die Szenerie wirkt wie eine monumentale Naturkulisse und ist ein passender Schauplatz... ja gäbe es denn einen passenderen? Ich könnte mir keinen für diesen Showdown denken
Zum ersten mal wird der Spieß umgedreht und Bond flüchtet zu seinem Hideout. Eine Neuerung wie auch vieles andere im Film, aber Mendes schafft immer wieder der Spagat alles mit sehr sehr viel Bond-Feeling zu versehen. Kincade ist ein weiterer glänzender Nebencharakter und sein Satz „Ich war bereit als du noch nicht geboren warst.“ Hat für den kundigen Fan besondere Bedeutung: Albert Finney war ja 1962 als Bond in Betracht gezogen worden, Craig ist Jahrgang 1968. Ich liebe solche dezenten Doppelbödigkeiten... ^^ Auch sonst sind seine und Bonds Wortgefechte eine wahre Freude. Auch spätestens in Schottland ist der Film auf einer Ebene angekommen, an der vieles in höchstem Maße zeitlos wirkt. Alles hat ein urklassisches Feeling, das drüber hinaus noch mit einem hohem Maß an Coolheit glänzt. Es kommt wahrlich ein High Noon-Gefühl auf.
Im übrigen schafft man in SF den Spagat tiefer in die Geschichte Bonds einzutauchen, ohne allerdings die Figur selbst zu entmystifizieren. Im Gegenteil: Einiges wirkt vielmehr an mytische Geshcichten von der Entstehung von Helden, so beispielsweise Kincades „... als er da raus kam, war er kein Junge mehr.“ (über Klein-James Zuflucht nach der Horrornachricht).
Die Schlacht um Skyfall ist ein überaus würdiger Showdown des Films. Silvas Ankunft mit dröhnender Musik (welcher Song ist das eigentlich?) ist eine charmante Anspielung auf Apocalypse Now, aber sehr passend zu seinem exzentrischen Charakter. Von vermeintlich schlecht getricksten Effekten (wie manche meinten) keine Spur. Die Modellarbeit fällt nicht auf und sieht absolut super aus. Besonders cool ist Bonds Reaktion auf die Zerstörung seines Aston Martins, dieser Das-nehm-ich-persönlich-Ausdruck auf seinem Gesicht ist unbezahlbar. Interessanterweise nutzen die MGs in den Scheinwerfern ihm hier endlich mal
(in GF ja nicht wirklich).
Nachdem man die Lodge selber zusammen mit Silvas Söldnern pulverisiert hat, geht es aufs Charakterfinale zu. Die Szene im zugeisten See ist gut gemacht, nur frage ich mich leicht wieso Bond dann für die Fackel noch mal extra zurücktauchen musste. Da fand ich das Segment in sich nicht wirklich völlig logisch. Die letzten Szenen in der Kirche sind sehr stark und auch bei Ms Tod schafft man die Balance zwischen ergreifenden Szenen und etwas was schnell nach hinten los gehen könnte. Der wohl schwerste Spagat des ganzen Films schaffen Mendes und seine Schauspieler hier super. Gut auch, dass man Kincades Charakter nicht geopfert hat. Bonds Tränen sind wunderbar umgesetzt, ich hatte schon die Befürchtung er würde regelrecht heulen. Wieder wunderbar die Balance gefunden.
Back to London. Die Pointe mit der Box ist überaus lustig und auch die Szenen bei Moneypenny und dem neuen M sind grandios. Das Ende wirkt wie eine perfekte Überleitung auf einen nächsten Bondfilm und man kann nur hoffen, dass die Schauspieler von Tanner, M, Q und Moneypenny in ihren Rollen zurückkehren. Die Gunbarrel sieht wesentlich besser als bei QOS aus, doch ein wenig hab ich dennoch das klassische Binder-Design vermisst. Sie passt wirklich am Ende. Aber wie schon oft gesagt: Am Anfang + am Ende vom Film hätte ich es für besser gehalten.
Aber Gernot, was meintest du damals mit der Anspielung auf die Hut-auf-den-Ständer-Wurf-Szene hier? Hab ich was vor Begeisterung übersehen?
Fazit:
Skyfall ist ein düsteres Meisterwerk der Reihe. Passender könnte man ein 50 Jähriges Jubiläum kaum feiern und es ist das schönste mögliche Geschenk der Reihe an sich selbst. Der Film glänzt auf nahezu allen Ebenen. Darsteller, Regie, Kamera, Script, Production Design und vieles weitere erreichen unerwartete Höhen. Die Handlung ist so tiefgehend, wie es in einem solchen Spektakel für kaum möglich gehalten wird. Nach Nolan wird oft gerufen (bisher auch von mir), aber Mendes zeigt, dass all das er auch kann - und mehr!. Skyfall zeigt seinem diesjährigen Bruder im Geiste „The Dark Knight Rises“ wo der Hammer hängt und schafft es zu zeigen, dass er besser ist. Auch besser als TDK. So gesehen könnte Skyfall die neue Meßlatte werden für anspruchsvolle Blockbuster. Die Beteiligten haben es geschafft einen Instant-Klassiker zu realisieren.
Daher reiht sich Skyfall auf anhieb auf meine 10er Liste (9,5er mitgezählt) der Bondfilme ein, also Filme mit Höchstwertung:
- FRWL
- GF
- TB
- OHMSS
- GE
- CR
Hierbei ist SF von seinem Ton her OHMSS am ähnlichsten.
DANKE SAM MENDES & EON !!!