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von UNIVERSAL EXPORTS
Agent
So, nach nun zweimaliger Sichtung will ich auch mal meinen gesammelten Senf zu SP abgeben. Spoiler inklusive, aber wer SP nach fast drei Wochen noch nicht gesehen hat, ist eh kein richtiger Bondfan.
Ich bin in den Film mit sehr großen Erwartungen reingegangen. Sie wurden nicht enttäuscht, SP ist ein sehr guter, klassischer Bondfilm, der dennoch einiges Neues bietet. Ich bin zufrieden, aber mit einer ganz leichten Leere im Gemüt aus dem Kino gekommen. Das zu begründen fällt mir aber schwer. Denn SP ist ein so klassischer Bond, das jedes Fanherz jubeln müsste. Das tut es auch, aber der Jubel ist eben etwas leiser als erwartet. Beginnen wir mit der wirklich allseits gelobten PTS: Optisch und inszenatorisch ganz großes Kino vom Feinsten. Für mich aber doch in der letzten Minute eine ganz leichte Enttäuschung. Ich hätte erwartet, dass Bond sich mit einem großen Überstunt befreit bzw. den Bösen tötet. Ein Knaller, eine Pointe, oder ein negativer Schock wie in SF. Nichts von alledem. Der Film geht noch eine Minute weiter, nachdem das Problem gelöst/beseitigt ist, bevor die TS startet. Die ist übrigens exzellent, klasse Reminiszenzen an die bisherige Craig-Trilogie, der Tintenfisch super inszeniert.
Der Film selbst bietet tolle Schauwerte, ein paar tolle Gags und viele unglaublich gute Einzelszenen. Das Spectre-Treffen in Rom gehört für mich zu den atmosphärischsten und bedrückendsten Sequenzen der gesamten Reihe, ebenso die Szenen mit Bellucci in der Villa. Ich finde übrigens nicht, dass sie zu kurz kommt. Nur hätte ich sie gern in Sicherheit gewusst – selbst wenn Felix sie am nächsten Tag abholt, kann sie schon tot sein. „In fünf Minuten ist der nächste da“, so waren ja sinngemäß ihre Worte.
Wie von Vielen hier bereits bemerkt: Q gehört zu den heimlichen Stars, die Szenen mit ihm sind mir die liebsten und lustigsten. Insofern bildet er die perfekte Überleitung nach Altaussee, wo Mr. White seinen letzten und besten Auftritt hat. Auch die anschließenden Szenen in der Hoffler-Klinik sind superb inszeniert: Wie hier mit Weiß und Schwarz gespielt wird, die Einsamkeit der Höhe inszeniert ist, wie schroff Swann Bond zuerst behandelt – klasse.
Der Film hält Tempo und Spannung für mich bis zum Dialog im Zug in Marokko. Da habe ich bereits bei der Zweitsichtung leicht abgeschaltet. Ich hatte mich auf einen amüsanten Schlagabtausch oder wenigstens ein gemeinsames Tüfteln und Weiterkommen im Plot gefreut. Aber der Dialog war so fad und oberflächlich, dass mir wenig davon in Erinnerung geblieben ist. Der Kampf mit Hinx wiederum: Großartig! Was mir dabei und in vielen anderen Szenen des Film auffiel: Wo sind eigentlich die anderen Menschen? Sind Bond und Swann alleine im Zug, auf dem Berg, im Hotel, in London?
Die Auflösung, der große Hook des Films sowie der Plan des Bösen finde ich ein wenig banal. Alle anderen Leute, die mit mir im Kino waren, keine Bondmaniacs, aber Bond wohlwollend gegenüber, meinten: Sehr gut, aber auch überraschungsarm, das Ganze. Ich kann mich dem anschließen. Allerdings muss ich mir dann die Frage gefallen lassen, was ich denn erwartet habe. Bond lebte noch nie von den ganz großen Überraschungsmomenten, den riesigen Plottwists. Möglicherweise bin ich und auch der Rest des Publikums mittlerweile verwöhnt von allzu viel ausgetüftelten, gar überkonstruierten Geschichten in den letzten Jahren mit zweiter, dritter und vierter Ebene. Nolanisierung eben.
Man liest es in vielen Kritiken: SP hat alles, was ein Bondfilm haben muss, er trifft sogar endlich seine Nemesis. Trotzdem ist es kein außergewöhnlicher Bondfilm geworden. Das ist auch meine Meinung. Die Schwächen liegen, wie so oft, im Skript. Und wieder mal im letzten Drittel, die chronische Krankheit der Bondfilme. Es überrascht einmal mehr, dass die gewieftesten Drehbuchautoren der Welt es nicht schaffen, innerhalb von zwei Jahren und unter Zuhilfenahme mehrerer Skriptdoktoren eine wirklich einwandfreie Geschichte hinzubekommen. Viele hier stören sich ja zum Beispiel an der zusätzlichen Geschichte mit C – wohl mit hinzugenommen, weil man allein der Bond-Oberhauser-Geschichte nicht genug Zugkraft zutraute. Ein Schicksal, das dieser Film etwa mit TMWTGG teilt. Alles, wirklich alles andere an diesem Film ist nahezu perfekt und auf handwerklich allerhöchstem Niveau.
Es war wohl auch wieder Zeit für einen klassischen Bond, wie er so oft gefordert wurde. Aber jetzt, wo er da ist, schreit alle Welt, dass das ja nichts Besonderes mehr wäre und eben so vorhersehbar. Meine These: Publikum und Kritiker haben sich wohl schon sehr an die besonderen Geschichten der Craig-Ära gewöhnt und verkennen bei ihrer Kritik, dass sich diese Geschichten – besonders CR und SF – eben nur einmal erzählen lassen.
Vielleicht funktioniert auch die klassische Bondformel so nicht mehr und muss überarbeitet werden. Der Film wird trotzdem ein Erfolg und Bond hat jede Menge Potenzial für die Zukunft. Nur wirkt dieser Film auf mich irgendwie ein wenig ausgelaugt und müde. Zeit, das Kreativteam auszuwechseln.
Klingt wohl jetzt alles negativer, als ich es wirklich meine. SP ist ein Film, der vielleicht zehn Minuten zu lang ist – die anderen 138 Minuten genieße ich aber über die Maßen. SF war für mich in Teilen aber eben doch der bessere Film. Flüssiger, ausbalancierter, kraftvoller, aus einem Guss. Für mich übrigens auch mit mehr und teilweise besserem Humor als in SP. Ich habe darin noch heute keine überflüssige Szene gefunden. Würde ich SF 10 von 10 Punkten geben, erhielte SP 8,5.
"Schnickschnack! Tabasco!"