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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Planet der Affen
Die Kubakrise 1962, das Attentat auf John F. Kennedy 1963, die Ermordung Martin Luther Kings 1968, die Rassenunruhen in Detroit 1967 und der Vietnamkrieg prägten das politische Bild der Vereinigten Staaten von Amerika in den 60er-Jahren. Unter diesen Gesichtspunkten mag es heute als Wunder erscheinen, dass 68 mitten in dieser Zeit ein von vorne bis hinten politischer Film im Kino anlaufen konnte, der der gesamten Menschheit einen Spiegel vorhält und ihre Probleme offen anspricht. Getarnt als Sci-Fi-Dystopie geschah genau das mit Franklin J. Schaffners "Planet der Affen". Berühmt mag dieser heute noch für seine unverkennbaren Affenmasken (von Hollywood-Legende John Chambers entworfen) sein, die sich mehr als nur erstaunlich gut gehalten haben und immer noch sehr realistisch und glaubhaft wirken. Doch bestanden hat "Planet der Affen" den Test der Zeit nicht wegen seines aufwendigen Make-Ups, sondern wegen dem, was einen Film wirklich modern hält: Einer aufregenden und spannenden Geschichte!
In der Tat gab es zu jener Zeit wohl kaum einen spannenderen Vertreter des Sci-Fi-Genres. Die erste halbe Stunde, welche die Landung dreier Astronauten auf einem sterilen Wüstenplaneten im Fokus hat, ist bestes Genrekino und durch die experimentelle atonale musikalische Untermalung Jerry Goldsmiths, die verstörend gruselig klingt, eine spannende Odyssee, die von Schaffner mit grandiosen Panorama-Aufnahmen gezeigt wird. Wenn dann die Geschichte beginnt und Mensch und Affe aufeinandertreffen, beweist Schaffners Film auch inhaltliche Stärke, sobald dem Zuschauer die Rollenverteilung der Affengesellschaft bewusst wird: Der Mensch ist dumm, schwach, fällt nicht unter "Affengesetze" und darf daher misshandelt und entwürdigend behandelt werden. Ein simpler Clou zwar, ein einfacher Rollentausch zwischen Mensch und Affe, doch ungemein effektiv in dieser Schlichtheit. Schaffner kehrt die Evolutionstheorie einmal um und nutzt die abenteuerliche Fantasie-Geschichte als Parabel. Religiöse Lehren und deren Behinderung des wissenschaftlichen Fortschritts werden aufgeführt, wenn ein Affenpaar für die Untersuchung am Menschen der Ketzerei angeklagt werden, die Aufspaltung der Gesellschaft unter den Affen (Orang-Utans als führendes Geschlecht, Schimpansen als gehobener Mittelstand und Gorillas als Arbeiterklasse) lässt immer wieder rassistische Tendenzen aufkommen und entlarvt diese, eine Szene, in der der Protagonist vor einem Tribunal antreten muss, schreit gerade zu Inquisition, die Affenherrscher selbst bilden eine Allegorie zum mittelalterlichen Despotismus. Es ist wahrlich nicht schwer, den satirischen Charakter des Filmes zu entdecken.
Und das, wo eine Affenherrschaft über den Menschen eigentlich großes Humorpotenzial besitzt. Doch plumpe Lacher will die Regie nicht abstauben, Schaffner nimmt seinen Film ernst. Die Kostüme, die Sets, die gesamte Ausstattung sind komplett darauf ausgelegt, keine ungewollte Komik aufkommen zu lassen und vieles funktioniert erst deshalb, weil man beispielsweise die kostümierten Affen-Darsteller zu keinem Zeitpunkt anzuzweifeln mag. Dass Hauptfigur Taylor mit Charlton Heston auch noch durch einen grandiosen Mimen besetzt ist, der ebenfalls keinen Zweifel an der Echtheit der Geschichte aufkommen lässt und höchstens mal mit einem sarkastischen Kommentar, den sein Charakter als Misanthrop zum Besten gibt, etwas Humor ins Geschehen einbringt, ist ebenfalls ein enormer Glücksfall für die Regie. Erfreulich, denn gerade wenn Themen wie Rassismus, Tierschutz oder das menschliche Selbstverständnis (in diesem Fall ein sehr negativ geprägtes) angesprochen werden, sollten sie nicht durch Effekthascherei verdrängt werden. Zwar gibt es immer wieder kleinere Actionhöhepunkte, wie eine von Kameramann Leon Shamray wundervoll eingefange Verfolgungsjagd durch das Affendorf, doch sind Actionszenen hier nie plumper Selbstzweck, sondern immer das schlüssige Resultat vorher aufgestauter Konfrontationen. Genau so geht das!
Doch die nicht selten aufgeführte Kritik an "Planet der Affen" ist durchaus berechtigt. Denn so gelungen die Gesellschaftskritik und die politischen Untertöne auch sein mögen, wirklich subtil geht Schaffner bei seinem Werk nicht vor. Einigen Stellen (wie dem sadistisch lachenden Affenwärter) wäre man sogar gewillt, die plumpe Holzhammermethode vorzuwerfen. Garantiert aber simplifiziert Schaffner die meisten seiner Ansätze zu Gunsten der Betonung des humanistischen Gedankens. Insbesondere die schlichte Umkehrung der Tierquälerei-Thematik, die nur durch das pure Wenden der Parteien entlarvt werden soll, wird an vielen Stellen noch zu knapp und aus zu wenigen Blickwinkeln betrachtet, als das die satirische Darstellung an allen Stellen so richtig zünden und böse werden könnte. Und ausgerechnet der immer wieder kurz auftauchtende Gedanke, dass wissenschaftliche Erkenntnisse der Vergänglichkeit unterworfen sein können und das Wissen darum den Fanatismus der herrschenden Affen begründet, muss erst mühsam reininterpretiert werden und wird von Schaffner nicht prägnant genug herausgestellt. Wirken tut dafür allerdings fairerweise sein grandioser Epilog, der den Begriff "Plot-Twist" um eine zusätzliche Dimension erweitert und witzigerweise vorab so klar und eindeutig vorbereitet wird, dass man trotzdem wohl kaum erahnen wird, wie die Reise endet.
Fazit: Auf die famose Wirkung seiner Schlusspointe allein verlässt sich Schaffner nicht. Aus einer Forschungsreise durch karge Felsen entwickelt sich unter seiner Führung eine hochspannende Geschichte mit den Ausmaßen eines biblischen Gleichnisses, die in ihren Kernaussagen leider oft zu naiv bleibt und nicht all ihre Möglichkeiten auszuspielen gedenkt, doch sind diese Aussagen selbst wichtig und (damals wie heute) aktuell genug, um zu spannenden Diskussionen nach der Sichtung des Filmes einzuladen und eine nähere Betrachtung einzelner Themengebiete schmackhaft zu machen. Was aber ganz besonders gefällt, ist, dass, sollte man all die Politiksatire und Lehren der Handlung mal vergessen, "Planet der Affen" immer noch eines ist: Ein unterhaltsamer Sci-Fi-Hit.
8/10
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Let the sheep out, kid.