Heute war mal wieder hoher Feiertag für mich: ich hab nach mehreren Jahren erstmals wieder FYEO geschaut
Und was soll ich sagen: der Film ist für mich wie ein sehr guter Wein, er wird im Laufe der Jahre eher noch besser! Auch wenn mich der Film (leider) nicht mehr überraschen kann, so sind mir doch wieder ein paar Sachen aufgefallen:
- Die Musik wird ja oft als ein zeitgenössischer Ausrutscher abgetan, ich finde sie absolut perfekt für den Film und halte sie sogar für einen der besten Soundtracks der ganzen Serie. Nicht zuletzt, weil er so anders ist als die "üblichen" Bondscores. Eine ähnliche Ausnahmestellung nehmen eigentlich sonst nur noch Kamens LTK und Serras GE ein, wobei Contis FYEO für mich hier mit deutlichem Abstand der beste der "Ausnahme"-Soundtracks ist. Toll, wie der Score die unterschiedlichen Stimmungen einfängt wie zb die mittelalterlich angehauchte Kloster-Kyrpta-Musik oder die mit tollen, recht unorthodoxen Klavierakkorden versehene Skisprungsequenz. Vor allem die Suiten der beiden großen Actionszenen (Entenverfolgung und Skiverfolgung) ist für mich die beste musikalische Untermalung aller Bondactionszenen: das hat Pepp, das ist fetzig und entspricht genau den dynamischen Actionszenen die man auf der Leinwand bzw auf dem TV sieht. Der Score spiegelt genau wie auch der visuelle Stil des Films die Entstehungszeit des Films perfekt wieder.
- Die Beteiligung des KGBs/Gogols wird von Anfang an klar gezeigt: ich hatte bei unserer Diskussion zu dem Thema neulich ganz vergessen gehabt, dass es ja gleich zu Beginn des Films die Szene in Gogols Büro gibt, in der er von der gesunkenen St. Georges erfährt und auch gleich ankündigt "unseren alten Freund in Griechenland" auf die Sache anzusetzen. Direkt im Anschluß folgt die Szene, in der Gonzalez Melinas Eltern ermordet. Schon da sollte dem Zuschauer eigentlich klar sein, dass die Russen hier ihre Finger in dem dreckigen Spiel haben. Dass man als Zuschauer dennoch die so offensichtlich aufgebauten Zusammenhänge nicht wahrnimmt oder wahrnehmen will finde ich absolut bemerkenswert.
- Die Beziehung Bond-Ferrara wird, obwohl sie nur wenig Screentime zusammen haben, sehr schön aufgebaut. Man merkt sofort, dass sich die beiden sympathisch sind (die Szene auf der Toffana, in der Bond bei der Vorstellung noch das "James" hinterherschiebt und der grinsende Ferrara mit "Luigi" antwortet). Das macht in sofern absolut Sinn, weil dadurch Bonds Betroffenheit bei Ferraras Ermordung glaubhaft motiviert ist und erst recht die spätere Liquidierung Locques. Ein schönes Beispiel, wie mit kleinen aber feinen Mitteln ein großer Effekt erzielt wird.
- Michael Gothards Leistung als Locque ist absolut grandios, für mich sicherlich einer der besten Henchmen der Serie. Ähnlich wie beim Score auch hier wieder: weil sein Charakter so erfrischend anders ist als was man sonst gemeinhin als den typischen Henchman in Bondfilmen zu sehen bekommt (was in FYEO eher John Wyman verkörpert). Obwohl er weder physisch besonders bedrohlich wirkt noch irgendeine Spezialwaffe wie einen mechanischen Arm oder ein Stahlgebiss vorzuweisen hat verströmte er ein beunruhigende Bedrohlichkeit. Die Tatsache dass er den ganzen Film über stumm bleibt verstärkt dies noch. Der leichte Anflug eines Grinsens als er am Strand Lisl überfährt. Oder die Kaltblütigkeit, mit der er die Geldübergabe nach Gonzalez Tod rückgängig macht und im allgemeinen Troubel von Bonds Flucht einfach das Anwesen verlässt, als ob es nur eine geschäftliche Besprechung sei, dass ist schon großartig! Sein Ende ist für mich der heimliche Höhepunkt des Films, toll wie er wieder den Anflug dieses sadistischen Grinsens auf den Lippen hat als er auf Bond zurast. Und Moore hat hier wohl die besten Minuten seiner gesamten Bondfilme: erst die physische Hetzerei über die Treppen (was für einen Moorebond schon allein sehr ungewöhnlich ist). Dann: ganz cool und ruhig zielt Moore und verpasst dem mit Highspeed auf ihn zurasenden Locque eine Kugel in die Schulter. Und natürlich die Konfrontation Bond-Locque, die Rache für Luigi inklusive des während des gesamten Films clever aufgebauten Tauben-Symbols. Toll wie die Musik punktuell die Szene unterstützt und als Höhepunkt dann der Tritt von Old Rog, der dem rutschenden Mercedes endgültig den Rest gibt: ganz groß!
Edit:
- noch ein Punkt: die Einbindung von Q in FYEO ist ebenfalls mal eine erfrischende Abweichung zum sonstigen Schema F. Da man in FYEO ja bewusst auf größere Gimmicks verzichtet hat wird Q sehr stimmig in der Identografen-Szene (die 30jahre alte Computertechnik hat etwas rührend antikes an sich, lustig auch die Anzeige am Schluß: Thank you for using our Information

) eingebaut. Das bietet trotzdem genügend Spielraum für die üblichen Kabbeleien zwischen Bond und Q und ist aber endlich mal etwas anderes. Qs zweiter Auftritt als verkleideter griechischer Priester ist natürlich ein typischer Gag der Moorezeit und die Szene macht für die Handlung überhaupt keinen Sinn, aber nach der recht harten und ernsten Boot-Folter-Szene ist es eine schöne und willkommene Auflockerung. Außerdem ist Llewelyns genervte Frustration ja immer ein Genuß ("das ist noch milde ausgedrückt").
Edit 2:
- Und noch was: mir ist eigentlich zum ersten mal aufgefallen, wie eindrucksvoll die Berglandschaft von Cortina festgehalten wurde. Gerade in der Szene auf der Toffana und im olympischen Eisstadion wirkt das Bergpanorama im Hintergrund absolut grandios.
Edit 3:
- was ich mich schon immer gefragt habe: in Kristatos Lagerhaus in Albanien sehen wir ja die Tiefseeausrüstung, wodurch Bond weiss dass es Kristatos auf die Bergung des ATAC abgesehen hat. Gleichzeitig sieht man aber auch die gleichen See-Mienen, von denen zu Beginn eine die St. Georges zum Sinken brachte. Sollte das ein Hinweis von Maibaum/Wilson sein, dass Kristatos die St. Georges bewusst zum Sinken gebracht hat? Dass dürfte aber rein technisch nahezu unmöglich sein (wie bringt man eine See-Miene genau in die Fahrtlinie eines Schiffs? Durch Fernsteuerung?). Außerdem würde das ja bedeuten, dass Kristatos alles bewusst inszeniert hat, um das ATAC den Russen verkaufen zu können. Wenn dem so gewesen wäre, dann hätte er doch aber auch wissen müssen, wo die St. Georges gesunken ist und unverzüglich mit der Bergung beginnen können. Andererseits: für was hat man mehrere See-Mienen aus dem 2. Weltkrieg in seinem Lagerhaus? Merkwürdig.
Edit 4:
Bonds Gefangennahme auf Gonzalez Anwesen ist eine der ganz wenigen Ausnahmen (ist es nicht sogar die einzige?) wo Bond direkt exekutiert werden soll. Diesmal keine ausgeklügelte Art ihn ins Jenseits zu befördern, er soll nur vom Pool weggebracht werden, damit die planschenden Damen nicht durch seine Erschiessung verschreckt werden. Gut für ihn, dass Melina ihre Armbrust dabei hatte...